Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2018 - IX ZA 16/17

published on 07/11/2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2018 - IX ZA 16/17
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Previous court decisions
Landgericht München I, 30 O 13615/13, 20/05/2017
Oberlandesgericht München, 5 U 2875/16, 07/04/2017

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
Berichtigt durch
Schreibfehlerberichtigung vom
10.1.2019
Preuß, Justizangestellte
als Urkundsbeamterin der
Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 16/17
vom
7. November 2018
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die frühere Mitwirkung des abgelehnten Richters an einer juristischen Festschrift
kann in einem Rechtsstreit, in dem der Geehrte als Beklagter wegen Pflichtverletzung
in Anspruch genommen wird, die Besorgnis der Befangenheit begründen.
BGH, Beschluss vom 7. November 2018 - IX ZA 16/17 - OLG München
LG München I
ECLI:DE:BGH:2018:071118BIXZA16.17.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2018 durch die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Ablehnungsgesuche der Kläger gegen den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser und die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Prof. Dr. Pape werden für begründet erklärt. Die Ablehnungsgesuche der Kläger gegen die Richterinnen und Richter Grupp, Lohmann, Möhring, Dr. Schoppmeyer und Meyberg werden für unbegründet erklärt.

Gründe:

1
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur BGH Beschluss vom 2. November 2016 - AnwZ (Brfg) 61/15 - NJW-RR 2017, 187 Rn. 4 mwN).
2
Nach diesen Maßstäben liegt ein Ablehnungsgrund in Bezug auf den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser und die Richter Prof. Dr. Pape und Prof. Dr. Gehrlein vor, nicht aber in Bezug auf die weiteren abgelehnten Richterinnen und Richter.
3
1. Die Kläger meinen zu Recht, eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kayser ergebe sich daraus, dass dieser als Mitverfasser eines Geleitworts zu einer Festschrift anlässlich des 70. Geburtstags des Beklagten dessen Person und Lebenswerk in heraushebender Weise gewürdigt hat. In dem Geleitwort bezeichnet der abgelehnte Richter den Beklagten als einen Mann, "der sich wie kein zweiter in vielfältiger Weise um das Insolvenzrecht und die angrenzenden Rechtsgebiete verdient gemacht" habe; der "zu der seltenen Spezies Insolvenzverwalter gehört, die unternehmerisches Denken mit scharfsinniger juristischer Analyse verbinden können", der "unternehmerisch mit dem bestmöglichen Bemühen um die Sanierung als die ökonomisch vorzugswürdige Lösung" vorgehe, "mit seinen Publikationen seine Qualifikation als Vordenker für die Praxis" beweise und "den Acker «Insolvenz und Sanierung» in sehr unterschiedlichen, einander aber immer wieder befruchtenden Funktionen bestellt und daraus reiche Ernte hervorgebracht" habe.
4
Die damit verlautbarte Hochachtung nicht nur von Person und Lebenswerk des Beklagten, sondern auch seiner besonderen insolvenzrechtlichen Treffsicherheit und seiner Vorbildfunktion für Insolvenzverwalter, kann bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, in einem Rechtsstreit, in dem der Beklagte wegen angeblicher Pflichtverletzung bei der Ausübung seines Amtes als Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die persönliche Verwendung zu Ehren des Beklagten tatsächlich Ausdruck einer besonderen Nähebeziehung ist oder ob die Laudatio etwa nur geschäftsmäßig verfasst oder gar lediglich mitunterzeichnet wurde. Denn maßgeblich ist die Sicht der ablehnenden Partei, die bei vernünftiger Würdigung der äußeren Umstände Zweifel daran haben darf, dass das mit dem Geleitwort zum Ausdruck Gebrachte hinter seinem objektiven Wortsinn zurückbleibt.
5
