Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2004 - IXa ZB 58/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Dem Schuldner wird für das Erinnerungsverfahren gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Chemnitz vom 6. November 2003 Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Ulrich Rosentritt aus Chemnitz beigeordnet.
2. Dem Schuldner wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren gegen den oben genannten Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. von Plehwe beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Gläubigerinnen betreiben gegen den Schuldner, i hren Vater, aus zwei vollstreckbaren Urkunden des Jugendamtes die Zwangsvollstreckung wegen laufenden und rückständigen Unterhalts. Auf ihren Antrag erließ das Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, in dem der pfändungsfreie Betrag mit monatlich 750,00 € bestimmt wurde. Auf die Erinnerung der Gläubigerinnen setzte das Amtsgericht die Pfändungsfreigrenze auf 558,00 € fest, wobei es den notwendigen Unterhalt des Schuldners im Sinne des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO nach dem doppelten Sozialhilferegelsatz gemäß § 22 BSHG in Höhe von zweimal 279,00 € errechnete. Das Landgericht wies die vom Schuldner gegen diese Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde mit Beschluß vom 14. Februar 2003 zurück.
Im August 2003 hat der Schuldner Erinnerung eingeleg t und eine Erhöhung der Pfändungsfreigrenze des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, daß seit 1. Juli 2003 der Sozialhilferegelsatz 282,00 € betrage und schon deshalb der pfändungsfreie Betrag auf 564,00 € (zweimal 282,00 €) anzuheben sei. Außerdem stehe die Entscheidung über die Pfändungsfreigrenze nicht in Einklang mit der inzwischen ergangenen Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs, nach der dem Schuldner bei der erweiterten Pfändung wegen Unterhaltsansprüche als notwendiger Unterhalt gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2 in der Regel der notwendige Lebensunterhalt im Sinne der Abschnitte 2 und 4 des Bundessozialhilfegesetzes verbleiben müsse (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Juli 2003 - IXa ZB 151/03, BGHZ 156, 30, 34).
Daraufhin hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts mit Beschluß vom 6. November 2003 den notwendigen Selbstbehalt des Schuldners wegen des geänderten Sozialhilferegelsatzes auf 564,00 € festgesetzt und "alle übrigen Bestimmungen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses" aufrechterhalten. Mit Beschluß vom 22. Dezember 2003 hat die Amtsrichterin die Erinnerung des Schuldners gegen den Beschluß der Rechtspflegerin und seinen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Erinnerungsverfahren zurückgewiesen. Die Rechtsmittel des Schuldners gegen die Hauptsacheentscheidung sowie die Ablehnung von Prozeßkostenhilfe blieben vor dem Landgericht ohne Erfolg. Gegen beide Entscheidungen wendet sich der Schuldner mit den jeweils zugelassenen Rechtsbeschwerden. Gegenstand dieses Rechtsbeschwerdeverfahrens ist die Versagung von Prozeßkostenhilfe für das Erinnerungsverfahren.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Ab s. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig.
Zwar kann die Rechtsbeschwerde im Verfahren über die Be willigung von Prozeßkostenhilfe nur wegen solcher rechtlichen Probleme zugelassen werden , die das Verfahren oder die persönlichen Voraussetzungen betreffen, nicht aber wegen der Frage, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Denn es ist Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wenn die Rechtsverfolgung Probleme aufwirft, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Wird jedoch - wie hier - die Rechtsbeschwerde rechtsfehlerhaft zugelassen, ist das
Rechtsbeschwerdegericht nach § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO daran gebunden (vgl. BGH, Beschl. v. 21. November 2002 - V ZB 40/02, NJW 2003, 1126, 1127 und v. 27. Februar 2003 - III ZB 29/02, AGS 2003, 213).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Das Landgericht hat unter Verweisung auf die Gründ e seiner Hauptsacheentscheidung (Az: 3 T 173/04) eine Erfolgsaussicht für das Erinnerungsverfahren mit der Begründung verneint, es hätten sich die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens nicht im Sinne des § 850g Satz 1 ZPO geändert. Eine andere rechtliche Beurteilung der Umstände, über die das Landgericht mit Beschluß vom 14. Februar 2003 abschließend entschieden habe, sei ihm wegen der Bindungswirkung nach § 318 ZPO verwehrt. Der Schuldner bewerte die unverändert gebliebenen Umstände unter Hinweis auf die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs lediglich rechtlich anders, was eine Abänderung nicht zulasse.
b) Das Beschwerdegericht hat für den Antrag des Schuldne rs auf Erhöhung des pfändungsfreien Betrages zu Unrecht eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO) verneint.
