Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2008 - III ZB 22/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Streitwert: 4.173 €
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht Hannover verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 4.173 € an die Klägerin. Die Entscheidung wurde seinem Prozessbevollmächtigten am 22. November 2007 zugestellt. Dieser legte mit an das Landgericht Hannover - Berufungskammer - gerichtetem Schriftsatz von Samstag, dem 22. Dezember 2007, im Auftrag des Beklagten Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil ein. Infolge eines Eingabefehlers wurde der Schriftsatz jedoch per Telefax nicht an das Land-, sondern an das Amtsgericht Hannover versandt , wo er am 22. Dezember 2007 einging. Montag, der 24. Dezember 2007 war beim Amtsgericht dienstfrei. Deshalb blieb der Schriftsatz dort liegen und wurde erst nach den Weihnachtsfeiertagen am 27. Dezember 2007 an das Landgericht Hannover weitergeleitet, wo er am selben Tage einging.
- 2
- Nachdem der Vorsitzende der Berufungskammer den Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit Verfügung vom 8. Januar 2008 auf die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels hingewiesen hatte, hat dieser am 18. Januar 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, die Berufung erneut eingelegt und zugleich begründet.
- 3
- Mit Beschluss vom 18. Februar 2008 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen und seine Berufung gegen das angefochtene Urteil verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Allerdings ist das Rechtsmittel im Übrigen nicht zulässig. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 5
- Insbesondere ist dem Beklagten durch die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags und die Verwerfung seiner Berufung nicht der Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert worden (vgl.
- 6
- 1. Der Beklagte hat, wie er nicht in Abrede stellt, die einmonatige Frist zur Einlegung der Berufung (§ 517 ZPO) versäumt, da die Berufungsschrift auch unter Berücksichtigung von § 222 Abs. 2 ZPO erst nach Ablauf dieses Zeitraums beim Berufungsgericht einging.
- 7
- 2. Entgegen der Auffassung des Beklagten war ihm auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Eine Partei kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen, wenn sie ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO).
- 8
- a) Wie die Beschwerde selbst nicht in Zweifel zieht, beruht die versehentliche Übersendung des Berufungsschriftsatzes an das Amts- statt an das Landgericht auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten.
- 9
- Der b) zur Versäumung der Berufungsfrist führende Kausalverlauf ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht durch einen Fehler der Justizbehörden unterbrochen worden (vgl. hierzu z.B. BVerfGE 93, 99, 115 f; BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 75/03 - NJW-RR 2004, 1655, 1656). Zwar ist das vorbefasste Gericht aufgrund der einem Verfahren nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten, einen vor Fristablauf bei ihm eingehenden, aber ersichtlich für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz an dieses weiterzuleiten. Wird eine Rechtsmittelfrist versäumt, obwohl der Schriftsatz so zeitig bei dem vorbefassten unzuständigen Gericht einging, dass die rechtzeitige Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht noch ohne weiteres erwartet werden konnte, hat dieses auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (BVerfGE aaO, S. 114 ff; BVerfG NJW 2005, 2137, 2138; BGH aaO). Jedoch darf sich die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung bei gerichtlicher Fürsorge von Verfassungs wegen geboten ist, nicht nur an dem Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 aaO und Beschluss vom 5. Oktober 2005 - VIII ZB 125/04 - NJW 2005, 3776, 3777). Aus diesem Grunde ist das unzuständige Gericht, bei dem fehlerhaft ein Rechtsmittelschriftsatz eingegangen ist, nur gehalten, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Gericht weiterzuleiten (BVerfG NJW 2005 aaO; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005 aaO und Beschluss vom 15. Juni 2004 aaO).
- 10
- Hiernach war das Amtsgericht Hannover nicht verpflichtet, die Berufungsschrift noch am 24. Dezember 2007 an das Landgericht weiterzuleiten, und der Prozessbevollmächtigte des Beklagten durfte hierauf nicht vertrauen. Eine solche Maßnahme hätte außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs gelegen , da der 24. Dezember 2007 ein arbeitsfreier Tag war. Auch wenn der 24. Dezember kein gesetzlicher Feiertag ist, ist er nach § 2 Abs. 3 der Niedersächsischen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten vom 6. Dezember 1996 (Arbeitszeitverordnung - GVBl. S. 476) und gemäß § 6 Abs. 3 Tv-L dienst- beziehungsweise arbeitsfrei. Auf diese Regelungen musste das Amtsgericht seine Geschäftsorganisation einrichten. Auch der Prozessbevollmächtigte des Beklagten konnte und musste sich hierauf einstellen.
Harsdorf-Gebhardt Hucke
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 14.11.2007 - 512 C 8825/07 -
LG Hannover, Entscheidung vom 18.02.2008 - 8 S 94/07 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.