Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2010 - LwZR 23/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beklagte ist der Schwiegersohn des Klägers.
- 2
- Mit schriftlichem Vertrag vom 27. September 1991 verpachteten der Kläger und seine Ehefrau ihren Hof mit ca. 42 ha großen landwirtschaftlichen Flächen einschließlich der Gebäude, der Einrichtungen und des Inventars bis zum 30. September 2007 zu einem Pachtzins von 50.000 DM im Jahr an den Beklagten.
- 3
- In dem Pachtvertrag war bestimmt, dass der Verpächter die Inventargegenstände , die Vorräte und die Feldbestellung bei Pachtbeginn auflisten sollte und der Wert der Gegenstände von beiden Parteien gemeinsam festzustellen war. Der Pächter verpflichtete sich, bei Pachtende Inventargegenstände, Vorräte und Feldbestellung in dem Umfange zurückzugeben, wie er sie bei der Verpachtung übernommen hatte. Der Kläger fertigte die Listen über die Inventargegenstände und die Vorräte erst mehrere Wochen nach Vertragsschluss ohne Zuziehung des Beklagten an.
- 4
- Nach dem Ende der Pachtzeit wurden zwar die Flächen, jedoch kein landwirtschaftliches Inventar zurückgegeben.
- 5
- Der Kläger macht gegen den Beklagten Zahlungsansprüche wegen der unterbliebenen Rückgabe geltend, die er im Wesentlichen auf die Regelungen im Pachtvertrag und die von ihm erstellten Listen und Bewertungen gestützt hat. Das Amtsgericht (Landwirtschaftsgericht) hat die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht (Senat für Landwirtschaftssachen) hat ihr dem Grunde nach stattgegeben und den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs an das Amtsgericht zurückverwiesen. Mit der Beschwerde erstrebt der Beklagte die Zulassung der Revision.
II.
- 6
- Das Berufungsgericht meint, das Pachtverhältnis zwischen den Parteien habe sich nicht nur auf die Gebäude und die Ackerflächen, sondern auch auf das lebende und tote Inventar bezogen.
- 7
- Eine Vernehmung der in der Klageerwiderung für eine Schenkung benannten Zeugen sei nicht in Betracht gekommen. Die behauptete Vorabschenkung allein des lebenden und des toten Inventars sei nicht nachvollziehbar. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrages habe die genaue Ausgestaltung der Hofübergabe noch nicht festgestanden. Eine Schenkung allein des Inventars an den Beklagten, der ohnehin nicht als alleiniger Hofübernehmer in Betracht gekommen wäre, hätte zu einer Entblößung des Hofes geführt, die im Hinblick auf die beabsichtigte Hofübertragung auch nicht gewollt gewesen sei.
III.
- 8
- Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet, weil das Berufungsgericht das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
- 9
- 1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 83, 24, 25; 96, 205, 216) und erhebliche Beweisanträge nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung zu berücksichtigen (BVerfGE 50, 32, 36; 60, 247, 249). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt daher gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, NJW 2003, 1655).
- 10
- 2. Ein solcher Verfahrensfehler liegt hier vor.
- 11
- a) Der Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, der Kläger habe ihm erklärt, dass er bereits mit dem Abschluss des Pachtvertrages das gesamte lebende und tote Inventar, die Vorräte, die Feldbestellung und die landwirtschaftlichen Erzeugnisse unentgeltlich - also schenkweise - erhalten solle. Trägt der Beklagte eine Vereinbarung vor, die dem mit der Klage verfolgten Anspruch entgegensteht, und bietet er dafür Beweis an, muss das Gericht dem Beweisangebot nachgehen.
- 12
- b) Die Beurteilung des unter Beweis gestellten Vorbringens durch das Berufungsgericht als nicht nachvollziehbar beruht demgegenüber auf einer vorweggenommenen Beweiswürdigung auf der Grundlage der gegen die Richtigkeit des Vorbringens sprechenden Umstände. Die Ablehnung einer Beweiserhebung zur Haupttatsache, weil nach einer Würdigung der unstreitigen Indizien bereits das Gegenteil feststehe, stellt jedoch eine verbotene vorweggenommene Würdigung eines nicht erhobenen Beweises dar (BGH, Urteil vom 19. März 2002 - XI ZR 183/01, NJW-RR 2002, 1072, 1073).
IV.
- 13
- Das Berufungsurteil ist danach wegen der Verletzung des Verfahrensgrundrechts nach Art. 103 Abs. 1 GG aufzuheben, wobei der Senat von der Möglichkeit zur Entscheidung nach § 544 Abs. 7 ZPO Gebrauch gemacht hat. Krüger Lemke Czub
AG Minden, Entscheidung vom 27.01.2009 - 18 Lw 22/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 10.11.2009 - I-10 U 42/09 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.