Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2011 - IX ZB 229/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Schuldnerin wird mit Wirkung vom 9. März 2010 Restschuldbefreiung erteilt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Auf Antrag der Schuldnerin vom 13. November 2003 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und auf Restschuldbefreiung eröffnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 8. März 2004 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen und bestellte den weiteren Beteiligten zu 3 zum Treuhänder. Das Insolvenzverfahren dauert an. Am 16. Februar 2010 beantragten die weiteren Beteiligten zu 1 die Versagung der Restschuldbefreiung. Am 25. Februar 2010 teilte der weitere Beteiligte zu 2 mit, dass seiner Ansicht nach ein Versagungsgrund für die Restschuldbefreiung vorliege. Mit Beschluss vom 10. März 2010 ordnete das Insolvenzgericht für die Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ablauf der Abtretungserklärung das schriftliche Verfahren an und setzte Frist bis 19. April 2010, binnen der der Restschuldbefreiung widersprochen werden könne. Die weiteren Beteiligten zu 1 beantragten die Versagung der Restschuldbefreiung.
- 2
- Beschluss Mit vom 25. Mai 2010 hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung versagt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. September 2010 zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist den weiteren Beteiligten zu 1 und 2 nicht bekannt gemacht worden.
- 3
- Am 11. November 2010 haben die weiteren Beteiligten zu 1, am 19. November 2010 der weitere Beteiligte zu 2 gegenüber dem Insolvenzgericht den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgenommen. Am 8. November 2010 hat die Schuldnerin fristgerecht Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt. Mit Schreiben vom 19. Januar 2011 an den Bundesgerichtshof haben die weiteren Beteiligten zu 1 ihren Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgenommen.
- 4
- Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Schuldnerin die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und Gewährung der beantragten Restschuldbefreiung , hilfsweise Feststellung, dass die Entscheidung der Vorinstanzen gegenstandslos sind, weiter hilfsweise Zurückverweisung.
II.
- 5
- Die statthafte (§ 300 Abs. 3 Satz 2, §§ 6, 7 InsO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2, § 575 Abs. 1 und 2 InsO) ist begründet. Durch die wirksame Rücknahme des einzigen Versagungsantrages wurden die über ihn ergangenen Entscheidungen wirkungslos. Der Schuldnerin ist Restschuldbefreiung zu erteilen.
- 6
- 1. Nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung hatte das Insolvenzgericht trotz des noch laufenden Insolvenzverfahrens über den Antrag der Schuldnerin auf Restschuldbefreiung zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258 Rn. 14).
- 7
- Da noch kein Schlusstermin abgehalten werden konnte, musste die Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Treuhänders und der Schuldnerin in einer Form durchgeführt werden, die dem Schlusstermin entspricht. Dies konnte in einer Gläubigerversammlung oder gemäß § 5 Abs. 2 InsO im schriftlichen Verfahren erfolgen (BGH, aaO Rn. 28). Das Insolvenzgericht hat mit Beschluss vom 10. März 2010 das schriftliche Verfahren angeordnet und Frist bis zum 19. April 2010 gesetzt, bis zu dem der Restschuldbefreiung widersprochen werden konnte.
- 8
- Ein 2. Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung kann nur im Schlusstermin gestellt werden. Ein schon zuvor gestellter Antrag ist lediglich als Ankündigung eines Antrags zu werten (BGH, Beschluss vom 20. März 2003 - IX ZB 388/02, ZInsO 2003, 413, 414). Dies gilt entsprechend für einen vorzeitig abgehaltenen, dem Schlusstermin entsprechenden Termin zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung.
- 9
- gemäß Ist § 5 Abs. 2 InsO für die Durchführung des Schlusstermins schriftliches Verfahren angeordnet worden, muss der Versagungsantrag dementsprechend im Rahmen dieses Verfahrens gestellt werden. Bereits zuvor gestellte Versagungsanträge sind auch hier lediglich als Ankündigung von Anträgen zu werten.
