Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2011 - I ZR 92/10

published on 07/07/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2011 - I ZR 92/10
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Previous court decisions
Landgericht Magdeburg, 7 O 1857/07, 28/03/2008
Oberlandesgericht Naumburg, 10 U 22/08, 16/04/2010

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 92/10
vom
7. Juli 2011
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher,
Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 16. April 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Streitwert: 125.000 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist Inhaberin der mit Priorität vom 11. Januar 2001 für flexible und elastische Bodenbeläge aus nicht textilem Material eingetragenen Wort-/Bildmarke Nr. 301 01 531 "LIFETEC".
2
Die Beklagte, die bito AG, vertreibt als Großhändlerin flexible und elastische Bodenbeläge. Seit 2005 benutzt sie die Bezeichnungen "bitolon livetex plus" und "bitolon livetex extra".
3
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch genommen.
4
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Magdeburg , Urteil vom 28. März 2008 - 7 O 1857/07, juris). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Naumburg, Urteil vom 16. April 2010 - 10 U 22/08, juris).
5
II. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
6
1. Das Berufungsgericht konnte eine selbständig kennzeichnende Stellung von "livetex" daraus folgern, dass die weiteren Bestandteile der angegriffenen Zeichen "bitolon livetex plus" und "bitolon livetex extra" für die Beurteilung des Gesamteindrucks zurücktreten.
7
a) Die Zeichenbestandteile "plus" und "extra" sind rein beschreibend. Der weitere Zeichenbestandteil "bitolon" ist für den Verkehr ersichtlich an das Unternehmenskennzeichen der Beklagten angelehnt. Das Berufungsgericht konnte daraus den Schluss ziehen, dass die Bestandteile "bitolon" und "livetex" jeweils eine selbständig kennzeichnende Stellung in den zusammengesetzten Zeichen haben. Die entsprechende Prüfung, ob in einem zusammengesetzten Zeichen Zeichenbestandteile eine selbständig kennzeichnende Stellung haben, ist einer Beurteilung im Einzelfall vorbehalten (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 2010 - C-51/09, GRUR 2010, 933 Rn. 38 und 40 - Barbara Becker/Becker). Erkennt der Verkehr das Unternehmenskennzeichen in dem zusammengesetzten Zeichen, kann daraus eine selbständig kennzeichnende Stellung des weiteren Zeichenbestandteils folgen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 - I ZB 54/05, GRUR 2008, 905 Rn. 38 = WRP 2008, 1349 - Pantohexal). Nichts anderes gilt, wenn der Verkehr - wie vorliegend - die Anlehnung des Zeichenbestandteils "bitolon" an das Unternehmenskennzeichen "bito AG" erkennt.
8
b) Auf die weitere, von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob auch schwach kennzeichnungskräftige Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens eine selbständig kennzeichnende Stellung haben können , kommt es nicht an. Sowohl die Klagemarke "LIFETEC" als auch der Zeichenbestandteil "livetex" des angegriffenen Zeichens sind im Zusammenhang mit den vorliegend in Rede stehenden Waren nicht kennzeichnungsschwach. Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde verfügt die Klagemarke über durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft. Das Berufungsgericht hat - wenn auch bei der Erörterung der Frage, welcher Zeichenbestandteil die Klagemarke prägt - angenommen, dass der Wortbestandteil der Klagemarke nicht produktbeschreibend wirkt oder sich an eine solche Beschreibung anlehnt. Es hat die Klagemarke im Zusammenhang mit der Frage ihrer Eignung zur Produktbeschreibung als nichtssagend angesehen. Unter dieser Voraussetzung besteht kein Grund, von einer nur unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagemarke auszugehen. Entsprechendes gilt für den Wortbestandteil "livetex" der angegriffenen Zeichen.
9
c) Eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht. Auf die von der Nichtzulassungsbeschwerde als entscheidungserheblich angesehene Frage, ob ein Zeichenbestandteil , dem nur geringe Kennzeichnungskraft zukommt, in einem zusammengesetzten Zeichen über eine selbständig kennzeichnende Stellung verfügen kann, kommt es im Streitfall nicht an, weil der Zeichenbestandteil "livetex" nicht schwach kennzeichnungskräftig ist.
10
d) Verfügt der Bestandteil "livetex" in den angegriffenen Zeichen über eine selbständig kennzeichnende Stellung, ist die Annahme einer Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zwischen den Kollisionszeichen nicht zu beanstanden.
11
2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
12
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 28.03.2008 - 7 O 1857/07 (110) -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 16.04.2010 - 10 U 22/08 -
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht. (2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen 1. ein mi
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht. (2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen 1. ein mi
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 29/05/2008 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 54/05 Verkündet am: 29. Mai 2008 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die Marke Nr. 398 61 213 Nachschlagewerk: ja B
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht.

(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen

1.
ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt,
2.
ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird, oder
3.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse gemäß dem in der Nizza-Klassifikation festgelegten Klassifikationssystem erscheinen. Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als unähnlich angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen.

(3) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so ist es insbesondere untersagt,

1.
das Zeichen auf Waren oder ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen,
2.
unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
3.
unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen,
4.
unter dem Zeichen Waren einzuführen oder auszuführen,
5.
das Zeichen als Handelsnamen oder geschäftliche Bezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer geschäftlichen Bezeichnung zu benutzen,
6.
das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen,
7.
das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 21) zuwiderlaufenden Weise zu benutzen.

(4) Dritten ist es ferner untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr

1.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen auf Aufmachungen oder Verpackungen oder auf Kennzeichnungsmitteln wie Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder dergleichen anzubringen,
2.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder
3.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, einzuführen oder auszuführen,
wenn die Gefahr besteht, daß die Aufmachungen oder Verpackungen zur Aufmachung oder Verpackung oder die Kennzeichnungsmittel zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, hinsichtlich deren Dritten die Benutzung des Zeichens nach den Absätzen 2 und 3 untersagt wäre.

(5) Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(6) Wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Inhaber der Marke zum Ersatz des durch die Verletzungshandlung entstandenen Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung der Marke eingeholt hätte.

(7) Wird die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen, so kann der Unterlassungsanspruch und, soweit der Angestellte oder Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, der Schadensersatzanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)