Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2011 - V ZB 193/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 300 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger verlangt die Feststellung, dass der Beklagte seine Pflichten als Verwalter einer aus dem Kläger und zwei weiteren Wohnungseigentümern bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft verletzt hat, indem er es ablehnte , den von dem Kläger nachgemeldeten Tagesordnungspunkt „Einbau von Rauchschutztüren“ zusätzlich auf die Tagesordnung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zu setzen.
- 2
- Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Den Streitwert hat es mit 20% der Kosten für den Einbau der Türen, das sind 800 €, festgesetzt. Das Landgericht ist nach Anhörung des Klägers von einer Beschwer von 300 € ausgegangen und hat seine Berufung unter Festsetzung des Streit- werts auf 300 € als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen will. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II.
- 3
- Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Bemessung der Beschwer richte sich nach dem von dem Kläger selbst erläuterten Interesse daran, dem Beklagten die Unrechtmäßigkeit seines Vorgehens klarzumachen und zu erreichen , dass dieser die Verfahrensvorschriften beachte und ihn nicht mehr benachteilige. Dieses Interesse schätzt es auf nicht mehr als 300 €.
III.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
- 5
- 1. Sie ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Zulässig ist sie aber nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. Mai 2003 - XII ZB 191/02, BGHZ 155, 21, 22). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
- 6
- 2. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.
- 7
- a) Im Ansatz zutreffend geht die Rechtsbeschwerde davon aus, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 547 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch erfordert (dazu: Senat, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 227; Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368; Beschluss vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217), wenn die Anforderungen , die das Berufungsgericht stellt, überzogen sind und dem Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschweren (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533; Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
- 8
- b) Eine solche unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der an sich gegebenen Berufung kann auch in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer liegen. Ein solcher Fehler liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Denn die Bemessung der Beschwer kann auch in dem Verfahren über eine aus anderen Gründen zulässigen Rechtsbeschwerde nur in dieser Hinsicht überprüft werden (Senat, Beschluss vom 9. Juli 2004 - V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219, 220). Ob jeder Ermessensfehler eine unzumutbare Erschwerung des Rechtswegs darstellt, ist zweifelhaft, bedarf hier indes keiner Entscheidung. Die Rechtsbeschwerde zeigt schon keinen Ermessensfehler des Berufungsgerichts auf.
- 9
- Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung der Beschwer des Klägers, die nach § 3 ZPO nach billigem Ermessen vorzunehmen ist, das Interesse des Klägers an der beantragten Feststellung zugrunde gelegt. Es hat dieses Interesse allein in der angestrebten Belehrung des Beklagten über seine Pflichten als Verwalter gesehen. Dieser Ausgangspunkt ist ermessensfehlerfrei. Das Interesse des Klägers an dem Einbau neuer oder dem Austausch der vorhandenen Rauchschutztüren kommt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde als Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Beschwer des Klägers nicht in Betracht. Dass diese durch die hier allein beanstandete Nichtbehandlung auf einer außerordentlichen Eigentümerversammlung vereitelt oder auch nur behindert werden könnte, hat der Kläger weder behauptet noch substantiiert dargelegt.
- 10
- c) Das Berufungsgericht hat auch nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Es hat ihn nicht nur auf seine Bedenken gegen das Erreichen der erforderlichen Beschwer hingewiesen, sondern seinen Standpunkt vor der Verwerfung der Berufung in einem förmlichen Hinweisbeschluss eingehend dargelegt. Mehr war auch im Hinblick auf § 139 ZPO nicht veranlasst.
- 11
- d) Das Berufungsgericht hat dem Kläger den Zugang zu der Berufungsinstanz auch nicht dadurch unzumutbar erschwert, dass es seinen hilfsweise gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung nicht beschieden hat. Dazu wäre es zwar verpflichtet gewesen. Wenn das Berufungsgericht den Wert der Beschwer abweichend von dem Amtsgericht auf einen Betrag unter 600 € festsetzt , was zulässig ist (Senat, Beschluss vom 9. Juli 2004 - V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219), muss es die Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachholen (BGH, Urteil vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218, 219 Rn. 12) und darf sie nicht dem Rechtsbeschwerdeverfahren überlassen (BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 - VIII ZB 101/07, WuM 2008, 614 Rn. 5). Ein Grund für die Zulassung der Berufung liegt aber nicht vor. Hier geht es in der Sache um die Frage, ob der Beklagte als Verwalter die Ergänzung der Tagesordnung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung verweigern durfte, weil er einer abwesenden Wohnungseigentümerin zugesagt hatte, keine anderen Punkte zu behandeln. Deren Beurteilung bestimmt sich nach den hier gegebenen besonderen Umständen und ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juni 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 224).
- 12
- 3. Auch der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 ZPO) liegt nicht vor. Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (Senat, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225). Die Bemessung des Interesses eines Wohnungseigentümers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Handelns des Verwalters der Anlage ist aber kein typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalt. Auch dieses Interesse bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Hierfür lassen sich keine allgemeinen Grundsätze aufstellen.
IV.
- 13
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Roth Brückner
Vorinstanzen:
AG Freiburg, Entscheidung vom 29.01.2010 - 57 C 3360/09 WEG -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.06.2010 - 11 S 29/10 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; - 5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)