Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2012 - V ZB 112/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Mit Beschluss vom 12. März 2012 hat das Amtsgericht gegen die Betroffene , die sich unerlaubt in Deutschland aufhielt, Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 23. April 2012 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landge- richt mit Beschluss vom 8. Juni 2012 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der die Betroffene unter Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses die Feststellung erreichen will, dass sie durch die Haftanordnung in ihren Rechten verletzt worden sei.
II.
- 2
- Das Beschwerdegericht hat in den Gründen seiner Entscheidung "analog § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO" zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass "der Betroffene" trotz Fristsetzung zur Beschwerdebegründung eine solche nicht eingereicht habe. "Analog § 540 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO" hat das Beschwerdegericht zur Bestätigung der Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt, den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses und des hierauf Bezug nehmenden Nichtabhilfebeschlusses sei angesichts der mangelnden Beschwerdebegründung nichts hinzuzufügen; Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgründe in Bezug auf den angefochtenen Beschluss, welche von Amts wegen zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich.
III.
- 3
- Die statthafte (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG) und auch sonst mit dem Feststellungsantrag zulässige Rechtsbeschwerde (§ 71 FamFG; siehe nur Senat , Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9 f.) ist begründet. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist bereits deshalb aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
- 4
- 1. Nach § 69 Abs. 2 FamFG ist der Beschluss des Beschwerdegerichts zu begründen. Der Umfang der Begründung richtet sich nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls. Unverzichtbar ist bei Beschlüssen, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, die Wiedergabe des für die Entscheidung maß- geblichen Sachverhalts (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 69 Rn. 43). Fehlt es daran, ist das Rechtsbeschwerdegericht zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine ausreichenden Gründe. Sie stellen einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar, welcher zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung führt (Senat, Beschluss vom 11. Mai 2006 - V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030 für Rechtsbeschwerden nach § 574 ZPO). Das gilt auch in Verfahren der Abschiebungs- und Zurückschiebungshaft , in denen das Rechtsbeschwerdegericht nach § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO grundsätzlich von dem Sachverhalt ausgehen muss, den das Beschwerdegericht festgestellt hat (Senat, Beschluss vom 26. Juli 2012 - V ZB 26/12, Rn. 4, juris).
- 5
- 2. Die rechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses scheitert bereits daran, dass der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht erkennbar ist. Zwar mag - wie hier geschehen - die Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts die fehlende Sachverhaltsdarstellung dann ersetzen können, wenn dort der Sachverhalt umfassend dargestellt ist (BayObLG, NJW-RR 1998, 1014, 1015 zu § 25 FGG [Vorgängerregelung von § 69 Abs. 2 FamFG]). Aber daran fehlt es hier. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts war die Haftanordnung wegen Fristablaufs bereits erledigt. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Betroffene in dem Beschwerdeverfahren darauf reagiert hat, z.B. mit einem Antrag nach § 62 Abs. 1 FamFG, ist nicht zu erkennen, weil in der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht der bei ihm gestellte Antrag wiedergegeben und auch nicht ausgeführt ist, dass die Betroffene keinen Antrag gestellt hat.
IV.
- 6
- Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 16 Abs. 1 Satz 1 KostO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Vorinstanzen:
AG Görlitz, Entscheidung vom 12.03.2012 - XIV B 21/12 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 08.06.2012 - 2 T 78/12 -
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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und - 2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge); - 2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.
(1) Das Beschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens nur dann an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Das Gleiche gilt, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Das Gericht des ersten Rechtszugs hat die rechtliche Beurteilung, die das Beschwerdegericht der Aufhebung zugrunde gelegt hat, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist zu begründen.
(3) Für die Beschwerdeentscheidung gelten im Übrigen die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.
(1) Das Beschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens nur dann an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Das Gleiche gilt, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Das Gericht des ersten Rechtszugs hat die rechtliche Beurteilung, die das Beschwerdegericht der Aufhebung zugrunde gelegt hat, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist zu begründen.
(3) Für die Beschwerdeentscheidung gelten im Übrigen die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend.
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.