Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2013 - IX ZR 57/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Streitwert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 4.894.420 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die behaupteten Rechtssatzdivergenzen liegen nicht vor.
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- 1. Die angegriffene Entscheidung beruht nicht auf dem Obersatz, dass für die Bestimmung der internationalen Anerkennungszuständigkeit der syrischen Gerichte gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO offen bleiben könne, ob der Er- füllungsort nach syrischem Recht in Syrien oder am Sitz der Beklagten in Deutschland liege. Vielmehr hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Erfüllungsort selbst unter Berücksichtigung der Auffassung der Klägerinnen von einem einheitlichen Erfüllungsort beim Maklervertrag jedenfalls nicht in Syrien liege und damit eine internationale Zuständigkeit der syrischen Gerichte unter spiegelbildlicher Anwendung des § 29 ZPO ausgeschlossen sei.
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- 2. Ebenso wenig liegt dem Berufungsurteil der Rechtssatz zugrunde, dass es zur Bestimmung des Erfüllungsorts nach syrischem Recht allein auf den Wortlaut der syrischen Bestimmungen, nicht aber auf die Auslegung der fremden Rechtsnormen durch die Lehre und Rechtsprechung ankomme. Vielmehr zieht das Berufungsgericht in erster Linie die Ausführungen aus dem eingeholten Sachverständigengutachten zur Begründung seiner Entscheidung heran und damit auch die dortigen Untersuchungen zur Lehre und Rechtsprechung aus Syrien sowie aus den verwandten Rechtsordnungen. Weder die von den Klägerinnen im Rechtsstreit vorgelegten Gutachten noch die Beschwerdebegründung zeigen eine abweichende Praxis syrischer Gerichte oder eine abweichende syrische Rechtslehre auf.
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- 3. Das Berufungsurteil weicht nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, wonach ein Widerspruch zwischen dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen und einem daraufhin von der Partei vorgelegten Privatgutachten entweder durch eine Stellungnahme des gerichtlich bestellten Sachverständigen oder durch ein Obergutachten aufzuklären sei oder dargelegt werden müsse, auf welcher Grundlage der Tatrichter selbst über die erforderliche Sachkunde in Bezug auf das ausländische Recht verfüge (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1993 - X ZR 25/92, IPRax 1995, 38, 39 unter ee) mwN; vom 4. November 2010 - III ZR 45/10, NJW 2011, 852 Rn. 30 f mwN). Denn es ist anerkannt, dass es dem Tatrichter obliegt, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, auf welche Weise er sich die Kenntnis von dem maßgeblichen ausländischen Recht verschafft. Die Grenzen dieser Ermessensausübung werden von den Umständen des Einzelfalles bestimmt (BGH, Urteil vom 30. April 1992 - IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151, 163; vom 2. Februar 1994 - XII ZR 148/92, NJW-RR 1994, 642). Dabei sind die Anforderungen an die Ermittlungspflicht umso höher, je genauer und kontroverser die Parteien die maßgebliche Rechtsfrage vortragen (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1992, aaO S. 164; vom 2. Februar 1994, aaO S. 642 f; vom 13. Mai 1997 - IX ZR 292/96, RIW 1997, 687; Geimer, IZPR, 6. Aufl., Rn. 2587; Nagel/Gottwald, IZPR, 6. Aufl., § 10 Rn. 26, 29 mwN; Kindl, ZZP 111 (1998), 177, 184).
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- Das von den Klägerinnen vorgelegte Privatgutachten des syrischen Rechtsanwalts und Dozenten K. enthält keinen konkreten Hinweis auf eine in der aktuellen syrischen Lehre oder Rechtsprechung vertretene abweichende Auffassung zu den maßgeblichen Vorschriften des syrischen Rechts. Diese waren vom gerichtlich bestellten Sachverständigen ausführlich erläutert worden. Damit ist es nicht zu beanstanden, dass von der Einholung eines ergänzenden Gutachtens oder eines weiteren Gutachtens abgesehen wurde. Gleiches gilt im Hinblick auf die unterbliebene Anhörung des Sachverständigen, dessen Ladung nur dann von Amts wegen angeordnet wird, wenn Erläuterungsbedarf gesehen wird (vgl. Hk-ZPO/Eichele, 5. Aufl., § 411 Rn. 4). Der von der Nichtzulassungsbeschwerde im Zusammenhang mit dem Ladungsantrag angegriffene Rechtssatz wird in der angegriffenen Entscheidung nicht aufgestellt.
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- 4. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 20.06.2007 - 11 O 451/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 01.03.2011 - I-25 U 2/08 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen:
- 1.
wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind; - 2.
wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte; - 3.
wenn das Urteil mit einem hier erlassenen oder einem anzuerkennenden früheren ausländischen Urteil oder wenn das ihm zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist; - 4.
wenn die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist; - 5.
wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.
(2) Die Vorschrift der Nummer 5 steht der Anerkennung des Urteils nicht entgegen, wenn das Urteil einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch betrifft und nach den deutschen Gesetzen ein Gerichtsstand im Inland nicht begründet war.
(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.