Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2007 - IV ZR 3/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 125.902 €
Gründe:
- 1
- Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es ihren Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil darauf beruht. Dieser Verstoß führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung.
- 2
- 1. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW 2000, 131) und erhebliche Beweisantritte zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2005, 1487 und NJW 1991, 285, 286).
- 3
- a) Die Klägerin behauptet, seit dem 1. Mai 2001 berufsunfähig zu sein. Sie beruft sich hierfür unter anderem auf ein für einen anderen Versicherer erstattetes Gutachten der Orthopädin und Sozialmedizinerin Dr. N. vom 6. April 2001. Darin wird festgestellt, dass seit einem Verkehrsunfall vom 24. August 2000 völlige Arbeitsunfähigkeit bestehe, die Versicherungsnehmerin auf nicht absehbare Zeit nicht mehr in der Lage sei, den durchschnittlichen Arbeitsanfall in ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit einer selbständigen Restaurantleiterin zu wenigstens 50% zu erledigen und damit bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliege.
- 4
- Damit sind die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit jedenfalls im Sinne der hier vereinbarten Bestimmung des § 2 Abs. 3 BB-BUZ hinreichend vorgetragen. Die Klägerin hat für die behauptete Berufsunfähigkeit Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten, in erster Instanz unter anderem mit Schriftsatz vom 13. Januar 2004 unter nochmaligem Hinweis auf das Gutachten Dr. N. vom 6. April 2001. In der Berufungsbegründung hat sie die Beweisantritte wiederholt.
- 5
- b) Kann die Klägerin beweisen, dass sie vor dem 1. Mai 2001 mindestens sechs Monate ununterbrochen gesundheitsbedingt außerstande war, ihren Beruf oder eine Verweisungstätigkeit auszuüben, und kann sie zusätzlich die aus damaliger Sicht unveränderte Weiterdauer dieses Zu- stands beweisen, so gilt dieses über sechs Monate hinausgehende Andauern des gesundheitlichen Zustands nach § 2 Abs. 3 BB-BUZ als Eintritt des Versicherungsfalles (vgl. Senatsurteil vom 27. September 1989 - IVa ZR 132/88 - VersR 1989, 1182 unter 3 b). Die Voraussetzungen für einen späteren Wegfall der Leistungspflicht hätte dann die Beklagte nach den Regeln des Nachprüfungsverfahrens (§ 7 BB-BUZ) darzulegen und zu beweisen (vgl. Senatsurteile vom 27. September 1989 aaO unter 4; vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95 - VersR 1997, 436 unter II 1 a und vom 19. November 1997 - IV ZR 6/97 - VersR 1998, 173 unter 2 b und 3).
- 6
- Das c) Landgericht hat die materielle Rechtslage verkannt und deshalb Beweis nur darüber erhoben, ob die Klägerin am Tag der Untersuchung (23. September 2003) durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. M. berufsunfähig war. Dies ergibt sich aus dem ergänzenden Beweisbeschluss vom 20. November 2003 und den Entscheidungsgründen. Das Landgericht hat nicht nur § 2 Abs. 3 BB-BUZ übersehen, sondern schon vom Ansatz her nicht beachtet, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 7. Februar 2007 - IV ZR 232/03 - VersR 2007, 631 Tz. 11) der vom Versicherungsnehmer behauptete Eintritt der Berufsunfähigkeit ist.
- 7
- d) Das Berufungsgericht hat demgegenüber noch erkannt, dass es nach § 2 Abs. 3 BB-BUZ für das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit auf einen wesentlich früheren Zeitpunkt als den 23. September 2003 ankommt. Danach werde zwar - so das Berufungsgericht - bei einer ununterbrochenen sechsmonatigen vollständigen oder teilweisen Unfähigkeit, die in § 2 Abs. 1 BB-BUZ beschriebenen Tätigkeiten auszuüben , die Fortdauer dieses Zustands fingiert. Diese Fiktion gelte aber nur dann, wenn dieser Zustand anhalte. Dass der Zustand für den Fall, dass er vorgelegen hätte, jedenfalls nicht angehalten habe, folge aus dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme.
- 8
- Das ist schon deshalb verfahrensrechtlich nicht haltbar, weil in erster Instanz gar kein Beweis dazu erhoben worden ist, ob in dem von der Klägerin unter Bezugnahme auf das Gutachten Dr. N. vom 6. April 2001 behaupteten maßgeblichen Zeitpunkt - dem 1. Mai 2001 - die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 3 BB-BUZ vorgelegen haben. Mit dieser nicht tragfähigen Begründung durfte das Berufungsgericht die Beweisaufnahme über von ihm erkennbar für erheblich gehaltene Tatsachen deshalb nicht ablehnen.
- 9
- 2. Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit, ergänzend vorzutragen und Beweis anzutreten. Die erforderlichen Beweise hat das Berufungsgericht unter Beachtung der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 7. Februar 2007 aaO Tz. 17 m.w.N.) zu erheben. Eine Zurückverweisung an das Landgericht nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO scheidet aus, weil das Urteil des Landgerichts nicht auf einem Verfahrensfehler , sondern auf einer Verkennung der materiellen Rechtslage beruht.
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 25.02.2004 - 25 O 16943/02 -
OLG München, Entscheidung vom 30.11.2004 - 25 U 2960/04 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist