Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juni 2015 - IX ZR 182/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Auf die Revision des Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 46.206,49 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger hatte im Jahr 1999 ein Hotelgrundstück verpachtet. Die Pächter , denen eine Kaufoption eingeräumt worden war, hatten zur Finanzierung der Kaution von 400.000 DM ein Darlehen aufgenommen, welches mit Zustimmung des Klägers durch eine Grundschuld auf dem Pachtgrundstück gesichert worden war. Im Jahre 2004 stellten die Pächter ihre Zahlungen und den Hotelbetrieb ein. In einem Vorprozess, in welchem der Kläger durch den beklagten Rechtsanwalt vertreten wurde, verlangten die Pächter Rückzahlung eines Teilbetrags der Kaution von 100.000 €. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Pächter wurde dieses Urteil aufgehoben und der Klä- ger zur Zahlung der 100.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. November 2004 verurteilt. Außerdem wurde festgestellt, dass der Pachtvertrag nebst Kaufoptionsvertrag wegen Formmangels nichtig sei. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen dieses Urteil wurde mit Beschluss vom 8. Februar 2012 zurückgewiesen.
- 2
- Nunmehr verlangt der Kläger Schadensersatz in Höhe der Zinsen im Zeitraum 27. November 2004 bis 31. Mai 2010, der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde im Vorprozess sowie weiterer Rechtsverfolgungskosten, zu zahlen an die Pächter, denen er (Kläger) die Forderung abgetreten habe und für die er nunmehr in Prozessstandschaft tätig werde. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 40.514,36 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung des Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als die Klage hinsichtlich des den Betrag von 37.426,90 € nebst Zinsen übersteigenden Betrages abgewiesen worden ist. Mit seiner Revision will der Beklagte weiterhin die vollständige Ab- weisung der Klage erreichen sowie seine Hilfswiderklage, die auf Zahlung von Honorar in Höhe von 8.779,59 € nebst Zinsen gerichtet ist, weiterverfolgen.
II.
- 3
- Die Revision ist zuzulassen und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 1, Abs. 7 ZPO).
- 4
- 1. Das Berufungsgericht hat - teils unter Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil - ausgeführt: Nachdem im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht erstmals darauf hingewiesen worden sei, dass der Pachtvertrag formnichtig sein könne, sei der Beklagte verpflichtet gewesen, alle rechtlichen Gesichtspunkte geltend zu machen und alle Einwendungen zu erheben , die eine Verurteilung des jetzigen Klägers zur Rückzahlung der Kaution ganz oder teilweise hindern konnten. Der nicht nachgelassene Schriftsatzvom 25. Januar 2010 habe insoweit nicht ausgereicht, weil der Beklagte zwar Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht, jedoch nicht unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf hingewiesen habe, dass der Bereicherungsanspruch von vornherein auf die Herausgabe Zug-umZug gegen die selbst erhaltene Bereicherung beschränkt sei. Diesogenannte Saldotheorie habe der Beklagte weder ausdrücklich noch ihrem Sinn nach angesprochen.
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- 2. Dies trifft nicht zu. Der Beklagte hat unter Vorlage einer Ablichtung des Schriftsatzes vom 25. Januar 2010 dargelegt, dass der Beklagte wie folgt vorgetragen hatte:
- 6
- "Des Weiteren ergibt sich aus dem Vertrag, Anlage K 2, unter Ziffer 4, dass die Barkaution in Höhe von 400.000,00 DM von den Klägern finanziert wurde. Die Besicherung erfolgte über eine Grundschuld an dem streitgegenständlichen Hotelgrundstück. Zur Absicherung wurde eine vom Beklagten an die D. gewährte Grundschuld an die finanzierende Bank der Kläger , die V. , abgetreten. Diese Grundschuld ist nach wie vor existent. Unterstellt, die vertraglichen Vereinbarungen sind tatsächlich unwirksam bzw. nichtig, so ergibt sich ein entsprechendes Rückgewährverhältnis. Im Rahmen dieses Rückgewährschuldverhältnisses kann selbstverständlich nur eine Zug-um-Zug-Verurteilung dergestalt erfolgen, dass die Kaution, wenn sie überhaupt zur Auszahlung fällig ist, aus den vorgenannten Erwägungen dann Zugum -Zug gegen Löschung der entsprechenden Grundschuld auf dem Grundstück des Klägers zugesprochen werden kann."
- 7
- Damit war die Saldotheorie entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts ihrem Sinn nach angesprochen worden. Die Nichtberücksichtigung dieses Vortrags verletzt Art. 103 Abs. 1 GG.
- 8
- 3. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 25. Januar 2010 hätte zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung führen müssen.
- 9
- a) Nach § 156 Abs. 2 ZPO ist die mündliche Verhandlung insbesondere bei einer Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) anzuordnen. Gemäß § 139 Abs. 4 ZPO sind Hinweise so früh wie möglich zu erteilen, so dass die Partei Gelegenheit hat, ihre Prozessführung hierauf einzurichten. Erteilt das Gericht den Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der Partei Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren. Kann eine sofortige Äußerung nach den Umständen nicht erwartet werden, darf die mündliche Verhandlung nicht geschlossen werden. Das Gericht muss dann die mündliche Verhandlung vertagen, in das schriftliche Verfahren übergehen oder der Partei auf ihren Antrag nach § 139 Abs. 5 ZPO eine Schriftsatzfrist einräumen. Unterlässt das Gericht die gebotene prozessuale Reaktion und erkennt es aus einem nicht nachgelassenen Schriftsatz der betroffenen Partei, dass diese sich offensichtlich in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend hat erklären können, ist gemäß § 156 Abs. 1 Nr.1 ZPO die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (BGH, Urteil vom 31. März 2010 - I ZR 34/08, WM 2010, 2094 Rn. 39; st. Rspr).
- 10
- b) Ob der im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25. Januar 2010 gehaltene Vortrag "neu" im prozessualen Sinne war, lässt sich den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen. Wenn dies der Fall war, lagen jedenfalls die Voraussetzungen einer Zulassung dieses Vortrags nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor. Es handelte sich um Verteidigungsmittel, die einen aus der Sicht des Landgerichts unerheblichen Gesichtspunkt betrafen. Das Landgericht hatte den Pachtvertrag für wirksam gehalten und hierauf frühzeitig hingewiesen. Damit hatte es eine Ursache dafür gesetzt, dass sich der Vortrag zu den Rechtsfolgen des nichtigen Vertrages in das Berufungsverfahren verlagerte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 - III ZR 114/06, NJW-RR 2007, 774 Rn. 7; Urteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 166/11, NJW-RR 2012, 341 Rn. 19). Zulässigen Vortrag hätte das Berufungsgericht ermöglichen müssen.
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 14.06.2013 - 311 O 211/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 11.07.2014 - 8 U 74/13 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.