Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2014 - IX ZR 287/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Streitwert wird auf 93.296 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsrund auf. Die angefochtene Entscheidung wird bereits durch die Hauptbegründung getragen, dass die Aufrechnung der Beklagten an § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 133 Abs. 1 InsO scheitert.
- 2
- 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass § 133 Abs. 1 InsO eingreift, weil der Schuldner mit einem von der Beklagten erkannten Benachteiligungsvorsatz vorgegangen ist.
- 3
- a) Der Schuldner handelt dann mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshand- lung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Er muss also entweder wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann, oder aber sich diese Folge als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen haben, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 84; vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, WM 2007, 1579 Rn. 8). Hat der Schuldners sich die Benachteiligung nur als möglich vorgestellt, so ist zu unterscheiden, ob er den Fall, dass sie nicht eintrete, erwartet und wünscht, oder ob er die Benachteiligung in Kauf nimmt, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen. Im ersteren Fall hat er die Benachteiligung nicht gewollt, im zweiten dagegen ist der Benachteiligungsvorsatz gegeben (BGH, Urteil vom 26. Februar 1969 - VIII ZR 41/67, WM 1969, 374, 376).
- 4
- b) Danach sind die Voraussetzungen eines Benachteiligungsvorsatzes im Streitfall erfüllt. Der Schuldner hat, wie die Beklagte erkannte, eine Gläubigerbenachteiligung gebilligt, weil er in Kenntnis der gegen ihn gerichteten Forderungen seiner Arbeitnehmer, ohne die gerichtliche Klärung der bereits anhängigen Rechtsstreitigkeiten abzuwarten, die Beklagte bevorzugt befriedigt hat. Selbst wenn er die Forderungen der Arbeitnehmer persönlich als unbegründet erachtete, hat er in Kauf genommen, dass diese Forderungen, wenn sie - wie tatsächlich geschehen - rechtskräftig zuerkannt werden, infolge der vorherigen Befriedigung der Beklagten einen Ausfall erleiden.
- 5
- 2. Die Feststellung einer Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) des Schuldners scheitert nicht - wie die Beklagte geltend macht - daran, dass dieser lediglich zahlungsunwillig war.
- 6
- Die im Insolvenzrecht unerhebliche Zahlungsunwilligkeit liegt nur vor, wenn gleichzeitig Zahlungsfähigkeit gegeben ist. Lag eine Zahlungseinstellung vor, wird gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet, dass nicht lediglich Zahlungsunwilligkeit, sondern Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Die Zahlungsunfähigkeit kann vom Prozessgegner widerlegt werden. Dazu ist es ihm unbenommen , der auf eine Zahlungseinstellung gestützten Annahme der Zahlungsunfähigkeit etwa durch den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens oder auf Vernehmung vom Zeugen zum Nachweis entgegenzutreten, dass eine Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum für den Schuldner eine Deckungslücke von weniger als 10 v.H. auswies (BGH, Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, WM 2012, 711, Rn. 18). Einen solchen Antrag hat die Beklagte ausweislich ihres Beschwerdevorbringens nicht gestellt.
- 7
- 3. Der geltend gemachte Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht gegeben.
- 8
- Insoweit ist das Vorbringen der Beklagten bereits widersprüchlich, weil sie einerseits geltend macht, von der Unbegründetheit der weiteren gegen den Schuldner gerichteten Forderungen ausgegangen zu sein, die Gehörsrüge hingegen darauf stützt, von diesen Forderungen überhaupt keine Kenntnis gehabt zu haben. Davon abgesehen kann die Beklagte mit diesem Vorbringen nicht durchdringen, weil das Berufungsgericht eine Kenntnis der Forderungen festgestellt hat. Diese tatbestandlichen Feststellungen können mangels Einlegung eines Tatbestandsberichtigungsantrags (§ 320 ZPO) in dem Beschwerdeverfahren nicht mehr mit Verfahrensrügen angegriffen werden, sondern sind als bindend zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373 Rn. 12; vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, WM 2013, 1115 Rn. 19).
- 9
- 4. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Fischer Pape
Vorinstanzen:
LG Krefeld, Entscheidung vom 24.04.2013 - 5 O 387/12 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.11.2013 - I-22 U 78/13 -
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Annotations
(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,
- 1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, - 2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat, - 3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat, - 4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.
(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.
(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.
(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.