Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2019 - V ZB 28/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juli 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Februar 2016 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 als unzulässig ablehnte, da er bereits in Italien internationalen Schutz erhalten hatte. Seine „Abschiebung“ nach Italien wurde angedroht. Eine für den 10. Juli 2017 geplan- te Rücküberstellung scheiterte, weil der Betroffene nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft angetroffen wurde. Am 7. Dezember 2017 wurde er von der Polizei festgenommen.
- 2
- Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 8. Dezember 2017 Sicherungshaft bis längstens 4. März 2018 angeordnet. Die begleitete Rücküberstellung des Betroffenen auf dem Luftweg nach Italien ist für den 28. Februar 2018 terminiert worden. Auf seine Beschwerde hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und festgestellt, dass die Haftanordnung vom 8. Dezember 2017 ihn in seinen Rechten verletzt hat. Dagegen richtet sich die am 14. Februar 2018 bei dem Bundesgerichtshof eingegangene Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde, mit der sie zunächst beantragt hat, den Beschluss des Landgerichts abzuändern und die Beschwerde gegen die Haftanordnung zurückzuweisen. Nachdem der Zeitraum, für den das Amtsgericht die Haft angeordnet hatte, während des Rechtsbeschwerdeverfahrens abgelaufen ist, beantragt sie jetzt, dem Betroffenen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Betroffene beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II.
- 3
- Das Beschwerdegericht meint, das Beschleunigungsgebot sei verletzt. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine begleitete Rücküberstellung nicht vor dem 28. Februar 2018 durchführbar gewesen wäre. Es fehle an ausreichenden Anknüpfungstatsachen. Der Hinweis der Behörde auf die Vorlaufzeit von zehn bis zwölf Wochen für Abschiebungen nach Italien sei nicht ausreichend. Im Grundsatz sei davon auszugehen, dass mehrmals täglich eine Viel- zahl von Flügen von Deutschland nach Italien durchgeführt würde. Über die Sicherheitsbegleitung hinaus seien keine vorbereitenden Maßnahmen erforderlich gewesen. Die Verzögerung beruhe danach wesentlich auf der Auslastung der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen staatlichen Stellen, welche der Betroffene nicht hinzunehmen habe. Zwar sei grundsätzlich nachvollziehbar , dass derzeit viele Personen abgeschoben werden sollten. Dass angesichts der guten Flugverbindungen zwischen Deutschland und Italien eine Abschiebung des Betroffenen allein deshalb nicht zu einem früheren Zeitpunkt möglich sei, ergebe sich daraus aber nicht ohne Weiteres. Überdies habe die Behörde das behauptete Missverhältnis zwischen der Vielzahl der begleiteten Abschiebungen nach Italien und den zur Verfügung stehenden Flugplätzen nicht weiter dargetan.
III.
- 4
- 1. a) Die Rechtsbeschwerde der Behörde ist zulässig. Sie ist nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft, weil sie sich gegen einen eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden Beschluss richtet (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 84/17, FGPrax 2017, 231 Rn. 4). Die beteiligte Behörde hat die Rechtsbeschwerde auf die die Haft aufhebende Entscheidung des Beschwerdegerichts beschränkt. Das betrifft den Haftzeitraum vom 17. Januar 2018 bis 4. März 2018. Gegen die Feststellung, dass die Haftanordnung den Betroffenen in dem Zeitraum ab dem 8. Dezember 2017 in seinen Rechten verletzt hat, wendet sich die beteiligte Behörde nicht. Eine solche Rechtsbeschwerde wäre auch unzulässig (vgl. Senat , Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 64/17, juris Rn. 4; Beschluss vom 12. Juli 2018 - V ZB 48/18, juris Rn. 8).
- 5
- b) Die Rechtsbeschwerde ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass der Zeitraum, für den das Amtsgericht die Haft angeordnet hat, während des Rechtsbeschwerdeverfahrens abgelaufen ist. Das schließt zwar eine Sachentscheidung über die Haftanordnung aus; mangels Feststellungsinteresses kann die beteiligte Behörde die Rechtsbeschwerde auch nicht mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG aufrechterhalten. Sie kann das Rechtsmittel aber - wie hier geschehen - auf den Kostenpunkt beschränken und das Verfahren in diesem beschränkten Umfang fortführen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 22/12, BGHZ 196, 118 Rn. 6 ff.; Beschluss vom 7. Juni 2018 - V ZB 237/17, InfAuslR 2018, 368 Rn. 4).
