Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Feb. 2012 - IX ZB 89/10

published on 16/02/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Feb. 2012 - IX ZB 89/10
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Amtsgericht Bonn, 98 IN 196/99, 13/01/2006
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 89/10
vom
16. Februar 2012
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter
Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 16. Februar 2012

beschlossen:
Der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerdeinstanz wird abgelehnt.

Gründe:


1
Prozesskostenhilfe für die Aufnahme des gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Verfahrens kann dem Beteiligten zu 1 nach § 4 InsO, § 114 ZPO nicht bewilligt werden, weil die eingelegte Rechtsbeschwerde des ehemaligen vorläufigen Insolvenzverwalters keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Ein gesetzlicher Grund für die Zulässigkeit der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde im Sinne des § 574 Abs. 2 ZPO ist nicht dargelegt.
2
1. Die vom Beschwerdegericht angenommene Berechnungsgrundlage der festgesetzten Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters steht mit den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung im Einklang. Mit Mobiliarsicherheiten belastete Gegenstände des verwalteten Vermögens gehören nur mit ihrem Wertüberschuss zur Berechnungsgrundlage, der sich nach Befriedigung der Fremdrechte ergibt. Der Senat hat an seiner dahin lautenden Grundsatzentscheidung vom 13. Juli 2006 - IX ZB 104/05, BGHZ 168, 321 für Altfälle vor In- krafttreten der Änderungsverordnung vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3389) seither in ständiger Rechtsprechung festgehalten und den Grundsatz des weiteren auf die Sequestervergütung unter Geltung der Konkursordnung übertragen (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - IX ZB 23/07, ZIP 2010, 1504, Rn. 6 f mwN). Der am 21. Dezember 2006 in die Verordnung eingefügte § 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV gibt zu einer anderen Beurteilung nach der zeitlichen Normgeltung keinen Anlass (BGH, aaO). Die Frage seiner Wirksamkeit ist überdies offen.
3
Die Anfechtbarkeit von Fremdrechten an Gegenständen des vom vorläufigen Insolvenzverwalter verwalteten Vermögens ist für die Berechnungsgrundlage seiner Vergütung unerheblich. Die Beschwerdeentscheidung befindet sich auch insoweit in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2004 - IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653, 1654; vom 14. Dezember 2005 - IX ZB 268/04, ZInsO 2006, 143 Rn. 20; vom 18. Dezember 2008 - IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495 Rn. 10; vom 11. März 2010 - IX ZB 122/08, ZIP 2010, 1909 Rn. 7; vom 23. September 2010 - IX ZB 204/09, ZIP 2010, 2107 Rn. 11). Gründe, hiervon möglicherweise abzuweichen, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar.
4
Eine für die Berechnungsgrundlage entscheidungserhebliche Gehörsverletzung des Beschwerdegerichts, wie sie die Rechtsbeschwerde gegen den Abzug belasteter Kontoguthaben von 335.000 DM rügt, hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Diese Belastung ist dem Eröffnungsgutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters entnommen. Eine schlüssige Richtigstellung der ursprünglichen Angabe des ehemaligen vorläufigen Insolvenzverwalters in dem von der Rechtsbeschwerde bezeichneten Vortrag fehlt.
5
2. Der vom Beschwerdegericht gewährte Vergütungssatz verschiebt hinsichtlich der Zuschlagsgründe und ihrer Gewichtung keine Maßstäbe, über deren Einhaltung das Rechtsbeschwerdegericht zu wachen hätte. Das Beschwerdegericht hat einen hohen Zuschlag von 65 v.H. für die Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter gewährt. Die nach der erst seit der Beschwerdeentscheidung entwickelten Senatsrechtsprechung notwendige Vergleichsberechnung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2011 - IX ZB 143/08, ZInsO 2011, 1422 Rn. 10 ff) fehlt. Dies hat sich jedoch bei einem Fortführungsgewinn von 309.897 € allenfalls zugunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgewirkt.
