Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 43/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11. März 2013 gegen den Betroffenen , einen nigerianischen Staatsangehörigen, Abschiebungshaft für die Dauer von zwei Monaten verhängt. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 2. April 2013 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er nach seiner am 24. April 2013 erfolgten Abschiebung feststellen lassen will, dass ihn die angefochtenen Beschlüsse in seinen Rechten verletzt haben.
II.
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- Das Beschwerdegericht meint, es reiche aus, dass dem Betroffenen der Haftantrag vor seiner Anhörung mündlich übersetzt worden sei. Eine Aushändigung des schriftlichen Haftantrags sei nicht erforderlich gewesen. Dieser sei dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen überdies vorab per Fax zugeleitet worden.
III.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache analog § 62 FamFG ohne Zulassung statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Sie ist auch im Übrigen zulässig und hat in der Sache Erfolg.
- 4
- 1. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung jedenfalls deshalb in seinen Rechten verletzt worden, weil die Anhörung seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht ausreichend gewahrt hat; es ist nämlich nicht ersichtlich, dass ihm eine Ablichtung des Haftantrags ausgehändigt worden ist.
- 5
- Zwar kann der Haftantrag erst zu Beginn der Anhörung eröffnet werden, wenn er einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu welchem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres auskunftsfähig ist (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 Rn. 16; Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, InfAuslR 2012, 369 Rn. 9). Ihm muss aber in jedem Fall eine Ablichtung des Antrags ausgehändigt und erforderlichenfalls (mündlich) übersetzt werden; dies muss in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich dokumentiert werden. Der Betroffene ist schon auf Grund der Situation zumeist nicht in der Lage, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen. Er muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können (näher Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, InfAuslR 2012, 369 Rn. 9).
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- Die Aushändigung des Haftantrags war nicht - wie das Beschwerdegericht offenbar meint - deshalb entbehrlich, weil der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen ihn per Fax erhalten hat. Dieser war weder bei der Anhörung anwesend noch hat er Gelegenheit gehabt, den Inhalt des Haftantrags vor der Anhörung mit dem Betroffenen zu erörtern.
- 7
- 2. Die Aufrechterhaltung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht hat den Betroffenen ebenfalls in seinen Rechten verletzt, jedenfalls deshalb , weil die verfahrensfehlerhafte Anhörung durch das Amtsgericht nicht - für die Zukunft - geheilt worden ist. Zwar konnte sein Verfahrensbevollmächtigter Kenntnis von dem vollständigen Haftantrag erlangen; weitere Voraussetzung für eine Heilung der verfahrensfehlerhaften Anhörung wäre jedoch eine erneute Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht gewesen, die unterblieben ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 59/12, juris Rn. 12).
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- Im Übrigen rügt die Rechtsbeschwerde auch zu Recht, dass das Beschwerdegericht den Haftgrund auf einen Aktenvermerk der beteiligten Behörde gestützt hat, obwohl eine Anhörung des Betroffenen zu diesem Vermerk durch das Amtsgericht nicht aktenkundig war; auch aus diesem Grund wäre eine erneute Anhörung zwingend geboten gewesen.
IV.
- 9
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Roth Brückner
Vorinstanzen:
AG Memmingen, Entscheidung vom 11.03.2013 - XIV 25/13 (B) -
LG Memmingen, Entscheidung vom 02.04.2013 - 45 T 355/13 -
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(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.
(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.
Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.