Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2011 - IV ZR 155/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der durch die Nichtzulassungsbeschwerde verursachten Kosten der Streithelfer der Beklagten zu tragen.
Streitwert: bis 290.000 €
Gründe:
- 1
- Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
- 2
- 1. Die von ihr aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen zur Reichweite des Versicherungsschutzes und der damit in Zusammenhang stehenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind durch das Senatsurteil vom 25. Mai 2011 (IV ZR 117/09, veröffentlicht in juris), dem derselbe Versicherungsvertrag zugrunde lag, geklärt.
- 3
- Danach ist nur Bargeld - nicht hingegen Buch- oder Giralgeld - gegen typische Transportrisiken bei und während des Werttransports bis zu dessen Abschluss versichert. Eingeschlossen werden zwar Verluste und Schäden, die aus einer Unterschlagung i.S. von § 246 Abs. 1 StGB oder einer Veruntreuung i.S. von § 246 Abs. 2 StGB (veruntreuende Unterschlagung ) folgen. Nicht versichert sind dagegen Schäden, die lediglich aus einer Untreue nach § 266 StGB resultieren. Ebenso wenig ist die vertragliche Haftung für den gesamten Transportbetrieb der Versicherungsnehmerin im Sinne einer Haftpflichtversicherung vom Versicherungsschutz umfasst (Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 31 ff., 35 ff.).
- 4
- Soweit die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht habe den vereinbarten Versicherungsschutz ohne hinreichende Beachtung der zugrunde liegenden Bestimmungen aus den Transportverträgen zwischen den H. -Unternehmen und ihren jeweiligen Kunden - hier der Klägerin, bzw. ihres Rechtsvorgängers - und ohne ausreichende Berücksichtigung der Interessen dieser Kunden ermittelt, verkennt sie, dass der hier in Rede stehende Versicherungsvertrag nicht mit Blick auf einzelne Transportaufträge der Versicherungsnehmerin geschlossen wurde, sondern für sämtliche - auch künftige - Transporte gelten sollte. Das schließt es aus, den Gegenstand der Versicherung anhand des jeweiligen Inhalts der Transportverträge oder des ihnen zugrunde liegenden individuellen Kundeninteresses festzulegen. Vielmehr ist der Versicherungsschutz - insoweit losgelöst vom Inhalt dieser Transportaufträge - ausweislich der Police Nr. 7509 auf die unter der Überschrift "Gegenstand der Versicherung" abschließend aufgezählten Sachen beschränkt. Lediglich in Bezug auf die versicherten Handlungen der Versicherungsnehmerin an und mit diesen Gegenständen nimmt der Versicherungsvertrag auf die "vom Versicherungsnehmer vertraglich übernommenen Tätigkeiten" Bezug.
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- Das vorliegende Verfahren gibt im Übrigen keinen Anlass, in der Frage des Umfangs des Versicherungsschutzes vom Senatsurteil vom 25. Mai 2011 (aaO) abzuweichen oder dieses zu ergänzen.
- 6
- 2. Da die Revision im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Blick auf die vom Senat erst danach geklärten Rechtsfragen noch hätte zugelassen werden müssen, waren die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision auch im Übrigen zu prüfen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02, VersR 2005, 809 unter II 2 m.w.N.), jedoch zu verneinen, weil das angefochtene Berufungsurteil keinen Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin enthält.
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- a) Das Beschwerdevorbringen zur Reichweite des Versicherungsschutzes und zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast kann aus den im Senatsurteil vom 25. Mai 2011 (aaO Rn. 21 f., 41 ff.) genannten Gründen keinen Erfolg haben. Verfahrensgrundrechte der Beschwerdeführerin (insbesondere aus Art. 103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht insoweit nicht verletzt.
- 8
- b) Einen Bargeldverlust im versicherten Zeitraum (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 50) hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
- 9
- aa) Der Behauptung der Beklagten, das transportierte Bargeld sei auftragsgemäß bei einer Filiale der Deutschen Bundesbank abgeliefert und dort auf ein für die Versicherungsnehmerin geführtes Konto einge- zahlt worden, hat die Klägerin nicht substantiiert widersprochen. Sie hat nur dargelegt, das betreffende Bargeld sei der Versicherungsnehmerin zum Transport übergeben worden, und sich im Übrigen darauf beschränkt , den Vortrag der Beklagten zum weiteren Ablauf - zum Teil mit Nichtwissen - zu bestreiten. Ergänzend hat die Klägerin lediglich die Vermutung geäußert, das Geld könne bereits vor der Einzahlung auf ein Konto der Versicherungsnehmerin verschwunden sein. Damit hat die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht genügt.
- 10
- bb) Ein den Versicherungsfall begründender Verlust des Transportguts lässt sich nicht feststellen.
- 11
- (1) Ebenso wie in der durch das Senatsurteil vom 25. Mai 2011 entschiedenen Sache ergibt auch die vom Berufungsgericht ohne Rechtsfehler vorgenommene Auslegung der hier maßgeblichen Rahmenverträge für den Geldtransport, dass es der Versicherungsnehmerin nicht untersagt war, transportiertes Geld im so genannten kontogebundenen Überweisungsverfahren (Pooling-Verfahren) zunächst auf ein für sie bei der Deutschen Bundesbank eingerichtetes Konto verbuchen zu lassen.
- 12
- (2) Ein Versicherungsfall läge möglicherweise vor, wenn sich aus den vom Berufungsgericht geprüften Rahmenverträgen und Leistungsverzeichnissen ein hinreichend klar geregeltes Verbot für die Versicherungsnehmerin ergeben hätte, eingezahltes Bargeld zunächst auf einem Eigenkonto verbuchen zu lassen, um es erst von dort aus auf ein Konto der Auftraggeberin zu überweisen. Das Berufungsgericht hat die Verträge jedoch dahin ausgelegt, dass ihnen ein solches Verbot nicht entnommen werden kann. Rechtsfehler sind ihm dabei nicht unterlaufen. Es durfte als Indiz für die Auslegung des Vertrages aus dem Jahre 2002 im Rahmen seiner Würdigung der gesamten Fallumstände auch die weiteren Rahmenverträge aus den Jahren 2004 und 2005 ungeachtet der Tatsache mit in den Blick nehmen, dass diese aus Anlass neu eröffneter Filialen der Auftraggeberin geschlossen worden sind. Die Angriffe der Nichtzulassungsbeschwerde beschränken sich auf den im Revisionsverfahren unbehelflichen Versuch, die Auslegung des Berufungsgerichts durch eine eigene, vermeintlich bessere Auslegung zu ersetzen.
- 13
- (3) Der von der Klägerin behauptete Verlust ist erst dadurch eingetreten , dass die im Anschluss an die Einzahlung des transportierten Geldes auf ein bei der Bundesbank geführtes H. -Konto jedenfalls anstehenden Überweisungen auf ihr Konto pflichtwidrig unterblieben sind. Darin liegt aber kein stofflicher Zugriff auf transportiertes Bargeld, sondern lediglich ein treuwidriger Umgang mit - nach Ende des Versicherungsschutzes nicht mehr versichertem - Buchgeld.
- 14
- cc) Ob ein Versicherungsfall auch deshalb zu verneinen gewesen wäre, weil nach der Behauptung der Beklagten das von der Versicherungsnehmerin praktizierte Pooling-Verfahren von der Auftraggeberin über eine längere Zeit hingenommen wurde, kann offen bleiben.
- 15
- c) Der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin auch nicht aufgrund der von der Beklagten abgegebenen Versicherungsbestätigungen zu (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 68).
- 16
- d) Einen eigenständigen Schadensersatzanspruch der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der von der Beklagten ausgestellten Versicherungsbestätigung , die es nicht als Sicherungsschein, sondern lediglich als deklaratorisches Informationsschreiben bewertet, mit vertretbarer Begründung abgelehnt.
- 17
- e) Auf die von der Beklagten erklärte Arglistanfechtung kommt es nach allem nicht mehr an.
Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 10.03.2009- 32 O 58/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 10.06.2010 - 8 U 74/09 -
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(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.