Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2005 - V ZB 36/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Kläger haben die Beklagte auf Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit in das Grundbuch und Beseitigung einer Aufschüttung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil haben die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten mit einem an dem letzten Tag der Berufungsfrist bei dem Landgericht per Telefax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Darin ist nur der Kläger zu 1, nicht jedoch die Klägerin zu 2, aufgeführt und als Berufungsbeklagter benannt. Das angefochtene amtsgerichtliche Urteil ist der Berufungsschrift nicht beigefügt worden.
In der rechtzeitig bei dem Landgericht eingegangenen Berufungsbegründung sind beide Kläger als Berufungsbeklagte bezeichnet.
In dem Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Landgericht auf Zweifel an der Zulässigkeit der gegen die Klägerin zu 2 gerichteten Berufung hingewiesen. Darauf hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist hinsichtlich der Klägerin zu 2 beantragt, Berufung gegen das zugunsten der Klägerin zu 2 ergangene amtsgerichtliche Urteil eingelegt und auf die bereits vorliegende Berufungsbegründung verwiesen. Er hat dazu vorgetragen, daß die fehlerhafte Parteibezeichnung von einer ansonsten zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten entgegen seiner allgemeinen Weisung, in Berufungssachen u.a. das Rubrum gemäß dem erstinstanzlichen Urteil abzuändern und der Berufungsschrift immer eine Abschrift des angefochtenen Urteils beizufügen, in die Berufungsschrift aufgenommen worden sei.
Mit Beschluß vom 11. August 2004 hat das Landgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt. Die Klägerin zu 2 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Das Berufungsgericht hält den Antrag für unbegründet. Eine Rechtsmittelschrift müsse von dem Prozeßbevollmächtigten selbst vor ihrer Unterzeichnung auf Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit überprüft werden. Dazu ge-
höre insbesondere die Prüfung, inwieweit gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt werden solle. Diese Aufgabe dürfe nicht auf das Büropersonal übertragen werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten seine Angestellten generell darauf hingewiesen habe, einer Berufungsschrift die Abschrift der angefochtenen Entscheidung beizufügen. Denn er habe nicht behauptet bzw. nicht glaubhaft gemacht, daß er diese Anweisung auch für den Fall der Berufungseinlegung per Telefax erteilt und seine Angestellte auf die in diesem Fall aus Zulässigkeitsgründen besonders wichtige Übersendung der Urteilsabschrift hingewiesen habe. Falls sich der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten trotz des unzureichenden Wortlauts der Berufungsschrift darauf verlassen habe, daß sich der Umfang der Anfechtung aus dem amtsgerichtlichen Urteil ergebe, habe er seine Angestellte darauf hinweisen oder sich selbst darüber vergewissern müssen, daß gleichzeitig mit der Berufungsschrift eine Abschrift der angefochtenen Entscheidung an das Berufungsgericht übermittelt werde.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verbindung mit §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft (BGHZ 152, 195, 197 f.; BGH, Beschluß vom 17. März 2004, IV ZB 41/03, NJW-RR 2004, 1150). Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts
(§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 ZPO) ist nicht erforderlich. Das sieht die Beklagte nicht anders.
2. Die Beschwerde ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) zulässig.
a) Soweit die Beklagte diese Zulässigkeitsvoraussetzung im Hinblick auf eine vermeintliche Divergenz zwischen dem angefochtenen Beschluß und der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Auslegung einer Berufungsschrift und auf - ebenfalls vermeintlich - von dem Berufungsgericht nicht formulierte unrichtige Obersätze, die eine Nachahmungs- und Wiederholungsgefahr begründen , als erfüllt ansieht, ist ihr insoweit zuzustimmen, als beim Vorliegen dieser Umstände die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO zu bejahen sind (Senat, BGHZ 154, 288, 292 f. und Beschluß vom 18. März 2004, V ZR 222/03, NJW 2004, 1960 - jeweils zu dem inhaltsgleichen § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 ZPO). Hier ist jedoch weder ein Fall der Divergenz gegeben, noch hat das Berufungsgericht unrichtige Obersätze aufgestellt. Es hat vielmehr die Berufungsschrift anhand der ihm bei Ablauf der Berufungsbegründung zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zutreffend als lediglich gegen den Kläger zu 1 gerichtet angesehen. Im übrigen verkennt die Beklagte auch, daß es für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht darauf ankommt, ob das Berufungsgericht die gegen die Klägerin zu 2 gerichtete Berufung zu Recht als unzulässig angesehen hat. Diese Frage stellt sich in erster Linie im Rahmen einer Rechtsbeschwerde, mit der ein die Berufung verwerfender Beschluß angefochten wird. Darum geht es hier nicht. Da sich diese Rechtsbeschwerde gegen den die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand versagenden Beschluß richtet, kommt es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels darauf an, ob eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Erwägungen erforderlich ist, mit denen das Berufungsgericht die Wiedereinsetzung abgelehnt hat. Das ist jedoch nicht der Fall.
b) Das Berufungsgericht hat - entgegen der Meinung der Beklagten - deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Der angefochtene Beschluß stellt keine Überraschungsentscheidung dar, denn das Berufungsgericht hat die Parteien mit Beschluß vom 4. Mai 2004 darauf hingewiesen, daß es die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für nicht gegeben hält, weil der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten selbst die Berufungsschrift auf Vollständigkeit habe prüfen und sich habe vergewissern müssen, daß gleichzeitig mit der Berufungsschrift eine Abschrift des erstinstanzlichen Urteils an das Landgericht übersandt werde. Dazu hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten Stellung genommen. Da der angefochtene Beschluß dieselbe Begründung für die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags enthält wie der Hinweisbeschluß, scheidet eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus. Das gilt auch hinsichtlich der Feststellung des Berufungsgerichts, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe nicht behauptet bzw. nicht glaubhaft gemacht, daß es in seinem Büro die generelle Anweisung an die Angestellten gegeben habe, auch bei der Einlegung der Berufung per Telefax eine Abschrift der angefochtenen Entscheidung beizufügen. Es ist ausgeschlossen, daß die Entscheidung des Berufungsgerichts anders ausgefallen wäre, wenn es das Bestehen einer solchen Anweisung zugrunde gelegt hätte. Denn die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags beruht nicht auf der Feststellung des feh-
lenden Vortrags. Vielmehr geht das Berufungsgericht zu Recht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2001, III ZR 113/00, NJW 2001, 1070, 1701) davon aus, daß eine solche generelle Anweisung den Prozeßbevollmächtigten nicht von seiner Überprüfungs- und Kontrollpflicht entbindet.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann
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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)