Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2005 - II ZR 80/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Die Revision des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg, und die Voraussetzungen für deren Zulassung liegen nicht vor.
- 2
- Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das seine Klage abweisende Urteil des Landgerichts jedenfalls im Endergebnis mit Recht zurückgewiesen, ohne dass ein entscheidungserheblicher Zulassungsgrund i.S. des § 543 ZPO vorgelegen hätte.
- 3
- I. Das Berufungsgericht hat zwar seine Entscheidung auch damit begründet , dass eine Haftung der beklagten Aktiengesellschaft für von ihrem ehemaligen Vorstand durch falsche Ad-hoc-Mitteilungen über die Umsatzzahlen des Unternehmens begangene sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§§ 826, 31 BGB) aufgrund des als vorrangig zu erachtenden Kapitalerhaltungsgrundsatzes des § 57 AktG ausgeschlossen sei, und insoweit die Revision zugelassen. Mit dieser Erwägung könnte allerdings - wäre sie entscheidungserheblich - das Berufungsurteil keinen Bestand haben, weil der Senat nach dessen Erlass zwischenzeitlich durch Urteil vom 9. Mai 2005 (II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270 - EMTV) die betreffende Grundsatzfrage anders als das Berufungsgericht entschieden hat, nämlich dahingehend, dass in einem derartigen Fall die (gesamtschuldnerische ) Haftung der Aktiengesellschaft auf Naturalrestitution als Form des Schadensausgleichs nicht durch die besonderen aktienrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften über das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 AktG) und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien (§ 71 AktG) begrenzt oder gar ausgeschlossen ist.
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- II. Die von der Senatsrechtsprechung nunmehr abweichende Begründung des Berufungsgerichts erfordert jedoch keine Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 2. Variante ZPO), weil sich das Berufungsurteil auf der Grundlage anderweitig getroffener Feststellungen im Ergebnis als richtig erweist und es daher auf die unrichtige divergierende Ansicht des Berufungsgerichts zu § 57 AktG nicht entscheidungserheblich ankommt.
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- Eine Schadensersatzhaftung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden B. S. aus § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung, für die die Beklagte nach § 31 BGB einzustehen hätte, scheitert hier daran, dass der Kläger den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen den vorsätzlich falschen Ad-hoc-Mitteilungen des B. S. über die Umsatzzahlen des Unternehmens und seinen individuellen Entschlüssen hinsichtlich der von ihm am 14. November 2001, 18. Februar 2002, 8. März 2002 und 19. März 2002 jeweils auf dem Sekundärmarkt erworbenen Aktien der Beklagten nicht hinreichend dargelegt, geschweige denn bewiesen hat (vgl. zu diesem Erfordernis : BGHZ 160, 134, 143, 147 - Infomatec).
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- 1. Hinsichtlich der beiden letzten Aktienkäufe des Klägers vom März 2002 hat das Berufungsgericht zutreffend eine Kausalität der vorsätzlichen, grob unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden S. für die Kaufentschlüsse des Klägers deshalb verneint, weil ihm jedenfalls zu diesen Zeitpunkten bereits bekannt war, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. ihr Prüfmandat im Hinblick auf die nicht ermittelbare Existenz des - von S. frei erfundenen - Hauptgeschäftspartners aus H. sowie eines weiteren spanischen Geschäftspartners der Beklagten niedergelegt hatte; dabei hatte die Beklagte selbst in einer Ad-hoc-Mitteilung die beiden Sachverhalte als potentiell umsatz- und ergebnisrelevant im Hinblick auf den Jahresabschluss 2001 bezeichnet. Daraus hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich einwandfreier tatrichterlicher Würdigung gefolgert, dass die vom Kläger gleichwohl in einer solchen Phase der Unsicherheit getroffenen Kaufentscheidungen ein so hohes Maß an spekulativen Momenten aufgewiesen hätten, dass andere Motive in den Hintergrund getreten seien. Soweit die Revision dies mit der Behauptung angreift, die diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts beruhten auf einer selektiven, unausgewogenen Auswertung des Prozessstoffs, ist dies unzutreffend; der Kläger versucht damit lediglich in unzulässiger Weise, seine eigene Auffassung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung zu setzen.
