Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2004 - II ZB 9/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Beschwerdewert: 87.420,00 €
Gründe:
I. Das Landgericht hat die Beklagten durch Urteil vom 20. September 2002 u.a. als Gesamtschuldner zur Zahlung an den Kläger verurteilt. Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 26. September 2002 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2002, am selben Tage - einem Montag - bei dem Oberlandesgericht eingegangen, haben die Beklagten gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 2. Dezember 2002 bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Auf gerichtlichen Hinweis vom 9. Dezember 2002 haben die Beklagten am 16. Dezember 2002 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt.
Zur Begründung ihres Gesuchs haben die Beklagten ausgeführt: Das Urteil des Landgerichts sei am 25. September 2002 im Büro ihres einige Tage orts- und urlaubsabwesenden Bevollmächtigten eingegangen. Da die Rückkehr ihres Bevollmächtigten für den 30. September 2002 erwartet worden sei, habe die Kanzleiangestellte S. für ihn das Urteil nebst dem - von ihr auf das Datum des 30. September 2002 vorverfügten - Empfangsbekenntnis bereitgelegt. Aus dringenden Termingründen habe ihr Bevollmächtigter bereits am 26. September 2002 seine Kanzlei aufgesucht, dabei das Urteil zur Kenntnis genommen und das von ihm auf den 26. September 2002 korrigierte Empfangsbekenntnis unterzeichnet. Bei Rücksendung des Empfangsbekenntnisses an das Landgericht habe die Angestellte S. versäumt, die in der Handakte und dem Fristenkalender unter dem 30. November 2002 vermerkte Berufungsbegründungsfrist mit dem Zustellungsdatum abzugleichen.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangen und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die angefochtene Entscheidung wirft entgegen der Auffassung der Beklagten keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) auf, sondern steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
1. Ein Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn neben dem Zustellungsdatum auch die Eintragung des Fristendes in den Fristenkalender und in die Handakte sichergestellt ist. Ohne diese Vorkehrungen erhöht sich die Gefahr, daß die Fristnotierung unterbleibt und dies erst nach Fristablauf bemerkt wird. Entschließt sich der Rechtsanwalt gleichwohl, das Empfangsbekenntnis vor vollständiger Fristensicherung zurückzugeben, so muß er, falls er nicht selbst unverzüglich die Eintragungen in der Handakte und im Fristenkalender vornimmt, durch eine besondere Einzelanweisung die erforderlichen Eintragungen sicherstellen. Auf allgemeine Anordnungen darf er sich in einem solchen Fall nicht mehr verlassen (BGH, Beschl. v. 13. Februar 2003 - V ZR 422/02, NJW 2003, 1528 f.; BGH, Beschl. v. 17. September 2002 - VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782; BGH, Beschl. v. 26. März 1996 - VI ZB 1, 2/96, NJW 1996, 1900 f.; BGH, Beschl. v. 25. März 1992 - XII ZR 268/91, VersR 1992, 1536).
2. Diesen Anforderungen ist der Bevollmächtigte der Beklagten nicht gerecht geworden. Er hat das unter dem Datum des 30. September 2002 vorverfügte Empfangsbekenntnis auf den 26. September 2002 korrigiert, dabei aber
nicht sichergestellt, daß das geänderte Zustellungsdatum auch im Fristenkalender und der Handakte vermerkt wurde.
Röhricht Goette Kurzwelly
Münke Gehrlein
Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.