2. Ebenso begründet sind die Ablehnungsgesuche gegen die Richter Prof. Dr. Pape und Prof. Dr. Gehrlein, welche jeweils einen umfangreichen Fachbeitrag zu der Festschrift geleistet haben. Gegenstand dieser Beiträge war zwar zuvorderst eine Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs über ein insolvenzrechtliches Thema; allerdings war der äußere Anlass hierfür durch die mit der Festschrift vorzu- nehmende Ehrung des Beklagten gesetzt. Auch wenn die Fachbeiträge der Richter Prof. Dr. Pape und Prof. Dr. Gehrlein für sich genommen keine persönliche Würdigung des Beklagten enthalten, der Aufsatz von Prof. Dr. Gehrlein sogar eine unabhängige Zweitverwertung in NZI 2015, 577 gefunden hat, darf die ablehnende Partei bei vernünftiger Würdigung der äußeren Umstände davon ausgehen, dass sich die Autoren mit ihrer Teilnahme an der Festschrift in den Dienst einer Sache gestellt haben , die auf eine Ehrung des Jubilars unter Hervorhebung außergewöhnlicher Verdienste ausgerichtet war. Diese Sichtweise wird auch durch das Geleitwort vermittelt, an dessen Ende versichert wird, dass gemeinsames Anliegen der Herausgeber und Autoren die Würdigung von Person und Lebenswerk des Beklagten sei. Aus Sicht der ablehnenden Partei kann dies Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit der Richter bei der hier vorzunehmenden Beurteilung einer möglichen Pflichtwidrigkeit des Beklagten bei der Ausübung seines Amtes als Insolvenzverwalter zu zweifeln.
6
3. Hingegen ergibt sich keine Besorgnis der Befangenheit des Richters Dr. Schoppmeyer daraus, dass er als einer von insgesamt zwanzig Autoren an einem vom Beklagten mitherausgegebenen Kommentar zur Insolvenzordnung mitwirkt. Die dadurch vermittelte Verbindung vermag bei vernünftiger Würdigung aller Umstände keinen Anlass zu geben, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung zu zweifeln. Allgemeine berufliche Kontakte des Richters zu einer Partei ohne besondere Nähe oder Intensität genügen dafür nicht (BGH Beschluss vom 10. Juni 2013 - AnwZ (Brfg) 24/12 - NJW-RR 2013, 1211 Rn. 8). Grundsätzlich sind nur nahe persönliche (oder geschäftliche) Beziehungen zwischen dem Richter und einem Verfahrensbeteiligten geeignet, die Unparteilichkeit eines Richters in Frage zu stellen. Deshalb kann selbst ein Kollegialitätsverhältnis, das in der Regel mit häufigeren persönlichen Begegnungen als eine bloße Mitautorenschaft verbunden ist, nur dann eine Ablehnung rechtfertigen, wenn damit eine sehr enge berufliche Zusammenarbeit verbunden ist. Für eine derartige enge berufliche Zusammenarbeit sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Eine Mitautorenschaft als solche begründet weder enge berufliche noch nahe persönliche Kontakte zwischen den Mitautoren und - herausgebern (vgl. BGH Beschluss vom 31. Januar 2005 - II ZR 304/03 - BGHReport 2005, 1350). Aus der Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei besteht daher kein Anlass, deswegen an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
7
Aus vorgenannten Gründen ergibt sich ein Ablehnungsgrund gegen die Richterinnen und Richter Grupp, Lohmann, Möhring, Dr. Schoppmeyer und Meyberg nicht aus deren Autoren-, Herausgeber- oder Vortragstätigkeit für den (vom Beklagten gegründeten ) RWS Verlag.
8
4. Ebenso wenig sind die Richter Grupp, Dr. Schoppmeyer und Meyberg aufgrund ihrer Mitwirkung am früheren Verfahren IX ZR 260/15, an dem die Kläger nicht beteiligt waren, aus Sicht der verständigen Partei darin beeinträchtigt, dem Sachverhalt des hier vorliegenden Rechtsstreits unbefangen gegenüberzutreten.
Günter Nedden-Boeger Botur Guhling Krüger
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 20.05.2017 - 30 O 13615/13 -
OLG München, Entscheidung vom 07.04.2017 - 5 U 2875/16 -

IX ZA 16/17

Schreibfehlerberichtigung

In den Beschlüssen vom 7. November 2018 und 5. Dezember 2018 sind die
Vorinstanzdaten wie folgt zu korrigieren:
Es muss richtig heißen:
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 20.05.2016 - 30 O 13615/13 -
OLG München, Entscheidung vom 07.04.2017 – 5 U 2875/16 -
anstatt:
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 20.05.2017 – 30 O 13615/13 -
OLG München, Entscheidung vom 07.04.2017 – 5 U 2875/16 -.

Karlsruhe, den 10. Januar 2019
Bundegerichtshof
Geschäftsstelle des IX. Zivilsenats

Preuß, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt
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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt
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published on 31/01/2005 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 304/03 vom 31. Januar 2005 in dem Rechtsstreit Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 31. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Gehrlein, Dr. S
published on 16/11/2017 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 260/15 Verkündet am: 16. November 2017 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
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Annotations

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.