Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2000 - III ZB 33/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im Umfang der durch den Beschluß der 13. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. April 1998 ausgesprochenen Verweisung ist der ordentliche Rechtsweg zulässig.
Die Sache wird an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen , dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerde - und des weiteren Beschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt; jedoch werden Gerichtskosten insoweit nicht erhoben.
Der Streitwert für das Beschwerde- und das weitere Beschwerdeverfahren wird auf 2.160 DM festgesetzt (1/3 des Hauptsachewerts ; vgl. Senatsbeschluß vom 19. Dezember 1996 - III ZB 105/96 = BGHR GVG § 17 a Streitwert 1 = NJW 1998, 909 f).
Gründe
I.
Der Kläger erhob gegen den beklagten Zweckverband für Wasserversorgung , eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, Klage zum Amtsgericht Cham mit den Anträgen:
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einwandfreies und gesundes Leitungswasser zu liefern;
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 6.480 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Den Schadensersatzanspruch begründete er damit, daß der Beklagte das zwischen ihnen bestehende öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis verletzt habe.
Durch Beschluß vom 1. Juli 1997 erklärte das Amtsgericht den ordentlichen Rechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Regensburg. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht stützte der Kläger seinen Schadensersatzanspruch zusätzlich auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Daraufhin trennte das Verwaltungsgericht das Verfahren, soweit es die Lieferung von einwandfreiem Trinkwasser betraf, ab, erklärte hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs durch Beschluß vom 20. April 1998 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit insoweit an das Landgericht Regens-
burg. Dieses verwies durch Beschluß vom 21. August 1998 die Sache an das Verwaltungsgericht mit der Begründung zurück, dessen Verweisungsbeschluß könne keine Bindungswirkung entfalten, da das Verwaltungsgericht seinerseits an die frühere Verweisung durch das Amtsgericht Cham gebunden gewesen sei.
Gegen den Beschluß des Landgerichts legte der Kläger sofortige Beschwerde ein. Auf einen entsprechenden Antrag des Klägers legte das Oberlandesgericht die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach §§ 36, 37 ZPO vor. Mit Beschluß vom 15. März 1999 lehnte das Bayerische Oberste Landesgericht es ab, eine Entscheidung über die Zuständigkeit zu erlassen, und gab die Sache zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht zurück. Dieses wies durch Beschluß vom 2. Juni 1999 die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Landgerichts Regensburg zurück. Mit der zugelassenen weiteren sofortigen Beschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Aufhebung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Regensburg weiter.
II.
Die weitere sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 17 a Abs. 4 Satz 3-6 GVG i.V.m. §§ 567 Abs. 4 Satz¸2, 577 ZPO) und auch begründet. Für den Rechtsstreit ist in dem hier in Rede stehenden Umfang der ordentliche Rechtsweg eröffnet, da der Verweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichts Regensburg für die ordentlichen Gerichte bindend ist.1. Allerdings ist beiden Vorinstanzen im rechtlichen Ausgangspunkt darin zuzustimmen, daß jener Rückverweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichts gesetzwidrig gewesen ist. Das Verwaltungsgericht war nämlich seinerseits an den ursprünglichen Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Cham gebunden (§ 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG). Diese Bindungswirkung entfiel nicht etwa deswegen , weil der Kläger im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht seinen Schadensersatzanspruch zusätzlich auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung gestützt hatte. Zwar war die Prüfung dieses Anspruchs dem Verwaltungsgericht verwehrt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 GVG); dies änderte aber nichts daran , daß es berufen blieb, den Rechtsstreit unter allen übrigen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere demjenigen eines Schadensersatzanspruchs aus dem zwischen den Parteien bestehenden öffentlich -rechtlichen Schuldverhältnis, zu entscheiden (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG).
