Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - IX ZB 9/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der Schuldner, der eine gynäkologische Kassenarztpraxis betrieb, trat zur Erlangung der Restschuldbefreiung am 18. Mai 2001 seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge an den vom Gericht bestimmten Treuhänder ab. Während der laufenden Wohlverhaltensperiode stellte er beim zuständigen Versorgungswerk einen Antrag auf Vorziehung des Rentenbeginnalters. Durch Bescheid des Versorgungswerks der Ärztekammer Hamburg vom 27. Oktober 2006 wurde ihm beginnend ab dem 1. November 2006 ein Anspruch auf Zahlung von monatlich 2.365, 84 € bewilligt. Die erstmalige Überweisung sollte am 24. November 2006 erfolgen, und zwar auf ein Bankkonto des Schuldners. Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt, spätestens im Januar 2007, nahm das Versorgungswerk die Zahlungen auf, von denen monatlich mehr als 200 € pfändbar sind. Der Schuldner nahm die Leistungen in vollem Umfang entgegen, ohne das Insolvenzgericht oder den Treuhänder hiervon in Kenntnis zu setzen. Die von dem Schuldner vorgelegte Gewinnermittlung vom 18. Juni 2007, die von seinem damaligen Verfahrensbevollmächtigten gefertigt war, schloss für das Jahr 2006 mit einer Unterdeckung. Sie berücksichtigt die Rentenzahlungen für dieses Jahr nicht.
- 2
- beteiligte Das Land hat diesen "Widerspruch" mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 aufgezeigt und unter dem 3. April 2008 beantragt, dem Schuldner die angekündigte Restschuldbefreiung zu versagen. Die Vorinstanzen haben diesem Antrag entsprochen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Aufhebung dieser Entscheidungen.
II.
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- Die gemäß §§ 7, 6 Abs. 1, § 300 Abs. 3 Satz 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Sache weist keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts nicht erforderlich.
- 4
- 1. Das Landgericht sieht die entscheidende Obliegenheitsverletzung des Schuldners nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO, welche die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 2 InsO rechtfertigt, darin, dass er - entgegen der Abtretungserklärung - den pfändbaren Teil der Rentenbezüge für sich vereinnahmt hat, ohne das Insolvenzgericht und/oder den Treuhänder auf die Zahlungen hinzuweis en. Grundsatzfragen stellen sich insoweit nicht.
- 5
- a) Die Rentenbezüge des Schuldners wurden von seiner Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO erfasst. Gemäß § 54 Abs. 4 SGB I können die Rentenansprüche wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.
- 6
- b) Da der Schuldner die Rentenzahlungen an dem Treuhänder vorbei durch seinen Antrag vom 24. Oktober 2006 auf "Vorziehung des Rentenbeginnalters" selbst veranlasst hat, liegt ein Fall aktiven Tuns vor, so dass sich die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Fragen zu den Anforderungen an ein Verheimlichen durch Unterlassen nicht stellen. Gleiches gilt für die von der Rechtsbeschwerde problematisierte Zurechnung von Anwaltsverschulden bei Verstößen gegen Obliegenheiten. Das anwaltliche Belehrungsschreiben vom 20. April 2007, mit dem sich der Schuldner entlasten will (vgl. § 296 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 InsO), ist zu einem Zeitpunkt verfasst worden, als der Schuldner seine Pflicht, den pfändbaren und damit abgetretenen Teil der Rentenzahlungen unverzüglich an den Treuhänder weiterzuleiten (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 192), bereits über mehrere Monate verletzt hatte. Dadurch waren der Gläubigergemeinschaft bereits nicht unerhebliche Beträge vorenthalten worden.
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- Abgesehen c) hiervon wird durch das Schreiben, insbesondere den das Ergebnis der rechtlichen Prüfung zusammenfassenden Schlusssatz, eher der Rechtsstandpunkt des beteiligten Gläubigers - monatliche Abführung des pfändbaren Teils der Rente - als der des Schuldners - Ausgleich erst in Verbindung mit den Einkünften aus dem Praxisbetrieb im Folgejahr - bestätigt. Jedenfalls brauchte der Tatrichter das Belehrungsschreiben vom 20. April 2004 nicht im Sinne der Auslegung durch den Schuldner verwerten.
- 8
- 2. Der Angriff der Rechtsbeschwerde, wegen der nachträglichen Abführung der pfändbaren Rentenbeiträge in Höhe von 5.996,80 € sei der Versagungsgrund der Obliegenheitsverletzung entfallen, greift nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Heilung durch nachträgliche Abführung eines zu Unrecht empfangenen Geldbetrages nicht mehr möglich, wenn ein Gläubiger die Obliegenheitsverletzung bereits aufgedeckt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Juli 2008 - IX ZB 183/07, NZI 2008, 623, 624 Rn. 13; v. 14. Mai 2009 - IX ZB 116/08, WM 2009, 1292, 1293 Rn. 15).
- 9
- 3. Die Vereinnahmung von Geldbeträgen durch den Schuldner in der hier festgestellten Größenordnung, obwohl diese der Gläubigergemeinschaft zustehen , stellt eine mehr als nur geringfügige Pflichtverletzung dar, die zur Versagung der Restschuldbefreiung führen kann. Hiervon sind die Vorinstanzen zu Recht ausgegangen. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be- deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 13.06.2008 - 271 IN 33/01 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 27.12.2008 - 6 T 618/08 (089) -
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Der Wert einer Grunddienstbarkeit wird durch den Wert, den sie für das herrschende Grundstück hat, und wenn der Betrag, um den sich der Wert des dienenden Grundstücks durch die Dienstbarkeit mindert, größer ist, durch diesen Betrag bestimmt.
Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist
- 1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen; - 2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen; - 3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen; - 4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen; - 5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 zu stellen. Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Fall des § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorliegt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung nach Satz 3 hat der Schuldner zu versichern.
(2) Dem Antrag ist die Erklärung des Schuldners beizufügen, dass dieser seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30. September 2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre; der Schuldner hat dem Antrag eine entsprechende Abtretungserklärung beizufügen.
(3) Vereinbarungen des Schuldners sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 vereiteln oder beeinträchtigen würden.
(4) Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, sind bis zum Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören.
(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden.
(2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht.
(3) Unpfändbar sind Ansprüche auf
- 1.
Elterngeld bis zur Höhe der nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes anrechnungsfreien Beträge sowie dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder, - 2.
Mutterschaftsgeld nach § 19 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes, soweit das Mutterschaftsgeld nicht aus einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit herrührt, bis zur Höhe des Elterngeldes nach § 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, soweit es die anrechnungsfreien Beträge nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes nicht übersteigt, - 2a.
Wohngeld, soweit nicht die Pfändung wegen Ansprüchen erfolgt, die Gegenstand der §§ 9 und 10 des Wohngeldgesetzes sind, - 3.
Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen.
(4) Im übrigen können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.
(5) Ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf Geldleistungen für Kinder (§ 48 Abs. 1 Satz 2) kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden. Für die Höhe des pfändbaren Betrages bei Kindergeld gilt:
- 1.
Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt. Ist das Kindergeld durch die Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages des Kindergeldes nach Satz 1 außer Betracht. - 2.
Der Erhöhungsbetrag (Nummer 1 Satz 2) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt.
(6) In den Fällen der Absätze 2, 4 und 5 gilt § 53 Abs. 6 entsprechend.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.