- 6
- 2. Die Entscheidung über die Kosten ist, soweit die Hauptsache erledigt ist, gemäß § 83 Abs. 2 i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach billigem Ermessen zu treffen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - V ZB 145/13, juris Rn. 5). Eine Entscheidung über die Kosten zugunsten des Rechtsbeschwerdeführers hat danach zu ergehen, wenn sein Rechtsmittel ohne die Erledigung der Hauptsache begründet gewesen wäre (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - V ZB 145/13, aaO). Wie über das Rechtsmittel der beteiligten Behörde bezogen auf den Zeitraum ab der Haftaufhebung bis zum Ablauf der angeordneten Haft (17. Januar 2018 bis 4. März 2018) ohne das erledigende Ereignis entschieden worden wäre, ist offen. Auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts kann ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot weder bejaht noch verneint werden. Es entspricht deshalb billigem Ermessen , dass die Beteiligten insoweit ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
- 7
- a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (BVerfGE 46, 194, 195; BVerfG, Be- schluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvR 1275/16, juris Rn. 43) auch in Abschiebungshaftsachen zu beachten ist (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175 Rn. 22; Beschluss vom 2. März 2017 - V ZB 138/16, InfAuslR 2017, 289 Rn. 12). Die Abschiebungshaft muss auch während des Laufs der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden; dies ergibt sich einfachgesetzlich schon daraus , dass die Haft gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Sicherungshaft darf deshalb nur aufrechterhalten oder verlängert werden, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt, und zwar - gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - mit der größtmöglichen Beschleunigung (st. Rspr. vgl. nur Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172 Rn. 21; Beschluss vom 1. März 2012 - V ZB 206/11, FGPrax 2012, 133 Rn. 15; Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 104/12, juris Rn. 7; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 172/12, InfAuslR 2014, 52 Rn. 12 f.). Fehlt es daran, stellt sich die Haft als ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen dar und ist aufzuheben.
- 8
- b) Richtig ist auch, dass Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot durch die die Abschiebung vollziehende Bundesbehörde den für die Anträge auf Abschiebungshaft zuständigen Ausländerbehörden der Länder und der Kreise zuzurechnen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 111/10, NVwZ 2011, 1214 Rn. 13; Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 274/10, FGPrax 2011, 315 Rn. 25; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 172/12, InfAuslR 2014, 52 Rn. 15). Ein solcher Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot durch die Bundesbehörde kann sich aus der unzureichenden Ausstattung mit Personal ergeben. Angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) vermag eine nicht nur ganz kurzfristige Über- lastung der zuständigen Stellen einen weiteren Vollzug der Haft selbst dann nicht zu legitimieren, wenn sie auf einem außerordentlichen Geschäftsanfall beruht (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2895, 2896 zur Untersuchungshaft; Senat, Beschluss vom 16. Februar 2012 - V ZB 320/10, InfAuslR 2012, 225 Rn. 17). Der Ausländerbehörde nicht zuzurechnen ist dagegen die Bearbeitung durch die ausländischen Behörden (vgl. Senat, Beschluss vom 20. September 2018 - V ZB 102/16, juris Rn. 22; Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 40/16, InfAuslR 2017, 450 Rn. 22). Auf das Verfahren der ausländischen Stellen haben die deutschen Dienststellen nämlich keinen Einfluss.
- 9
- c) Die getroffenen Feststellungen tragen jedoch nicht die Annahme des Beschwerdegerichts, das Beschleunigungsgebot sei verletzt. Das Beschwerdegericht meint, für die Feststellung, dass eine frühere Abschiebung des Betroffenen nach Italien nicht möglich gewesen wäre, fehlten die erforderlichen Anknüpfungstatsachen , und der Vortrag der beteiligten Behörde sei nicht ausreichend. In dieser Situation durfte es nicht ohne weitere Sachaufklärung davon ausgehen, dass die Verzögerung der Abschiebung wesentlich auf der Auslastung der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen deutschen Stellen beruht und deshalb das Beschleunigungsgebot nicht gewahrt ist. Im Rahmen der Amtsermittlung nach § 26 FamFG hätte es vielmehr bei der beteiligten Behörde nachfragen müssen, warum die Abschiebung des Betroffenen trotz der guten Flugverbindungen zwischen Deutschland und Italien eine Vorlaufzeit von zehn bis zwölf Wochen benötigte. Das hat das Beschwerdegericht verfahrensfehlerhaft unterlassen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei der gebotenen Nachfrage die beteiligte Behörde den von dem Beschwerdegericht vermissten Sachvortrag zu den Kapazitäten der Fluggesellschaften und der zeitlichen Vorgabe der italienischen Behörden für Abschiebeflüge, wie in der Rechtsbeschwerdeschrift geschehen, gehalten hätte mit der Folge, dass die Haftanordnung aufrechterhalten worden wäre.
- 10
- d) Die von dem Beschwerdegericht als Tatsacheninstanz (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 8) auf einer zureichenden Tatsachengrundlage (§ 26 FamFG) vorzunehmende Prüfung kann von dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht nachgeholt werden. Eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht kommt nicht in Betracht , da nach Erledigung der Hauptsache nur noch über die Kosten zu entscheiden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Juni 2018 - V ZB 237/17, InfAuslR 2018, 368 Rn. 7).
- 11
- 3. Bei der danach zu treffenden Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen , dass es hinsichtlich des Haftzeitraums vom 8. Dezember 2017 bis zum 17. Januar 2018, der nicht Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist, bei der Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts bleibt, wonach der Landkreis Hildesheim die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen der ersten und zweiten Instanz trägt. Das führt zu einer Verteilung der außergerichtlichen Kosten der ersten und zweiten Instanz im Verhältnis von 75 % zu 25 %.
- 12
- 4. Hat sich die Hauptsache erledigt, muss im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Entscheidung über die Gerichtskosten für alle Rechtszüge ergehen, selbst wenn und soweit sie nur klarstellende Bedeutung hat (Senat, Beschluss vom 7. November 2013 - V ZB 111/12, juris Rn. 5). Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG werden Gerichtskosten in allen Instanzen nicht erhoben.
- 13
- 5. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 08.12.2017 - 43 XIV 186/17 B -
LG Hannover, Entscheidung vom 17.01.2018 - 8 T 4/18 -
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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.
(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.
(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.
(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.
(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.