Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2018 - StB 13/18

published on 14/06/2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2018 - StB 13/18
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 13/18
vom
14. Juni 2018
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen
terroristischen Vereinigung
ECLI:DE:BGH:2018:140618BSTB13.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten und seines Verteidigers am 14. Juni 2018 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen :
1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2018 (6 BGs 23/18) aufgehoben, soweit die Beschlagnahme der Taschenlampe , Marke "Surefire" (Asservaten-Nr. 3), der Sturmhaube , schwarz (Asservaten-Nr. 6), sowie des Mantels, dunkelgrün (Asservaten-Nr. 7), angeordnet worden ist. 2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

1
1. Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen , er habe sich von Ende August 2016 bis Anfang November 2017 in Syrien als Kämpfer der syrisch-kurdischen "Volksverteidigungseinheiten" (Yekîneyên Parastina Gel - YPG) betätigt, die als unselbständige Teilorganisation in die unter der Bezeichnung "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) zusammengefassten Strukturen eingegliedert gewesen seien.
2
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 9. Mai 2018 unter anderem die Beschlagnahme diverser Gegenstände angeordnet, darunter eine Taschenlampe, eine Sturmhaube sowie ein Mantel. Die Gegenstände waren am 2. Februar 2018 im Anschluss an einen misslungenen Ausreiseversuch des Beschuldigten nach Großbritannien anlässlich seiner Rückkehr bei der Durchsuchung seiner Person und der von ihm mitgeführten Sachen am Flughafen in Bremen aufgefunden worden.
3
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. Mai 2018 hat der Beschuldigte Beschwerde gegen den ermittlungsrichterlichen Beschluss eingelegt, soweit die Beschlagnahme der Taschenlampe, der Sturmhaube und des Mantels angeordnet worden ist.
4
2. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 304 Abs. 1, 5, § 306 Abs. 1 StPO) Beschwerde hat im Umfang der Anfechtung Erfolg.
5
a) Dass die Taschenlampe, die Sturmhaube und der Mantel für das weitere Verfahren eine - für die Anordnung der Beschlagnahme erforderliche - potenzielle Beweisbedeutung nach § 94 Abs. 1, 2 StPO hätten, ist nicht erkennbar.
6
aa) Ein Gegenstand hat dann potenzielle Bedeutung als Beweismittel, wenn die nicht fernliegende Möglichkeit besteht, ihn im Verfahren zu Untersuchungszwecken in irgendeiner Weise zu verwenden. Geboten ist eine Ex-antePrognose , weil sich die tatsächliche Beweisbedeutung erst nach der Sicherstellung bei der Auswertung ergibt und abschließend erst im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweise in der Hauptverhandlung beurteilt werden kann. In welcher Weise der Gegenstand Beweisbedeutung haben kann, braucht zur Zeit der Sicherstellung noch nicht festzustehen (vgl. LR/Menges, StPO, 26. Aufl., § 94 Rn. 30 mwN).
7
bb) Die Möglichkeit, dass die Taschenlampe, die Sturmhaube und der Mantel in dem Verfahren wegen des oben beschriebenen Vorwurfs Bedeutung erlangen könnten, liegt fern.
8
Nach Aktenlage können die dem Beschuldigten angelasteten mitgliedschaftlichen Betätigungsakte als bereits gesichert gelten: Der Beschuldigte hat sich gegenüber den Polizeibehörden diesbezüglich geständig geäußert; im Kern hat er angegeben, er sei im Zeitraum zwischen Ende August 2016 und Anfang November 2017 in Syrien für die YPG an Kampfhandlungen gegen den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) beteiligt gewesen. Seine Äußerungen werden durch objektive Beweismittel belegt, namentlich durch Dateien (Videound Lichtbildmaterial sowie Chat- und SMS-Verkehr), die auf den bei ihm sichergestellten Smartphones festgestellt worden sind, sowie eine Fotoaufnahme , die bei einer Internetrecherche entdeckt worden ist.
9
Darüber hinaus sind nach Aktenlage keine Erkenntnisse dafür ersichtlich, dass die drei von der Beschwerde erfassten Gegenstände, die erst drei Monate nach dem im angefochtenen Beschluss bezeichneten Tatzeitraum aufgefunden und sichergestellt wurden, einen Bezug zum Tatvorwurf aufweisen würden. Der indizielle Beweiswert insbesondere der Taschenlampe und des Mantels ist per se gering. Es handelt sich um Sachen des alltäglichen Gebrauchs, deren Besitz für einen etwaigen Nachweis der Teilnahme an einem Kampfeinsatz oder auch einer -ausbildung kaum ergiebig sein dürfte.
10
cc) Selbst wenn der Umstand, dass der Beschuldigte bei dem misslungenen Ausreiseversuch nach London die Taschenlampe, die Sturmhaube und den Mantel in Besitz hatte, noch für die Beweisführung relevant würde, wäre es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ausreichend, von den Asservaten gefertigte Lichtbilder zu verwenden. Dass sich - wie in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt - "eine kriminaltechnische Untersuchung dieser Gegenstände im Hinblick auf ihre Beschaffenheit, Leistungsfähigkeit oder Gewicht als notwendig erweisen könnte", hält der Senat für ausgeschlossen.
11
b) Inwieweit eine Beschlagnahme der drei Asservate nach präventiv-polizeilichen Maßstäben zulässig sein könnte, hat der Senat nicht zu entscheiden. Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Becker Berg
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt. (2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheid

(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen. (2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwil
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt. (2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheid

(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen. (2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwil
2 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 05/10/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 43 u. 44/18 vom 5. Oktober 2018 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a. ECLI:DE:BGH:2018:051018BSTB43.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhö
published on 05/10/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 43 u. 44/18 vom 5. Oktober 2018 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a. ECLI:DE:BGH:2018:051018BSTB43.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhö
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt.

(2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen.

(3) Diese Vorschriften gelten auch für die Entscheidungen des Richters im Vorverfahren und des beauftragten oder ersuchten Richters.

(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.

(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Führerscheine, die der Einziehung unterliegen.

(4) Die Herausgabe beweglicher Sachen richtet sich nach den §§ 111n und 111o.