Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2014 - IV ZR 35/12

published on 09/09/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2014 - IV ZR 35/12
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Landgericht Karlsruhe, 6 O 83/09, 11/06/2010
Oberlandesgericht Karlsruhe, 12 U 146/10, 30/12/2011

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR35/12
vom
9. September 2014
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
am 9. September 2014

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2011 als unzulässig zu verwerfen , soweit sie sich gegen die Abweisung des Klageantrags zu 3 richtet.
Soweit die Revision zugelassen worden ist, beabsichtigt der Senat, sie gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzubinnen eines Monats Stellung zu nehmen.

Gründe:


1
I. Hinsichtlich des Klageantrags zu 3 ist die unbeschränkt eingelegte Revision mangels Zulassung nicht zulässig.
2
Das Berufungsgericht hat die Revision "wegen grundsätzlicher Bedeutung der Regelungen der 7. und 9. Änderungssatzung" zugelassen. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen, abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 11 m.w.N.). Der den Ansprüchen auf Neuberechnung und teilweise Rückzahlung des Sanierungsgelds für das Jahr 2006 (Klageanträge zu 1 und 2) zugrunde liegende Sachverhalt kann unabhängig von dem Prozessstoff beurteilt werden, der für die mit dem Klageantrag zu 3 geforderte Anerkennung der Klägerin als Arbeitgeberverband ab dem Jahr 2008 maßgeblich ist.
3
II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen hinsichtlich der Klageanträge zu 1 und 2 nicht mehr vor. Die Revision hat insoweit auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
4
1. § 65 VBLS ist entgegen der Auffassung der Revision rechtmäßig.
5
a) Der Senat hat die dafür maßgeblichen Rechtsfragen in drei Urteilen vom 20. Juli 2011 (IV ZR 76/09, BGHZ 190, 314; IV ZR 68/09, juris ; IV ZR 46/09, juris) im Wesentlichen bereits geklärt und diese Entscheidungen durch Urteil vom 15. Mai 2013 (IV ZR 33/11, VersR 2013, 888 Rn. 28) bestätigt. Danach ist § 65 VBLS einer Inhaltskontrolle nach den AGB-rechtlichen Maßstäben des BGB weitgehend entzogen, weil er auf einer - in Ziff. 4.1 Satz 2, Ziff. 4.2 Satz 3, Ziff. 4.3 AVP und § 37 Abs. 3 Satz 1 ATV getroffenen - maßgebenden Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien basiert (Senatsurteile vom 20. Juli 2011 - IV ZR 76/09 aaO Rn. 49 ff.; IV ZR 68/09 aaO Rn. 49 ff.; IV ZR 46/09 aaO Rn. 47 ff.). Der gebotenen verfassungs- und europarechtlichen Überprüfung hält § 65 VBLS stand (Senatsurteile vom 20. Juli 2011 - IV ZR 76/09 aaO Rn. 63 ff.; IV ZR 68/09 aaO Rn. 63 ff.; IV ZR 46/09 aaO Rn. 61 ff.).
6
b) Die durch die Grundentscheidung bedingte Einschränkung der Inhaltskontrolle müssen sich auch an der Beklagten beteiligte Arbeitgeber entgegenhalten lassen, die - wie die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt - nicht tarifunterworfen sind (Senatsurteile vom 20. Juli 2011 (IV ZR 76/09 aaO Rn. 59 ff.; IV ZR 68/09 aaO Rn. 59 ff.; IV ZR 46/09 aaO Rn. 57 ff.). Die Revision will diese Frage nochmals zur Überprüfung stellen, bringt aber keine Argumente vor, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten.
7
c) Die Einführung des Sanierungsgelds überschreitet entgegen der Auffassung der Revision die Grenzen des Änderungsvorbehalts in § 14 Abs. 1 Satz 1 VBLS nicht (Senatsurteile vom 20. Juli 2011 - IV ZR 76/09 aaO Rn. 95 ff.; IV ZR 68/09 aaO Rn. 93 ff.; IV ZR 46/09 aaO Rn. 89 ff.).
8
2. § 65 Abs. 5a VBLS und die darauf bezogenen Ausführungsbestimmungen sind ebenfalls wirksam. Dies hat der Senat in dem Urteil vom 15. Mai 2013 (aaO Rn. 40 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet.