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- 2. Auch hinsichtlich der beiden Aktienkäufe des Klägers vom 14. November 2001 und vom 18. Februar 2002 lässt sich auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen der nach der Senatsrechtsprechung im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB erforderliche Kausalzusammenhang zwischen den vorsätzlich falschen Ad-hoc-Mitteilungen des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten und den zum Schaden führenden individuellen Willensentschließungen des Klägers - anders als das Berufungsgericht insoweit gemeint hat - nicht begründen.
- 8
- a) Der Kläger hat sich ausdrücklich nicht darauf berufen, aufgrund einzelner bestimmter Ad-hoc-Mitteilungen der Beklagten seine Kaufentscheidungen getroffen zu haben.
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- b) Ihm kommen auch nicht die Grundsätze des Anscheinsbeweises zugute , weil nach der Senatsrechtsprechung der Kaufentschluss regelmäßig - so auch hier - Folge einer individuellen Willensentscheidung ist und sich damit einer typisierenden Betrachtung entzieht (Senat aaO 144 ff.). Ob durch eine Ad-hoc-Mitteilung eine besondere Anlagestimmung für den Erwerb von Aktien hervorgerufen worden ist und wie lange sie gegebenenfalls gedauert hat, ist eine Frage des Einzelfalls.
- 10
- Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass es hier an einer allgemeinen oder gegenüber anderen Aktien ausgesprochen "positiven Anlagestimmung" für die Aktien der Beklagten gefehlt habe, weil deren Kurse im November 2001 und im Februar 2002 - entsprechend der allgemeinen Kursentwicklung an den Börsenmärkten zu jener Zeit - sogar gesunken seien. Kommt dem Kläger mithin nicht einmal der Gesichtspunkt einer positiven Anlagestimmung im Sinne einer Darlegungs- und Beweiserleichterung zugute, so reicht angesichts der vielfältigen kursbeeinflussenden Faktoren auf dem Kapitalmarkt einerseits und der Uneinheitlichkeit der individuellen Willensentscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer andererseits das - vom Berufungsgericht für maßgeblich erachtete - angebliche Vertrauen des Klägers in die „Richtigkeit allgemeiner Informationen über die Beklagte“ und sein „Glaube an die wirtschaftliche Substanz und den langfristigen Erfolg eines Unternehmens" ersichtlich erst recht nicht für eine Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises zugunsten des Klägers aus.
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- Letztlich liefe die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht darauf hinaus, im Rahmen des § 826 BGB auf den Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen der Täuschung und der Willensentscheidung des Anlegers zu verzichten und stattdessen - in Anlehnung an die sog. fraud-on-themarket -theory des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts - an das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung anzuknüpfen. Diesem Denkansatz, der zu einer uferlosen Ausweitung des ohnehin offenen Haftungstatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auf diesem Gebiet führen würde, ist der Senat in seiner bisherigen kapitalmarktrechtlichen Rechtsprechung zu den fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen in Bezug auf die haftungsbegründende Kausalität (vgl. BGHZ 160, 134 - Infomatec; Urt. v. 9. Mai 2005 - II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270 - EMTV) nicht gefolgt; hieran hält er fest.
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- 3. Soweit in der fehlerhaften Begründung des - vor der InfomatecEntscheidung des Senats ergangenen - Berufungsurteils zum Anscheinsbeweis nicht lediglich eine tatrichterliche Fehlbeurteilung zu sehen sein sollte, wäre gleichwohl eine Senatsentscheidung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 2 2. Variante ZPO nicht veranlasst, weil die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch den Argumentationsfehler der - im Endergebnis richtigen - angefochtenen Entscheidung nicht beeinträchtigt wäre. Es ist nämlich nicht zu erwarten, dass das Berufungsgericht oder andere Oberlandesgerichte die nach Erlass des Berufungsurteils ergangene Grundsatzrechtsprechung des Senats künftig nicht beachten werden.