- 10
- Die weiteren Beteiligten zu 1 haben - nach früherer Ankündigung eines Antrags - im Rahmen des schriftlichen Verfahrens einen Antrag gestellt. Ob das Schreiben des weiteren Beteiligten zu 2 vom 25. Februar 2010 als Versagungsantrag ausgelegt werden könnte, erscheint bereits zweifelhaft. Mitgeteilt wurde lediglich, dass nach dortiger Ansicht ein Versagungsgrund vorliege. Die Versagung als solche wurde nicht beantragt. Jedenfalls wurde innerhalb des angeordneten schriftlichen Verfahrens kein Antrag gestellt. Das Schreiben der weiteren Beteiligten zu 2 konnte deshalb allenfalls als wirkungslose Ankündigung eines später nicht gestellten Antrags verstanden werden.
- 11
- 3. Der Antrag des weiteren Beteiligten zu 1 konnte bis zum Eintritt der Rechtskraft über die ergangenen Entscheidungen zurückgenommen werden. Die Zurücknahme war jedenfalls wirksam dadurch möglich, dass sie gegenüber dem Bundesgerichtshof erklärt wurde, bei dem zu dieser Zeit das Verfahren anhängig war (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - IX ZB 269/09, ZInsO 2010, 1495 Rn. 4 f). Die weiteren Beteiligten zu 1 haben ihren Versagungsantrag gegenüber dem Bundesgerichtshof zurückgenommen. Einer anwaltlichen Vertretung bedurfte es hierbei nicht (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 aaO Rn. 5; für die Rücknahme der Klage in der Revisionsinstanz vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 1954 - III ZR 229/53, BGHZ 14, 210, 211 f; Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. § 269 Rn. 12a).
- 12
- Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die Rücknahmeerklärungen der weiteren Beteiligten gegenüber dem Insolvenzgericht wirksam waren, bedarf keiner Entscheidung. Dasselbe gilt für die Frage, ob diese Erklärungen jedenfalls mit ihrer rechtzeitigen Vorlage an den Bundesgerichtshof wirksam geworden sind.
- 13
- Mit 4. der wirksamen Rücknahme des einzigen Versagungsantrages wurden die über ihn ergangenen Entscheidungen wirkungslos. Die entsprechende Feststellung ist auf den gestellten Antrag auszusprechen (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 aaO Rn. 7).
- 14
- 5. Da keine wirksamen Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung vorliegen, ist der Schuldnerin mit Wirkung ab dem Tag des Ablaufs der Abtretungserklärung Restschuldbefreiung zu gewähren, § 300 InsO (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 aaO Rn. 30 ff).
- 15
- 6. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da im Rechtsbeschwerdeverfahren ein Verfahrensgegner nicht vorhanden ist.
Vorinstanzen:
AG Berlin-Spandau, Entscheidung vom 25.05.2010 - 38 IK 153/03 -
LG Berlin, Entscheidung vom 27.09.2010 - 85 T 239/10 -
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(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Eine nach Satz 1 erteilte Restschuldbefreiung gilt als mit Ablauf der Abtretungsfrist erteilt.
(2) Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. Wird die Restschuldbefreiung nach Satz 1 erteilt, so gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.
(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.
(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen.
(2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und ist die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, wird das Verfahren schriftlich durchgeführt. Das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist. Es kann diese Anordnung jederzeit aufheben oder ändern. Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen.
(3) Die Entscheidungen des Gerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung nicht anzuwenden.
(4) Tabellen und Verzeichnisse können maschinell hergestellt und bearbeitet werden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und deren Aufbewahrung zu treffen. Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung machen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
(5) Insolvenzverwalter sollen ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können. Hat der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei in § 22a Absatz 1 genannten Merkmale erfüllt, muss der Insolvenzverwalter ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten und die in Satz 1 genannten Dokumente unverzüglich zum elektronischen Abruf zur Verfügung stellen. Den Einsichtsberechtigten stellt der Verwalter die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung.
(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach dem regulären Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners. Eine nach Satz 1 erteilte Restschuldbefreiung gilt als mit Ablauf der Abtretungsfrist erteilt.
(2) Wurden im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet oder sind die Insolvenzforderungen befriedigt worden und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Schuldners schon vor Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. Wird die Restschuldbefreiung nach Satz 1 erteilt, so gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.
(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.
(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu.