Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juni 2006 - IX ZR 128/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 26.982,15 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Berufungsgericht bei seiner Feststellung , die Zustellung des Versäumnisurteils vom 22. Oktober 2002 sei durch Übergabe an den Beklagten persönlich erfolgt, Verfahrensfehler unterlaufen sind, welche die Voraussetzungen des Zulässigkeitsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfüllen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten auch mit der Begründung zurückgewiesen, der Beklagte könne die von ihm begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO auch dann nicht beanspruchen , wenn ihm das Versäumnisurteil durch Übergabe an seinen Sohn gemäß § 178 Abs. 1 ZPO zugestellt worden wäre. Soweit es um diese, die angefochtene Entscheidung selbständig tragende Begründung geht, hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung; auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO).
- 2
- 1. Der Beklagte weist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Feststellung des rechtzeitigen Eingangs eines fristgebundenen Schriftsatzes hin. Danach ist, wenn die vorgelegten anwaltlichen und eidesstattlichen Versicherungen nicht ausreichen, den Nachweis des fristgerechten Eingangs zu führen, der beweisbelasteten Partei Gelegenheit zu geben, Zeugenbeweis anzutreten oder andere Beweismittel zu bezeichnen (BGH, Beschl. v. 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99, NJW 2000, 814; v. 7. Mai 2002 - I ZB 30/01). Der Beklagte meint, es stelle sich die Grundsatzfrage, ob diese Rechtsprechung auf Fälle der vorliegenden Art zu übertragen ist, in denen die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht ausreichen, um die einer öffentlichen Urkunde nach § 418 Abs. 1 ZPO zukommende Beweiskraft gemäß § 418 Abs. 2 ZPO zu entkräften. Diese Frage stellt sich jedoch nicht. Bei seinen Ausführungen zu einer wirksamen Zustellung gemäß § 178 Abs. 1 ZPO durch Übergabe des Versäumnisurteils an den Sohn des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht auf die formelle Beweiskraft der Zustellungsurkunde gemäß § 418 Abs. 1 ZPO abgestellt. Es hat eine Wiedereinsetzung vielmehr mit der Begründung abgelehnt, der vom Beklagten vorgetragene Sachverhalt sei "gänzlich unglaubhaft"; er werde auch durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht glaubhaft gemacht.
- 3
- 2. Auch auf die Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Fällen des "ersten Zugangs" zum Gericht entwickelt hat (vgl. BVerfGE 38, 35, 38; 40, 42, 44 ff; 40, 88, 91; 54, 80, 84), kommt es hier nicht an. Diese Rechtsprechung besagt unmittelbar nichts über Vorkehrungen für Zustellungen, die in späteren Verfahrensabschnitten notwendig werden (BVerfGE 41, 332, 335). So aber liegt es hier; denn dem Beklagten waren vor dem Erlass des Versäumnisurteils bereits die Klage nebst Terminsladung sowie die Klageerweiterung vom 29. Juli 2002 zugestellt worden (vgl. BVerfG aaO S. 335 f). Im Übrigen hat das Berufungsgericht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Zugang zum Gericht und die Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verkannt. Hierauf hat es vielmehr am Ende der Entscheidungsgründe in der gebotenen Kürze hingewiesen. Bleibt die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumung bestehen, ist eine Wiedereinsetzung auch in Fällen des ersten Zugangs zum Gericht ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Juli 1987 - IX ZB 48/87, VersR 1988, 158 f; Hk-ZPO/Saenger, § 233 Rn. 63).
Kayser Cierniak
Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 19.10.2004 - 1 O 192/02 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.05.2005 - I-12 U 132/04 -
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(1) Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils.
(2) Muss die Zustellung im Ausland erfolgen, so beträgt die Einspruchsfrist einen Monat. Das Gericht kann im Versäumnisurteil auch eine längere Frist bestimmen.
(3) Muss die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, so hat das Gericht die Einspruchsfrist im Versäumnisurteil oder nachträglich durch besonderen Beschluss zu bestimmen.
(1) Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden
- 1.
in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner, - 2.
in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person, - 3.
in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter.
(2) Die Zustellung an eine der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist unwirksam, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soll, beteiligt ist.
(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.
(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.
(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.
(1) Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden
- 1.
in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner, - 2.
in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person, - 3.
in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter.
(2) Die Zustellung an eine der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist unwirksam, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soll, beteiligt ist.
(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.
(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.
(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.