Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2007 - III ZB 73/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.257 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Beklagten ist zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO erfüllt sind. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes , weil das Berufungsgericht die Glaubhaftmachung der Tatsachen für die beantragte Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist ohne hinreichende Auseinandersetzung mit den von der Beklagten vorgetragenen Umständen verneint und damit die Grenzen tatrichterlicher Würdigung überschritten hat. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).
- 2
- 1. Die Umstände für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind glaubhaft gemacht, wenn die zur Glaubhaftmachung vorgelegte eidesstattliche Versicherung (§ 234 ZPO) eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für den in ihr dargestellten Sachverhalt ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2002 - VII ZB 32/01 - NJW 2002, 1429 f).
- 3
- Das Berufungsgericht hat die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuches der Beklagten wegen mangelnder Glaubhaftmachung insbesondere damit begründet, dass die Angaben der Mitarbeiterin ihres Prozessbevollmächtigten in der eidesstattlichen Versicherung nicht mit dem beigelegten Journalausdruck des Faxgerätes in Übereinstimmung zu bringen sind. Dabei hat es sich rechtsfehlerhaft nicht mit dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch auseinandergesetzt, dass die fünf fehlgeschlagenen Übermittlungsversuche in dem mit dem Gesuch vorgelegten Faxjournal in der fraglichen Zeit dadurch dokumentiert seien, dass die für einen Sendeauftrag vergebenen fortlaufenden Nummerierungen des Faxgerätes zwischen # 451 und # 456 fehlen. Wenn dieses Vorbringen den technischen Gegebenheiten entsprechen sollte und das Faxgerät weiterhin - wie mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht - bei Anwahlversuchen, bei denen es zu einer Verbindung mit der Gegenseite nicht gekommen ist, keinen Sendebericht ausdruckt, konnte das Berufungsgericht nicht zur Grundlage seiner Beurteilung der Glaubhaftmachung der zur Wiedereinsetzung vorgetragenen Tatsachen machen, dass weitere Journalausdrucke oder Faxsendeberichte von der Beklagten nicht vorgelegt wurden.
- 4
- 2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Insbesondere kann der Beklagten nicht entgegengehalten werden, dass sie mit der Faxübermittlung bis 9 Minuten vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zugewartet hat, denn Fristen können voll ausgenutzt werden (vgl. BVerfGE 69, 381, 385). Mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer ist das Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn so rechtzeitig mit der Faxübermittlung begonnen wird, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24.00 Uhr zu rechnen ist (BVerfG NJW 1996, 2857). Davon ist hier auszugehen, da die Faxübermittlung am Folgetag lediglich 1 Minute 33 Sekunden gedauert hat und die Übermittlung nach den Angaben in der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht daran gescheitert ist, dass die Telefonleitung besetzt war.
- 5
- 3. Der Senat ist an einer eigenen Entscheidung gehindert (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird erneut zu prüfen haben, ob die eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für die unverschuldete Säumnis der Berufungsbegründungsfrist ergibt. Hierbei wird das Berufungsgericht genauer in den Blick zu nehmen haben, ob die von der Beklagten behaupteten Funktionen des Faxgerätes ihres Prozessbevollmächtigten zutreffen und ob die Feststellungen zur Funktionstüchtigkeit der Faxgeräte des Landgerichtes hin- reichenden Anlass geben, die Richtigkeit der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung in Zweifel zu ziehen.
Herrmann Wöstmann
Vorinstanzen:
AG Nürtingen, Entscheidung vom 03.04.2007 - 16 C 2084/06 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 08.08.2007 - 13 S 98/07 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.