Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2006 - IV ZR 219/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Parteien streiten um die Berechtigung der beklagten Landeshauptstadt , als Trägerin einer Zusatzversorgungseinrichtung vom Kläger als Mitglied dieser Einrichtung ein so genanntes Sanierungsgeld zu erheben.
- 2
- Die nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zur Mitwirkung an der Entscheidung in diesem Rechtsstreit berufene Richterin hat mit dienstlicher Erklärung vom 25. April 2006 gemäß § 48 ZPO angezeigt, bei dem im Kanzlei-Briefkopf der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in erster und zweiter Instanz aufgeführten Rechtsanwalt handele es sich um ihren Vater. Er sei in dieser Kanzlei als freier Mitarbeiter tätig.
- 3
- Die Parteien haben von der Anzeige der Richterin Kenntnis erhalten und hatten Gelegenheit zur Äußerung. Die Beklagte hat mitgeteilt, sie sei von der Unbefangenheit der Richterin überzeugt, zumal Rechtsanwalt mit der Sache nicht befasst gewesen sei. Der Kläger hält die Voraussetzungen des § 41 ZPO für nicht gegeben. Er ist indessen der Ansicht, allein der Umstand, dass der Vater der Richterin auf dem Briefkopf der Prozessbevollmächtigten der Beklagten aufgeführt sei, begründe objektiv die Besorgnis der Befangenheit.
- 5
- 2. Die von der Richterin angezeigten Umstände sind entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht geeignet, Misstrauen gegen ihre unparteiliche Amtsausübung bei der Mitwirkung an Entscheidungen im vorliegenden Rechtsstreit zu rechtfertigen.
- 6
- BesorgnisderBefangen heit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO besteht dann, wenn objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könnten , der betreffende Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Zöller/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 42 Rdn. 9 m.w.N.). Ob solche Gründe stets dann gegeben sind, wenn der Richter mit dem früheren Prozessbevollmächtigten einer Partei verwandt ist, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu OLG Celle OLG-Report Celle 1995, 272 m.w.N.). Denn der Vater der Richterin ist zwar im Briefkopf des früheren Prozessbevollmächtigten der Beklagten als Mitglied der Kanzlei am Standort Burgwedel aufgeführt, war aber mit der Bearbeitung des hier rechtshängigen Verfahrens - was auch der Kläger nicht in Zweifel zieht - zu keinem Zeitpunkt befasst. Allein die Namensnennung des Vaters der Richterin im Briefkopf der früheren Prozessbevollmächtigten der Beklagten begründet die Besorgnis der Befangenheit nicht (im Ergebnis ebenso OLG Celle aaO; vgl. auch BFH/NV 2002, 40, 41; 2005, 234, 235).
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 09.01.2004 - 8 O 76/03 -
OLG Celle, Entscheidung vom 09.09.2004 - 5 U 70/04 -
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Annotations
Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:
- 1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; - 2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; - 5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; - 6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt; - 7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird; - 8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.