Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2006 - IV ZB 36/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers.
Streitwert: 235.000 €
Gründe:
- 1
- I. Die Kläger, deren auf § 2287 BGB gestützte Klage auf Herausgabe von Grundstücken durch Urteil des Landgerichts vom 11. März 2005 abgewiesen worden war, haben die Frist zur Berufungsbegründung versäumt. Das landgerichtliche Urteil wurde ihrem Prozessbevollmächtigten am 31. März 2005 zugestellt. Am 19. April 2005 wurde rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am 31. Mai 2005 ab. Erst am 1. Juni 2005 ging ein Schreiben des Prozess- bevollmächtigten der Kläger von diesem Tage beim Berufungsgericht ein, mit dem eine Verlängerung der Berufungsbegründungfrist wegen Urlaubs und Arbeitsüberlastung des alleinigen Sachbearbeiters um einen Monat beantragt wurde.
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- Nach einem Hinweis auf den Fristablauf wurde am 24. Juni 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; am 29. Juni 2005 ging die Berufungsbegründung ein. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags wurde vorgetragen, eine sonst stets zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte habe den Ablauf der Berufungsfrist (am Montag, dem 2. Mai 2005,) und die Frist zur Berufungsbegründung nebst zugehörigen Vorfristen zwar in der Handakte zutreffend berechnet und als erledigt notiert ; bei der Eintragung im Fristenkalender habe sie das Ende der Berufungsbegründungsfrist aber nicht auf den 31. Mai 2005 vermerkt, sondern auf den 2. Juni 2005. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt war vom 19.-30. Mai 2005 berufs- und urlaubsbedingt ortsabwesend. Im Hinblick darauf habe er zuvor "in der Kanzlei" verfügt, dass in dieser Sache eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt werden solle. Entgegen der Weisung sei dieser Antrag aber weder dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt noch vor dem 19. Mai 2005 vorgelegt worden noch seinem Vertreter in der Kanzlei in der Zeit seiner Abwesenheit , sondern wegen des unrichtig im Kalender eingetragenen Fristablaufs erst am 1. Juni 2005.
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- Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen. Zwar habe sich der Anwalt darauf verlassen dürfen, dass die in der Handakte zutreffend berechnete und mit ei- nem Erledigungsvermerk versehene Frist von seinem Büro beachtet werde; zur Einsicht auch in den Fristenkalender sei er nicht verpflichtet. Da der Klägervertreter aber nicht dargelegt habe, dass er die Vorlage eines Verlängerungsantrags schriftlich verfügt habe, sei davon auszugehen , dass diese Verfügung nur mündlich erfolgte. Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nur durch mündliche Anweisung veranlasst werde, seien zusätzliche organisatorische Vorkehrungen erforderlich, damit die Anweisung sofort erledigt und nicht etwa wegen anderer Arbeiten zurückgestellt werde oder in Vergessenheit gerate. Das Fehlen solcher Vorkehrungen zeige sich hier daran, dass der Verlängerungsantrag dem sachbearbeitenden Anwalt erst am 1. Juni 2005 und nicht - wie es seiner Anweisung entsprochen hätte - noch vor seiner Abwesenheit vorgelegt und auch nicht einem Kollegen während seiner Abwesenheit zur Unterschrift gegeben worden sei.
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- II. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte und rechtzeitig erhobene Rechtsbeschwerde war als unzulässig zu verwerfen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Sie wäre auch unbegründet.
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- 1. Nach Ansicht der Beschwerde kommt der Frage, ob bei einer mündlich erteilten Anweisung besondere organisatorische Vorkehrungen gegen ein Vergessen zu treffen sind, grundsätzliche Bedeutung zu. Das Berufungsgericht stütze sich insoweit auf Entscheidungen, in denen der Rechtsanwalt ein Empfangsbekenntnis über die Urteilszustellung unterzeichnet und zurückgegeben, seine Bürokraft aber lediglich mündlich beauftragt hatte, das (für die Berechnung der Rechtsmittelfristen erforderli- che) Zustellungsdatum in den Handakten zu vermerken (BGH, Beschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435 unter II 1 a; vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01 - NJW 2002, 3782 unter II 1 a; vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688 unter II 2 a bb; BAG NJW 2003, 1269, 1270). Diese ausdrücklich von dem Grundsatz abweichenden Entscheidungen, dass sich ein Rechtsanwalt auf die Befolgung seiner Anweisungen verlassen dürfe, auch wenn sie mündlich erteilt werden, könnten nicht auf Fälle wie den vorliegenden übertragen werden, in denen es um eine - noch dazu erste - Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gehe. Eine solche Verlängerung könne noch am letzten Tag der zu verlängernden Frist beantragt werden, mithin an dem Tag, an dem die Handakte wegen des Fristablaufs ohnehin vorgelegt werde. Auch in einem Beschluss des BGH vom 11. Februar 1998 (XII ZB 184/97 - NJW-RR 1998, 787 unter II 2 a und c) sei eine mündliche Einzelanweisung , die sich auf den Weg der Beförderung eines derartigen Verlängerungsantrags an das zuständige Gericht bezog, als ausreichend angesehen worden. Zumindest müsse die Beschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden.