2. Indessen ist der Rückverweisungsbeschluß von keiner der Parteien angefochten worden und dementsprechend in Rechtskraft erwachsen. Dies hat die Konsequenz, daß er nunmehr seinerseits die Bindungswirkung nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG zu Lasten der ordentlichen Gerichte entfaltete. Zwar wird im wissenschaftlichen Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, daß eine Rückverweisung nicht bindend sei, wenn in einen Rechtsweg zurückverwiesen werde, der bereits rechtskräftig für unzulässig erklärt worden sei. In einem solchen Falle finde die Bestimmung des zuständigen Gerichts analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statt (Meyer-Ladewig, SGG 6. Aufl. 1998 § 51 Rn. 59; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 58. Aufl. 2000 § 17 a GVG Rn. 8). Dieser Auffassung vermag sich der Senat indessen nicht anzuschließen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß das Verfahren der Rechtswegverweisung in §§ 17 a, 17 b GVG abschließend geregelt ist (vgl. zum Vorrang der
Rechtswegverweisung in § 17 a GVG vor einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch: BGH, Beschluß vom 24. März 1994 - X ARZ 902/93 = NJW 1994, 2032). Abgesehen davon, daß die Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auf einen negativen Kompetenzkonflikt von Gerichten innerhalb desselben Gerichtszweiges zugeschnitten ist und deshalb bereits zweifelhaft ist, ob sie überhaupt auf einen Konflikt zwischen Gerichten verschiedener Rechtswege paßt, betrifft sie lediglich die Fälle, in denen sich die betreffenden Gerichte rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Daraus ist zu folgern, daß dann, wenn die Unzuständigerklärung anfechtbar ist, die Entscheidung über ein eingelegtes Rechtsmittel den Vorrang vor einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO haben muß. In diesem Sinne hat auch das Bayerische Oberste Landesgericht im vorliegenden Verfahren mit Recht entschieden.
3. Die Bindungswirkung besteht auch bei gesetzwidrigen Verweisungen (Zöller/Gummer, ZPO 21. Aufl. 1999 § 17 a GVG Rn. 13; Musielak/Wittschier, ZPO, 1999, § 17 a GVG Rn. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO; jew. m.w.N.). Dafür ist die Art des Rechtsfehlers, auf dem die Gesetzwidrigkeit beruht, grundsätzlich unerheblich. Insoweit bestehen Berührungspunkte mit dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere des Senats , hervorgehobenen Grundsatz, daß sich die Rechtskraft einer auf ein unzulässiges Rechtsmittel ergangenen Sachentscheidung gegenüber der Unzulässigkeit durchsetzt; dies gilt sogar bei absoluten Verfahrensmängeln (Senatsurteil vom 30. November 1995 - III ZR 240/94 = BGHR ZPO § 559 Abs. 2 Verfahrensmangel, absoluter 5 = NJW 1996, 527 f). Auf den vorliegenden Fall übertragen, bedeutet dies, daß die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen
Rückverweisungsbeschlusses den Vorrang vor der Bindungswirkung der durch das Amtsgericht ausgesprochenen Ursprungsverweisung hat.
4. Der hier zu beurteilende Fall gibt keinen Anlaß zur Klärung der Frage, ob - auch im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - etwas anderes gilt, wenn die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen sich so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, daß sie nicht mehr zu rechtfertigen ist, wenn sie also objektiv oder auch verfahrensrechtlich willkürlich zustande gekommen ist (vgl. Zöller/Gummer aaO m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hatte seine Entscheidung im wesentlichen auf die Erwägung gestützt, die Ursprungsverweisung entfalte deswegen keine Bindungswirkung, weil sie den Anspruch aus Amtspflichtverletzung überhaupt nicht betroffen habe. Deswegen eröffne die Rückverweisung dem ordentlichen Gericht die Möglichkeit, den streitigen Schadensersatzanspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, einschließlich der Amtshaftung, zu entscheiden. Damit wird zwar der Umfang der Bindungswirkung verkannt; andererseits können die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht als völlig sachfremd oder gar willkürlich angesehen werden.
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Annotations
(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.
(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.
(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.