Strohn Reichart
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.06.2003 - 3 O 12098/02 -
OLG München, Entscheidung vom 16.03.2004 - 18 U 3910/03 -
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Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
(1) Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Als Rückgewähr gilt nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Aktionärsdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Aktionärsdarlehen wirtschaftlich entsprechen.
(2) Den Aktionären dürfen Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden.
(3) Vor Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden.
(1) Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben,
- 1.
wenn der Erwerb notwendig ist, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, - 2.
wenn die Aktien Personen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen stehen oder standen, zum Erwerb angeboten werden sollen, - 3.
wenn der Erwerb geschieht, um Aktionäre nach § 305 Abs. 2, § 320b oder nach § 29 Abs. 1, § 125 Satz 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1, § 207 Abs. 1 Satz 1, § 313 Absatz 1, auch in Verbindung mit § 327, oder § 340 Absatz 1 des Umwandlungsgesetzes abzufinden, - 4.
wenn der Erwerb unentgeltlich geschieht oder ein Kreditinstitut oder Wertpapierinstitut mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt, - 5.
durch Gesamtrechtsnachfolge, - 6.
auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals, - 7.
wenn sie ein Kreditinstitut, ein Finanzdienstleistungsinstitut, ein Wertpapierinstitut oder ein Finanzunternehmen ist, aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zum Zwecke des Wertpapierhandels. Der Beschluß muß bestimmen, daß der Handelsbestand der zu diesem Zweck zu erwerbenden Aktien fünf vom Hundert des Grundkapitals am Ende jeden Tages nicht übersteigen darf; er muß den niedrigsten und höchsten Gegenwert festlegen. Die Ermächtigung darf höchstens fünf Jahre gelten; oder - 8.
aufgrund einer höchstens fünf Jahre geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung, die den niedrigsten und höchsten Gegenwert sowie den Anteil am Grundkapital, der zehn vom Hundert nicht übersteigen darf, festlegt. Als Zweck ist der Handel in eigenen Aktien ausgeschlossen. § 53a ist auf Erwerb und Veräußerung anzuwenden. Erwerb und Veräußerung über die Börse genügen dem. Eine andere Veräußerung kann die Hauptversammlung beschließen; § 186 Abs. 3, 4 und § 193 Abs. 2 Nr. 4 sind in diesem Fall entsprechend anzuwenden. Die Hauptversammlung kann den Vorstand ermächtigen, die eigenen Aktien ohne weiteren Hauptversammlungsbeschluß einzuziehen.
(2) Auf die zu den Zwecken nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3, 7 und 8 erworbenen Aktien dürfen zusammen mit anderen Aktien der Gesellschaft, welche die Gesellschaft bereits erworben hat und noch besitzt, nicht mehr als zehn vom Hundert des Grundkapitals entfallen. Dieser Erwerb ist ferner nur zulässig, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Aktionäre verwandt werden darf. In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 4, 7 und 8 ist der Erwerb nur zulässig, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag voll geleistet ist.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 8 hat der Vorstand die nächste Hauptversammlung über die Gründe und den Zweck des Erwerbs, über die Zahl der erworbenen Aktien und den auf sie entfallenden Betrag des Grundkapitals, über deren Anteil am Grundkapital sowie über den Gegenwert der Aktien zu unterrichten. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 sind die Aktien innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb an die Arbeitnehmer auszugeben.
(4) Ein Verstoß gegen die Absätze 1 oder 2 macht den Erwerb eigener Aktien nicht unwirksam. Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist jedoch nichtig, soweit der Erwerb gegen die Absätze 1 oder 2 verstößt.
(1) Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Als Rückgewähr gilt nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Aktionärsdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Aktionärsdarlehen wirtschaftlich entsprechen.
(2) Den Aktionären dürfen Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden.
(3) Vor Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.