Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2007 - II ZR 262/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
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- Zwar hat es zutreffend angenommen, dass der - insoweit darlegungsund beweispflichtige (BGHZ 126, 181, 200) - Kläger die Voraussetzungen einer Überschuldung in der Zeit ab dem 16. Februar 2001 schlüssig dargelegt habe (vgl. Sen.Urt. v. 7. März 2005 - II ZR 138/03, ZIP 2005, 807). Er hat sich nämlich entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht darauf beschränkt, lediglich die vorläufige Handelsbilanz zum 31. Dezember 2000 vorzutragen, sondern hat auch die insolvenzrechtlich bedeutsamen Abweichungen mitgeteilt, nämlich den Liquidationswert der beiden Grundstücke i.H.v. zusammen nur 3.581 TDM - im Gegensatz zu 6.637 TDM in der Handelsbilanz.
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- Das Berufungsgericht hat aber den Vortrag der Beklagten zu den anzusetzenden Werten nicht beachtet und damit in entscheidungserheblicher Weise gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen. Nach diesem Vortrag, der für das drittinstanzliche Verfahren als wahr zu unterstellen ist, liegen die Voraussetzungen einer Überschuldung nicht vor. Es bestanden danach nämlich bezüglich der Grundstücke in H. und W. stille Reserven i.H.v. zusammen 3.000 TDM. Diese Grundstücke sind nach dem Vortrag der Beklagten in einem Überschuldungsstatus daher mit dem Buchwert von 6.637 TDM zuzüglich der stillen Reserven, zusammen also mit 9.637 TDM zu bewerten. Mit den übrigen Aktiva ergibt sich damit ein Aktivvermögen nach Liquidationswerten i.H.v. 16.089 TDM. Weiter ist zu berücksichtigen, dass nach dem Vortrag der Beklagten Rangrücktritte erklärt worden sind für die Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter i.H.v. 658 TDM, für Bankverbindlichkeiten i.H.v. 800 TDM und für Ansprüche aus Urlaubsgeld i.H.v. 160 TDM. Die nach dem Vortrag des Klägers mit 16.014 TDM zu veranschlagenden Gesamtverbindlichkeiten verringern sich danach um insgesamt 1.618 TDM auf 14.396 TDM. Damit übersteigt das Aktivvermögen die Verbindlichkeiten.
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- II.1. In dem neu eröffneten Berufungsverfahren wird - unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten - aufzuklären sein, ob in dem Zeitraum ab dem 16. Februar 2001 eine Überschuldung vorgelegen hat. Die rückwärts gerichtete Sicht des Oberlandesgerichts auf eine Insolvenzsituation im Jahre 1997 und die daraus gezogenen Folgerungen für die Darlegungs- und Beweislast sind rechtsfehlerhaft (vgl. BGHZ 164, 50, 58). Weiter wird - gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien - der Frage nachzugehen sein, ob die Schuldnerin in diesem Zeitraum zahlungsunfähig war (vgl. dazu die Revisionsentscheidung in dem Parallelverfahren: BGH, Urt. v. 21. Juni 2007 - IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469).
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- 2. Sollte danach eine Insolvenzreife bestanden haben, wird das Berufungsgericht dem Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, die "Scheckzahlungen an unbekannte Empfänger" hätten nur dazu gedient, Geld vom Bankkonto in die Barkasse zu transferieren. Sollte sich dieser Vortrag als richtig erweisen , sind das keine Zahlungen i.S. des § 64 Abs. 2 GmbHG.
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- 3. a) Weiter wird zu prüfen sein, ob die etwaigen Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar waren i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Dazu ist festzustellen, ob durch die Zahlungen größere Nachteile für die Insolvenzmasse abgewendet werden sollten (BGHZ 146, 264, 274 f.). Das kommt hier insbesondere bei den Zahlungen auf die Wasser-, Strom- und Heizrechnungen in Betracht. Ohne diese Zahlungen hätte der Betrieb im Zweifel sofort eingestellt werden müssen, was jede Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht hätte.
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- b) Der Einwand der Beschwerde, die Beklagten träfe jedenfalls kein Verschulden , weil ein Kollegialgericht, nämlich das Oberlandesgericht Stuttgart in dem Parallelprozess, angenommen habe, dass keine Insolvenzreife vorgelegen habe, bleibt dagegen ohne Erfolg.
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- Allerdings geht der Bundesgerichtshof im Rahmen der Amtshaftung davon aus, dass einen Beamten in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Gericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (BGHZ 97, 97, 107; 150, 172, 184; Urt. v. 19. Dezember 1991 - III ZR 9/91, ZIP 1992, 947, 948 f.; v. 16. Oktober 1997 - III ZR 23/96, WM 1998, 187, 188; v. 3. März 2005 - III ZR 353/04, WM 2005, 1328, 1329). Diese sog. Kollegialgerichtsrichtlinie ist aber bisher nur auf Amtshaftungsansprüche , nicht dagegen auf sonstige zivilrechtliche Ersatzansprüche angewandt worden (BGH, Urt. v. 31. Oktober 1985 - IX ZR 175/84, WM 1986, 199, 202 f.; offen gelassen in Urt. v. 21. Oktober 2003 - XI ZR 453/02, ZIP 2003, 2242, 2246). Ob sie über die Amtshaftung hinaus gilt, kann auch hier offen bleiben. Denn sie greift jedenfalls dann nicht ein, wenn sich das Gericht seine Überzeugung von der Rechtsmäßigkeit des Handelns aufgrund eines verfahrensfehlerhaft festgestellten Sachverhalts gebildet hat (BGHZ 117, 240, 250; Urt. v. 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, WM 1990, 1549, 1551; v. 21. Oktober 2003 - XI ZR 453/02, ZIP 2003, 2242, 2246). So liegt es hier. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat den maßgeblichen Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt. Das ergibt sich aus der das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aufhebenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 2007 (IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469). Danach hat das Oberlandesgericht Stuttgart nicht geprüft, ob die Schuldnerin mit der Kreditkündigung durch die Bank im Juni 1997 zahlungsunfähig geworden ist, ob sie danach ihre Zahlungen allgemein wieder aufgenommen hat und ob im Hinblick auf die fälligen Zinszahlungen für November und Dezember 2000, die die Schuldnerin nicht erbringen konnte, erneut Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist.
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- 4. Schließlich wird das Berufungsgericht den Beklagten ggf. vorzubehalten haben, nach Erstattung an die Masse Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger geltend zu machen (BGHZ 146, 264, 278 f.).
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 05.10.2005 - 401 O 76/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 06.10.2006 - 11 U 256/05 -
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(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
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der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.