Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2006 - III ZB 110/05

published on 26/01/2006 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2006 - III ZB 110/05
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Landgericht Düsseldorf, 35 O 147/04, 10/05/2005
Oberlandesgericht Düsseldorf, 5 U 66/05, 19/07/2005

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 110/05
vom
26. Januar 2006
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Juli 2005 - I-5 U 66/05 - aufgehoben.
Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Berufung gegen das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2005 - 35 O 147/04 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Sache wird zur Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgericht zurückgewiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 21 GKG).
Beschwerdewert: 58.725 €

Gründe:


I.


1
Die Beklagte wurde durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf zur Zahlung von 58.725 € nebst Zinsen verurteilt. Gegen das ihr am 13. Mai 2005 zugestellte Urteil legte sie mit Schriftsatz vom 13. Juni 2005, beim Oberlandesgericht eingegangen am Dienstag, dem 14. Juni 2005, Berufung ein. Mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch vom 22. Juni 2005 hat die Beklagte vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsschrift am 13. Juni 2005 unterschrieben und seiner Büroangestellten den Auftrag erteilt, den Schriftsatz per Telefax noch am Vormittag des Tages vorab an das Oberlandesgericht zu übermitteln und bei etwaigen Übertragungsproblemen unverzüglich den mandatsführenden Rechtsanwalt zu unterrichten. Die Angestellte habe die Versendung per Telefax jedoch vergessen.
2
Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei nicht ohne Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gehindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Der Anwalt sei gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen. Im vorliegenden Fall sei nicht sichergestellt gewesen, dass die Berufungsfristen erst dann gelöscht wurden, wenn der Schriftsatz die Kanzlei so verlassen habe, dass er unter normalen Umständen rechtzeitig bei Gericht eingehe. Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes komme der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen Mitarbeitern die Weisung erteile, auf der Grundlage des Einzelnachweises zu prüfen, ob der Schriftsatz ordnungsgemäß übermittelt wurde und erst nach dieser Kontrolle die entsprechende Notfrist zu löschen. Eine solche Anweisung werde nicht behauptet.

II.


3
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
4
Das Rechtsmittel ist auch begründet. An der Versäumung der Berufungsfrist trifft den Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach dem glaubhaft gemachten Geschehensablauf kein Verschulden (§ 233 ZPO), das diese sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste. Hiernach hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seiner Rechtsanwaltsfachangestellten K. eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei ihrer Befolgung die Einhaltung der Frist gewährleistet hätte. Auf die Beachtung der Weisung durch Frau K. , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hatte, durfte sich der Rechtsanwalt verlassen. Die vom Berufungsgericht vermisste allgemeine Ausgangskontrolle bei Telefaxschreiben ist in Fällen konkreter Einzelanweisungen, deren Befolgung - wie hier - eine Fristwahrung sichergestellt hätte, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht maßgebend (Beschluss vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97 - NJW 1997, 1930; Beschluss vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823; Beschluss vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - NJW-RR 2002, 1289; Beschluss vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - NJW-RR 2004, 711, 712). Die Erteilung einer klaren und präzisen Anweisung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR 2004, 1361, 1362) steht im vorliegenden Fall nicht in Frage. Ebenso wenig bestehen sonstige Bedenken gegen die beantragte Wiedereinsetzung.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.05.2005 - 35 O 147/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.07.2005 - I-5 U 66/05 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder
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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

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Annotations

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.