Diese ist im Regelfall bereits dann zu bejahen, wenn d ie Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung schwieriger Tat- oder Rechtsfragen abhängt. Das Prozeßkostenhilfeverfahren will nämlich den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern lediglich zugänglich machen. Die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine höchstrichterliche Grundsatzentscheidung gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2, § 850g ZPO
die Abänderung der festgesetzten Pfändungsfreigrenze rechtfertigt, ist in der Rechtsprechung bislang ungeklärt und als schwierig anzusehen. Davon ist das Beschwerdegericht selbst ausgegangen, weil es - wie sich aus der Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen die Hauptsacheentscheidung ergibt - der Ansicht ist, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, oder daß die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Nachdem der Schuldner nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann, hätte das Beschwerdegericht unter diesen Umständen Prozeßkostenhilfe bewilligen müssen, (vgl. BGH, Beschl. v. 21. November 2002 - V ZB 40/02, NJW 2003, 1126, 1127; v. 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02, NJW 2003, 1192; v. 27. Februar 2003 - III ZB 29/02, AGS 2003, 213; v. 17. März 2004 - XII ZB 192/02).
III.
Dem Schuldner ist, weil auch insoweit die persönlichen u nd wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen, Prozeßkostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu bewilligen. Der Grundsatz, daß für das Prozeßkostenhilfever-
fahren Prozeßkostenhilfe nicht gewährt werden kann (vgl. BGHZ 91, 311), steht nicht entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02, NJW 2003, 1192).
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(1) Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind das Arbeitseinkommen und die in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezüge ohne die in § 850c bezeichneten Beschränkungen pfändbar. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf; von den in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezügen hat ihm mindestens die Hälfte des nach § 850a unpfändbaren Betrages zu verbleiben. Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil seines Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschriften des § 850c gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte. Für die Pfändung wegen der Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, gelten die Vorschriften dieses Absatzes insoweit nicht, als nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat.
(2) Mehrere nach Absatz 1 Berechtigte sind mit ihren Ansprüchen in der Reihenfolge nach § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 16 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu berücksichtigen, wobei mehrere gleich nahe Berechtigte untereinander den gleichen Rang haben.
(3) Bei der Vollstreckung wegen der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche sowie wegen der aus Anlass einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten kann zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Ändern sich die Voraussetzungen für die Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens, so hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers den Pfändungsbeschluss entsprechend zu ändern. Antragsberechtigt ist auch ein Dritter, dem der Schuldner kraft Gesetzes Unterhalt zu gewähren hat. Der Drittschuldner kann nach dem Inhalt des früheren Pfändungsbeschlusses mit befreiender Wirkung leisten, bis ihm der Änderungsbeschluss zugestellt wird.
Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind das Arbeitseinkommen und die in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezüge ohne die in § 850c bezeichneten Beschränkungen pfändbar. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf; von den in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezügen hat ihm mindestens die Hälfte des nach § 850a unpfändbaren Betrages zu verbleiben. Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil seines Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschriften des § 850c gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte. Für die Pfändung wegen der Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, gelten die Vorschriften dieses Absatzes insoweit nicht, als nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat.
(2) Mehrere nach Absatz 1 Berechtigte sind mit ihren Ansprüchen in der Reihenfolge nach § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 16 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu berücksichtigen, wobei mehrere gleich nahe Berechtigte untereinander den gleichen Rang haben.
(3) Bei der Vollstreckung wegen der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche sowie wegen der aus Anlass einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten kann zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden.
Ändern sich die Voraussetzungen für die Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens, so hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers den Pfändungsbeschluss entsprechend zu ändern. Antragsberechtigt ist auch ein Dritter, dem der Schuldner kraft Gesetzes Unterhalt zu gewähren hat. Der Drittschuldner kann nach dem Inhalt des früheren Pfändungsbeschlusses mit befreiender Wirkung leisten, bis ihm der Änderungsbeschluss zugestellt wird.