Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2003 - III ZB 82/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Dem Beklagten wird wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 7. Juni 2002 - 29 C 1495/00 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Gründe
I.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 12. Juni 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat der Beklagte am 24. Juni 2002 Berufung eingelegt. Ein an das Amtsgericht adressierter und dort am 12. August 2002 eingegangener Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um zwei Wochen ging beim Berufungsgericht am 16. August 2002 ein. Nach Hinweis vom 19. August 2002 auf die Verfristung dieses Antrags beantragte der Be-
klagte am 2. September 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und be- gründete am gleichen Tag seine Berufung.
Das Berufungsgericht hat die Erteilung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat der Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf seinen rechtzeitigen Antrag ist ihm jedoch gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Damit wird der die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluß des Berufungsgerichts gegenstandslos.
a) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt, der durch anwaltliche Versicherung des Prozeßbevollmächtigten und eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwaltsfachangestellten J. glaubhaft gemacht worden ist: Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten diktierte am 12. August 2002 einen Fristverlängerungsantrag, der noch an demselben Tag per Telefax an das Gericht übersendet werden sollte. Die Antrags-
schrift wurde von dem Rechtsanwaltsfachangestellten J. gefertigt und dem Prozeßbevollmächtigten zur Unterschrift vorgelegt. Dem Prozeßbevollmächtigten fiel hierbei auf, daß als Adressat fälschlicherweise das Amtsgericht angeführt war. Daraufhin strich der Prozeßbevollmächtigte den Adressaten durch und setzte das Landgericht als richtigen Adressaten handschriftlich unter die Streichung. Den Schriftsatz unterzeichnete er sodann auf der zweiten Seite und gab dem Rechtsanwaltsfachangestellten die mündliche Weisung, den Adressaten - wie handschriftlich geschehen - zu ändern. Darüber hinaus wies er diesen an, ihm nach der ausgeführten Korrektur den Schriftsatz nochmals zum Gegenlesen vorzulegen. Entgegen dieser Anweisung unterließ der Rechtsanwaltsfachangestellte - eine seit drei Jahren bei dem Prozeßbevollmächtigten beschäftigte, geschulte und zuverlässige Bürokraft, die schriftliche und mündliche Anweisungen immer unverzüglich und fehlerfrei ausführte - die Korrektur und Wiedervorlage. Vielmehr druckte er die erste Seite des Schriftsatzes mit dem Fehler erneut aus und gab den Schriftsatz dann ohne Rücksprache der Bürovorsteherin zur Fristenkontrolle.
b) Das Berufungsgericht sieht ein dem Beklagten zuzurechnendes Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten darin, daß dieser einen als falsch adressiert erkannten Schriftsatz nach handschriftlicher Korrektur unterschrieben habe. Im Hinblick auf den Umstand, daß an diesem Tag die Berufungsbegründungsfrist abgelaufen sei, hätte er den falsch adressierten Schriftsatz vor der Korrektur entweder nicht unterzeichnen dürfen oder er hätte vor Tagesablauf bemerken müssen, daß ihm der Schriftsatz entgegen seiner Weisung nicht vorgelegt worden sei.
Damit werden die Anforderungen an die Sorgfalt eines Prozeßbevollmächtigten überspannt. Zwar trägt ein Anwalt die Verantwortung dafür, daß eine Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht. Insofern muß er sich - wie auch hier geschehen - bei deren Unterzeichnung davon überzeugen, daß sie zutreffend adressiert ist. Der Anwalt darf aber auf der anderen Seite grundsätzlich darauf vertrauen, daß ein Büroangestellter, der sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Ihn trifft unter solchen Umständen nicht die Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97 - NJW 1997, 1930; Senatsbeschluß vom 31. Oktober 2002 - III ZB 23/02 - Umdruck S. 5). Es kann ihm - wie der Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall entschieden hat - unter diesen Umständen auch nicht als Verschulden zugerechnet werden, daß er den Schriftsatz vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur unterzeichnet hat (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Februar 1982 - VIII ZB 76/81 - VersR 1982, 471). Dies gilt nicht nur für den Fall einer allgemein erteilten Weisung, wie mit zu korrigierenden Schriftstücken zu verfahren ist, sondern erst recht für eine auf einen speziellen Fall zugeschnittene Einzelweisung, wie sie hier erteilt worden ist.
c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Berufungsvorschriften kann ein Rechtsanwalt in aller Regel erwarten, daß seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn ein erheblicher Grund im Sinne des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO a.F. geltend gemacht wird (vgl. nur BGH, Beschluß vom 24. Oktober 1996 - VII ZB 25/96 - NJW 1997, 400). Für die Möglichkeit der Verlängerung nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO n.F. gilt insoweit
nichts anderes. Daß die Begründungsfrist bei rechtzeitiger Antragstellung – der Antrag wurde mit dem Jahresurlaub des sachbearbeitenden Rechtsanwalts begründet - verlängert worden wäre, ergibt sich ferner aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses und aus der anwaltlichen Versicherung des Prozeßbevollmächtigten , ihm sei am Morgen des 12. August 2002 auf telefonische Anfrage zugesagt worden, daß die erbetene Fristverlängerung gewährt werde. Da dem Fristverlängerungsantrag somit zu entsprechen gewesen wäre und die Berufungsbegründung innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt worden ist, kann der Senat selbst dem Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung erteilen.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.