Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2008 - III ZB 81/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Gegenstandswert: 112.484,21 €
Gründe:
I.
- 1
- Die Kläger nehmen den Beklagten auf Freistellung von einer auf ihrem Grundstück lastenden Grundschuld sowie auf Zahlung von 112.484,21 € zuzüglich Zinsen und einer Nebenleistung an die kreditierende Bank in Anspruch. Das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 9. Mai 2007 zugestellt worden. Hiergegen hat er am Montag, dem 11. Juni 2007, Berufung eingelegt. Unter dem 16. Juli 2007 hat die Vorsitzende des Berufungssenats die Parteien darauf hingewiesen, dass die Frist zur Berufungsbegründung am 9. Juli 2007 abgelaufen sei und eine Begründungsschrift bis dahin nicht eingegangen sei. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 26. Juli 2007 die Berufung begründet und gegen die Versäumung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt. Am 11. Juli 2007 sei er erkrankt gewesen. Auf den nochmaligen Hinweis des Berufungsgerichts, dass die Frist bereits am 9. Juli 2007 geendet habe, hat der Prozessbevollmächtigte vorgetragen, der Ablauf der Begründungsfrist sei von ihm im Fristenkalender fälschlich unter dem 11. Juli 2007, berechnet von der Einlegung der Berufung an, notiert worden. Dieser Fehler sei auf seinen desolaten Gesundheitszustand zurückzuführen, in dem er sich seit etwa Anfang 2007 befunden habe, nämlich totale Überlastung und Erschöpfung in Verbindung mit nachhaltigen Depressionen. Er habe versucht , dem Zustand mit Medikamenten zu begegnen, bei denen sich kürzlich herausgestellt habe, dass sie wohl zu stark dosiert gewesen seien. Die massive Beeinträchtigung werde ihm erst jetzt so recht klar. Anders als durch die besagte gesundheitliche Beeinträchtigung sei der Fehler nicht zu erklären, da er sich die Fristberechnung bei einer Berufung nach der Rechtsänderung zum 1. Januar 2002 quasi "an den Füßen abgelaufen" und sie x-mal richtig praktiziert habe. Seit dem 1. Dezember 2006 habe ihm seine Rechtsanwaltsfachangestellte nicht zur Verfügung gestanden und er habe auch den Kanzleibetrieb selbst erledigen müssen. Die Richtigkeit dieser Tatsachen hat der Rechtsanwalt anwaltlich versichert.
- 2
- Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Es hat dem Rechtsanwalt angelastet, keine hinreichenden Vorkehrungen für den Fall einer Beeinträchtigung seiner Arbeitskraft durch die ihm bewusste Erkrankung getroffen zu haben. Hiergegen richtet sich die vom Beklagten eingelegte Rechtsbeschwerde.
II.
- 3
- Das Rechtsmittel ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft, jedoch aus anderen Gründen unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Rechtsbeschwerde beruht die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verkennung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumnissen infolge einer Erkrankung des Prozessbevollmächtigten. Sie verletzt auch nicht das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) oder auf gleichmäßigen Zugang zur Rechtsmittelinstanz (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG).
- 4
- die Auf Frage, welche Vorkehrungen der Rechtsanwalt, dessen Verschulden sich die Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, im Allgemeinen für den Fall seiner Erkrankung zu treffen hat, kommt es nicht an. Abweichend von der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 1998 (X ZR 181/98 - NJW-RR 1999, 936 = VersR 2000, 252) zugrunde liegenden Fallgestaltung, auf den die Rechtsbeschwerde verweist, ist im vorliegenden Fall bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Fehler des Anwalts bei der Eintragung des Fristendes für die Berufungsbegründung zum 11. Juli 2007 statt dem 9. Juli 2007 auf seine Erkrankung zurückzuführen ist. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten schließt dies lediglich aus dem Umstand, dass er die Berufungsbegründungsfristen in zahlreichen anderen Fällen seit dem 1. Januar 2002 richtig berechnet habe. Das lässt die Möglichkeit einer ein- zelnen - gleichwohl schuldhaften - Unaufmerksamkeit, wie sie jedem auch ohne Erkrankung begegnen kann, nicht entfallen, gerade weil der Rechtsanwalt nach seinem eigenen Vorbringen trotz schon länger andauernder Erkrankung im Übrigen zu einer einwandfreien Fristberechnung in der Lage gewesen war. Dass sich sein Zustand um den 11. Juni 2007 besonders verschlechtert hätte, wird nicht geltend gemacht.
- 5
- Davon abgesehen ist auch nicht ersichtlich, dass der Anwalt seinen weiteren Pflichten zu einer Fristenkontrolle in dem erforderlichen Umfang nachgekommen wäre. Der Rechtsanwalt muss nicht nur das Fristende, sondern auch eine Vorfrist notieren oder notieren lassen (siehe nur BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - NJW 2000, 365, 366; Beschluss vom 25. September 2003 - V ZB 17/03 - FamRZ 2004, 100). Er hat Anlass zu prüfen , ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten ist, wenn ihm die Akten auf Vorfrist (oder sonst im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung) vorgelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1999 - IX ZB 32/99 - NJW 1999, 2680; Beschluss vom 5. Oktober 1999 aaO; Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 69/07 - NJW 2008, 854 f Rn. 12 m.w.N.). Bei der notwendigen Einsicht in die Handakte spätestens am Freitag, dem 6. Juli 2007 - und sogar noch am Montag, dem 9. Juli 2007 - hätte dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten aber auffallen müssen, dass die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung versehentlich für den 11. Juli 2007 eingetragen war. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine solche Überprüfung infolge der Erkrankung des Rechtsanwalts unmöglich gewesen wäre.
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 02.05.2007 - 10 O 4521/06 -
OLG München, Entscheidung vom 13.08.2007 - 20 U 3428/07 -
moreResultsText
Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.