9
a) Die genannten Bestimmungen unterfallen keiner Inhaltskontrolle. Zwar beruht § 65 Abs. 5a VBLS nicht auf einer Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien; insoweit enthalten der ATV und der AVP 2001 keine Bestimmungen. Die Regelung des § 65 Abs. 5a VBLS ist aber - entgegen der Ansicht der Revision - als so genannte Preisklausel auch weitgehend der AGB-rechtlichen Überprüfung entzogen (Senatsurteil vom 15. Mai 2013 aaO Rn. 41 ff.).
10
b) § 65 Abs. 5a VBLS genügt den Anforderungen des Transparenzgebots , an dem gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB auch das Preis-Leistungs-Verhältnis betreffende Klauseln zu messen sind (Senatsurteil vom 15. Mai 2013 aaO Rn. 44 ff.). Allein der Umfang und die Komplexität der Ausführungsbestimmungen führen nicht zu ihrer Intransparenz. Sie lassen sich entgegen der Ansicht der Revision mit der Erhebung "pauschaler" Sanierungsgelder in Einklang bringen; diese erfordern keine "pauschale" Berechnungsweise.
11
3. Eine vom Berufungsgericht vorgenommene Überprüfung der Berechnung der Umverteilung des Sanierungsgeldes nach § 65 Abs. 5a VBLS i.V.m. den Ausführungsbestimmungen auf die Einhaltung billigen Ermessens nach § 315 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, weil der Beklagten insoweit kein Ermessenspielraum zusteht, sondern die Berechnungsfaktoren im Einzelnen festgelegt sind (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2012 - IV ZR 110/10, VersR 2013, 219 Rn. 21; IV ZR 111/10, juris Rn. 21; jeweils m.w.N.).
12
4. Mit den erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen konkreten Einwendungen zur Höhe und Berechnung des Sanierungsgeldes für das Jahr 2006 ist die Klägerin - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden hat - nach den §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. In erster Instanz hat die Klägerin pauschal die Richtigkeit der Abrechnung bestritten und gefordert, die Beklagte möge offenlegen, wie die angegebenen Rechenergebnisse hergeleitet würden. Die Beklagte hat auf die der Klageerwiderung beigefügte umfassende Erläuterung zum Sanierungsgeld 2006 verwiesen, die die Berechnung des Sanierungsgeldes bis zur 7. Satzungsänderung sowie die Umverteilung gemäß der 7. bis 9. Satzungsänderung ausführlich darstellt. Außerdem hat sie die einzelnen Rechenschritte, auch zu den Umverteilungsregelungen, erläutert. Erst im Berufungsverfahren hat die Klägerin Einwände zur Berechnung vorgebracht und im Wesentlichen gerügt, dass gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 VBLS die Gesamthöhe der Sanierungsgelder im Deckungsabschnitt auf der Grundlage eines versicherungsmathematischen Gutachtens festgesetzt werden müsse und ergänzend nach § 64 Abs. 2 Satz 2 VBLS festzustellen sei, dass die Sanierungsgelder ausschließlich zur Finanzierung der vor dem 1. Januar 2002 begründeten Ansprüche und Anwartschaften dienten. Die Klägerin hat nicht dargelegt, warum sie diese Einwendungen im ersten Rechtszug nicht vorgebracht hat. Im Übrigen ist die Forderung nach einem versicherungsmathematischen Gutachten schon deshalb unbegründet, weil für den ersten, hier in Redestehenden Deckungsabschnitt 2002 bis 2007 die Höhe der Sanierungsgelder in § 65 Abs. 2 Satz 2 VBLS mit 2,0 Prozent der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte aller Pflichtversicherten im Jahr 2001 angegeben ist.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 11.06.2010- 6 O 83/09 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.12.2011- 12 U 146/10 -
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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Sol
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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.