Bundesgerichtshof Beschluss, 01. März 2012 - V ZB 66/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Kläger bilden mit den Beklagten eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung am 4. Juni 2008 wurde der Antrag, die Verwaltung zu beauftragen, den für die Renovierung eines im Sondereigentum des Beklagten zu 1 stehenden Kellerraums gezahlten Betrag von 2.051,55 € von dem Beklagten zu 1 einzuziehen, abgelehnt und der Antrag, dem Beklagten zu 1 weitere 422,55 € Renovierungskosten zu erstatten, angenommen. Die Kläger verlangen, diese Beschlüsse für ungültig zu erklären und die Verwaltung zu beauftragen, den bereits an den Beklagten zu 1 gezahlten Betrag zurückzufordern.
- 2
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Landgericht mit Beschluss vom 24. Februar 2010 als unzulässig verworfen. Diese Entscheidung hat der Senat aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (Beschluss vom 11. November 2010 - V ZR 113/10). Dieses hat mit Beschluss vom 2. März 2011 die Berufung wiederum als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht erreichen wollen.
II.
- 3
- Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der für die Zulässigkeit der Berufung notwendige Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 600 € nicht erreicht; entsprechend der Größe ihres Miteigentumsanteils von 220,5/1000 trügen die Kläger an den aus ihrer Sicht dem Beklagten zu 1 nicht zu erstattenden Renovierungskosten einen Anteil von 545,63 €, dieser Betrag stelle ihr vermögenswertes Interesse an der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dar. Gründe für die Zulassung der Berufung bestünden nicht.
III.
- 4
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern.
- 5
- 2. Entgegen der Ansicht der Kläger ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht notwendig.
- 6
- a) Soweit die Kläger diese Zulässigkeitsvoraussetzung im Hinblick darauf als erfüllt ansehen, dass - nach ihrer Ansicht - der angefochtene Beschluss von der Entscheidung des Senats vom 17. Juli 2003 (V ZB 11/03, BGHZ 156, 19) abweicht, scheitert die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Divergenz an fehlenden Darlegungen dazu, dass das Berufungsgericht einen Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem die Senatsentscheidung tragenden Rechtssatz abweicht (vgl. schon Senat, Beschluss vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 45).
- 7
- b) Dass die Kläger zudem meinen, das Berufungsgericht habe die Rechtsprechung des Senats in der Entscheidung vom 17. Juli 2003 (V ZB 11/03, aaO) verkannt, begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Nachahmungs- oder Wiederholungsgefahr. Denn es fehlen Darlegungen dazu, dass das Berufungsgericht nicht nur in diesem Einzelfall eine - angebliche - Fehlentscheidung getroffen hat (vgl. ebenfalls Senat , Beschluss vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 46).
- 8
- c) Die von den Klägern erhobene Rüge der Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), die bei Erfolg zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung führt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 152, 221, 226), ist unbeachtlich. Denn die Rüge ist nicht ausgeführt; die Kläger legen nicht dar, worin die Gehörsverletzung liegen soll.
- 9
- d) Schließlich hat das Berufungsgericht den Klägern wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) nicht versagt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. Senat , Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 152, 221, 226) notwendig ist. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600 € nicht, so dass die Berufung unzulässig ist (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
- 10
- aa) Der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgebliche Beschwerdewert ist auch in Wohnungseigentumssachen aus der Person des Rechtsmittelführers , seiner Beschwer und seinem Änderungsinteresse zu beurteilen (Senat , Beschluss vom 17. September 1992 - V ZB 21/92, BGHZ 119, 216, 218 f.). Maßgebend ist deshalb das Interesse der Kläger an der Beseitigung der angefochtenen Beschlüsse (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juli 2003 - V ZB 11/03, BGHZ 156, 19). Dieses besteht jedenfalls darin, nicht anteilig an den Kosten für die Renovierung des im Sondereigentum des Beklagten zu 1 zu stehenden Kellerraums beteiligt zu werden. Es ist mit 545,63 € zu bewerten.
- 11
- bb) Dass das Anfechtungsrecht der Kläger, welches sie nach § 43 Nr. 4 WEG geltend machen, nicht nur ihrem persönlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung dient (Senat, Beschluss vom 13. Juli 2003 - V ZB 11/03, aaO), rechtfertigt keine höhere Bewertung. Für dieses gemeinschaftsbezogene Interesse ist zwar im Wege der Schätzung ein Beschwerdewert zu bestimmen, auch wenn es nicht unmittelbar in einer veränderten Vermögenslage Ausdruck findet (Senat, Beschluss vom 13. Juli 2003 - V ZB 11/03, aaO). Aber weil es in den angefochtenen Beschlüssen um nichts anderes als um die finanzielle Belastung der Wohnungseigentümer und damit um die unmittelbare Veränderung ihrer Vermögenslage geht, hat das Interesse der Kläger an der ordnungsmäßigen Verwal- tung keinen über die Heranziehung zu den Renovierungskosten hinausgehenden Wert (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. März 2009 - 14 Wx 17/07 Rn. 40, juris). Denn anders als zum Beispiel bei der Entlastung oder Nichtentlastung des Verwalters, bei der es um die Bekräftigung der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Wohnungseigentümer mit der Verwaltung geht und das zwischen den Wohnungseigentümern nicht teilbare Interesse daran gesondert zu bewerten ist (Senat, Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026, 1027 Rn. 12), bestimmen hier die Grundsätze der ordnungsmäßigen Verwaltung ausschließlich die Kostenbeteiligung der Wohnungseigentümer entsprechend ihren Miteigentumsanteilen.
IV.
- 12
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht nach § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG dem Wert des Interesses der Kläger, mithin 545,63 €. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
AG Köln, Entscheidung vom 07.08.2009 - 215 C 45/08 -
LG Köln, Entscheidung vom 02.03.2011 - 29 S 162/09 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.
(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für
- 1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander, - 2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern, - 3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie - 4.
Beschlussklagen gemäß § 44.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)