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- Der 2. vorliegende Fall bietet indessen unter keinem der nach § 574 Abs. 2 ZPO maßgebenden Gesichtspunkte Anlass zu einer Zulassung der Beschwerde. Vielmehr ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des den Klägern nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts mit Recht zurückgewiesen worden.
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- a) Die Rechtsprechung zur Notwendigkeit zusätzlicher organisatorischer Vorkehrungen gegen ein Vergessen nur mündlich erteilter Anweisungen ist nicht auf Fälle der Eintragung des Ablaufs einer Rechtsmittelfrist beschränkt. Zwar gilt sie nur für besonders wichtige Vorgänge; dazu ist aber auch die Absendung eines Schriftsatzes gerechnet worden, durch den die Berufungsbegründungsfrist gewahrt werden sollte (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR 2004, 1361 unter 2). Hier sollte diese Frist zwar noch nicht endgültig durch Vorlage der Berufungsbegründung eingehalten, sondern zunächst gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO verlängert werden. Voraussetzung dafür ist der Eingang des Verlängerungsantrags vor Fristablauf; ohne diesen kann die abgelaufene Frist nicht mehr verlängert werden (BGHZ 83, 217, 221 f.; 116, 377, 378 f.; BGH, Beschluss vom 10. Juni 2003 - VIII ZB 126/02 - NJW 2003, 3418 unter II 2 a.E.). Damit ist der rechtzeitige Eingang des Verlängerungsantrags bei Gericht nicht weniger wichtig als die richtige Berechnung des Fristendes.
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- b) Ungeachtet der vom Berufungsgericht vermissten organisatorischen Vorkehrungen gegen ein Vergessen der mündlich erteilten Weisung war die hier vorgetragene mündliche Verfügung des Anwalts schon aus sich heraus nicht hinreichend präzis. Aus dem Klägervorbringen ergibt sich nicht, ob die Anweisung einer bestimmten Bürokraft persönlich erteilt worden ist und ob dies etwa die Angestellte war, die das Ende der Berufungsbegründungsfrist falsch in den Kalender eingetragen und den Verlängerungsantrag erst am 1. Juni 2005 zur Unterschrift vorgelegt hat. Ihrer eidesstattlichen Versicherung ist über die vorgetragene mündliche Verfügung des Anwalts nichts zu entnehmen. Unklar bleibt weiter, welche Anforderungen der Anwalt hinsichtlich des Zeitpunkts der Vorlage des Verlängerungsantrags gestellt hat. Wenn er gesagt haben sollte, der Antrag solle entweder noch ihm selbst vor seiner am 19. Mai 2005 beginnenden Ortsabwesenheit zur Unterschrift vorgelegt werden oder aber seinem Vertreter in der Zeit seiner Abwesenheit vom 19.-30. Mai 2005, wäre durch die Einräumung eines so langen Spielraums für die Erledigung des Auftrags die Gefahr eines Vergessens gegenüber zahlreichen anderen Verpflichtungen der betreffenden Bürokraft stark erhöht worden. Eine solche Einzelweisung bietet keine hinreichende Gewähr dafür, dass eine Fristversäumung zuverlässig verhindert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - X ZB 20/98 - NJW 1999, 429 unter II 3).
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- c) Nach dem Klägervorbringen ist nicht ausgeschlossen, dass der Anwalt überhaupt nicht mehr verlangt hat als eine zeitlich von ihm nicht näher eingegrenzte Vorbereitung des Verlängerungsantrags. Wenn der Bürokraft nicht vorgegeben war, wann der Antrag zur Unterschrift vorgelegt werden sollte, hat der Anwalt die von ihm im Hinblick auf den Verlängerungsantrag als einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenverantwortlich wahrzunehmenden Pflichten versäumt, den Zeitpunkt des Fristablaufs zu überprüfen und die Einhaltung der Frist zu sichern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. März 2004 - IV ZB 41/03 - NJW-RR 2004, 1150 unter II; vom 19. Februar 1991 - VI ZB 2/91 - NJW-RR 1991, 827 unter II 2 b aa). Vielmehr blieb es der Bürokraft überlassen, wann sie den Verlängerungsantrag zur Unterschrift vorlegen würde. Diese wird sich auf die (fehlerhafte) Eintragung des Fristablaufs im Kalender verlassen haben. Für die Annahme, dass der Anwalt hier den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist selbst nicht kontrolliert hat, spricht der Umstand, dass er den Verlängerungsantrag noch am 1. Juni 2005 unterschrieben hat, also einen Tag nach Ablauf der Frist, und erst auf den Hinweis des Berufungsgerichts, dass die Frist versäumt sei, Wiedereinsetzung beantragt hat. Er hat gegenüber dem Berufungsgericht die unzutreffende Ansicht vertreten, ein Anwalt müsse bei Unterzeichnung eines solchen Verlängerungsantrags die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist nicht selbst überprüfen (Schriftsatz vom 11. Juli 2005 auf Seite 2).
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 11.03.2005 - 5 O 86/99 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.07.2005 - 3 U 20/05 -
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
(2) Die Verjährungsfrist des Anspruchs beginnt mit dem Erbfall.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.