6
Eine Abweichung von dem Senatsbeschluss vom 11. November 2004 (IX ZB 48/04, ZIP 2005, 36) wegen der Zuschlagsbemessung bei Aufgabendelegation ist der Beschwerdeentscheidung entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht zu entnehmen (vgl. hierzu klarstellend BGH, Beschluss vom 11. März 2010, aaO Rn. 5).
7
Für den Forderungseinzug bei einer Vielzahl von Schuldnern als Teil der Betriebsfortführung hat das Beschwerdegericht einen gesonderten Zuschlag von weiteren 5 v.H. neben dem Fortführungszuschlag zugebilligt. Seine Bemessung ist nach den Ausführungen der Rechtsbeschwerde jedoch eine Frage des Einzelfalls und deshalb nicht geeignet, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu begründen.
8
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in dem vorgenannten Zusammenhang , wie sie die Rechtsbeschwerde rügt, kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, zVb Rn. 10, 12; st. Rspr.). Dasselbe gilt, soweit die Rechtsbeschwerde es als Verletzung rechtlichen Gehörs beanstandet, dass das Beschwerdegericht die Feststellung der Mobiliarsicherheiten und ihre Behandlung innerhalb der Betriebsfortführung nicht als selbständigen Zuschlagsgrund angesetzt hat. Denn die hierfür notwendigen Gespräche ebenso wie diejenigen mit der Grundstücksverpächterin hat das Beschwerdegericht in den Fortführungsaufwand einbezogen, im Übrigen aber als nicht hinreichend substantiiert gewertet.
9
3. Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auf Rechtsfehler des Beschwerdegerichts bei der Anrechnung des vom vorläufigen Insolvenzverwalter vor seiner Abberufung als Insolvenzverwalter ohne gerichtliche Ermächtigung aus der Masse entnommenen Betrages von 73.000 €. Ein solcher Rechtsfehler kann ebenfalls die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht begründen. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen dieses Punktes macht die Rechtsbeschwerde weder ausdrücklich geltend noch führt sie sie in ihrer Begründung aus. Die abstrakt formulierte Frage nach der Entnahmeanrechnung ist auch nicht entscheidungserheblich. Die Masse kann von dem damaligen Insolvenzverwalter und vorherigen vorläufigen Insolvenzverwalter wegen der Selbstbewilligung des Vorschusses Erstattung verlangen und der weitere Betei- ligte zu 2 hat mit diesem Erstattungsanspruch gegen den jetzt im Streit befindlichen Vergütungsanspruch aus dem Amt des vorläufigen Insolvenzverwalters spätestens durch die von ihm eingelegte Erstbeschwerde aufgerechnet.
Kayser Raebel Lohmann
Pape Möhring

Vorinstanzen:
AG Bonn, Entscheidung vom 13.01.2006 - 98 IN 196/99 -
LG Bonn, Entscheidung vom 15.09.2006 - 6 T 89/06 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfa
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

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Annotations

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist das Vermögen zugrunde zu legen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, werden dem Vermögen nach Satz 1 hinzugerechnet, sofern sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. Sie bleiben unberücksichtigt, sofern der Schuldner die Gegenstände lediglich auf Grund eines Besitzüberlassungsvertrages in Besitz hat.

(2) Wird die Festsetzung der Vergütung beantragt, bevor die von Absatz 1 Satz 1 erfassten Gegenstände veräußert wurden, ist das Insolvenzgericht spätestens mit Vorlage der Schlussrechnung auf eine Abweichung des tatsächlichen Werts von dem der Vergütung zugrunde liegenden Wert hinzuweisen, sofern die Wertdifferenz 20 vom Hundert bezogen auf die Gesamtheit dieser Gegenstände übersteigt.

(3) Art, Dauer und der Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters sind bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen.

(4) Hat das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter als Sachverständigen beauftragt zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen, so erhält er gesondert eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.