Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2018 - I ZR 53/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Mai 2018 durchdie Richter Prof. Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert, Prof. Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
beschlossen:
Gründe:
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- I. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. 1. Die Beklagte rügt vergeblich, die Ausführungen des Senats zur Be2 gründung seiner Annahme, die von der Beklagten im fraglichen Zeitraum in Verkehr gebrachten PCs mit eingebauter Festplatte seien geeignet gewesen, im Sinne von § 53 Abs. 1 oder 2 UrhG aF zur Aufzeichnung von Audiowerken und audiovisuellen Werken auf Bild- oder Tonträger und zur Übertragung solcher Werke von einem Tonträger auf einen anderen verwendet zu werden (Senatsurteil Rn. 19 bis 27), ließen erkennen, dass wesentlicher Sachvortrag der Beklagten im Revisionsrechtszug entweder in seinem Kern nicht zur Kenntnis genommen oder nicht hinreichend erwogen worden sei. Der Senat hat das Vorbringen der Revision der Beklagten entgegen der
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- Darstellung der Beklagten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, das Oberlandesgericht habe eine unzulässige generalisierende Betrachtungsweise angestellt, indem es die Microsoft-Empfehlung ohne weitere tatrichterliche Feststellung herangezogen habe. Dasselbe gilt für das Vorbringen der Revision der Beklagten, das Oberlandesgericht habe sich nicht mit dem Vortrag der Beklagten befasst, die technische Eignung ihrer Geräte sei in den Jahren 2002 bis 2005 nicht vorhanden gewesen, weil die Prozessorleistung der PCs und die Arbeitsspeicherkapazität der PCs und der Grafikkarten zu gering gewesen seien und es regelmäßig zu Systemabstürzen und weiteren technischen Problemen gekommen sei (Senatsurteil Rn. 25). Die Beklagte rügt ohne Erfolg, die Annahme des Senats, die Beurteilung
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- des Oberlandesgerichts beruhe nicht auf einer unzulässigen generalisierenden Betrachtungsweise, entbehre einer Grundlage. Der Senat hat zur Begründung seiner Auffassung ausgeführt, das Oberlandesgericht habe unter Heranziehung der von der Klägerin angeführten Empfehlungen des Softwareunternehmens Microsoft, des marktführenden Anbieters des seinerzeit meistverbreiteten Be- triebssystems „Windows XP“, ohne Rechtsfehler festgestellt, dass bei einer Prozessorleistung von wenigstens 300 MHz und einem Arbeitsspeicher von wenigstens 128 MB eine Speicherkapazität der Festplatte von wenigstens 10 GB genüge, um wenigstens ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk, nämlich einen Fernsehfilm von zweistündiger Dauer, zu speichern. Da nach den weiteren Feststellungen des Oberlandesgerichts alle von der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum vertriebenen Modelle diese technischen Mindestvoraussetzungen erfüllt hätten, habe das Oberlandesgericht keine weiteren Feststellungen zu den einzelnen Gerätemodellen treffen müssen, ohne damit eine unzulässige generalisierende Betrachtungsweise anzustellen (Senatsurteil Rn. 25). Die Beklagte wendet sich gegen die Annahme des Senats, das Oberlan5 desgericht habe sich mit der Behauptung der Beklagten, die Arbeitsspeicher der PCs und der Grafikkarten seien für das - erst im Jahr 2005 erschienene - Betriebssystem „Microsoft Windows XP-Mediacenter 2005“ zu gering dimensio- niert gewesen, nicht auseinandersetzen müssen (Senatsurteil Rn. 26). Sie meint, das Oberlandesgericht hätte zu dieser Behauptung der Beklagten ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Damit kann die Beklagte schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie damit keine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Senat geltend macht. Im Übrigen ergibt sich aus den Ausführungen des Senats, dass das Oberlandesgericht sich mit der Behauptung der Beklagten nicht auseinandersetzen musste, weil sie nicht entscheidungserheblich war. Für die Frage, ob die PCs der Beklagten zum Zeitpunkt ihres Inverkehrbringens in den Jahren 2002 bis 2005 über die erforderliche technische Mindestausstattung für Bild- und Tonaufnahmen verfügten, war es nicht von Bedeutung, ob die Arbeitsspeicher der PCs und der Grafikkarten für das - erst im Jahr 2005 erschienene - Betriebssystem „Microsoft Windows XP-Media- center 2005“ zu gering dimensioniert waren. Vielmehr kam es darauf an, ob die PCs der Beklagten bei einem Betrieb mit dem seinerzeit meistverbreiteten Be- triebssystems „Windows XP“ über die erforderliche technische Mindestausstat- tung für Bild- und Tonaufnahmen verfügten. Dies war nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts der Fall (Senatsurteil Rn. 26). 2. Die Beklagte rügt weiter ohne Erfolg, die Annahme des Senats, das
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- Oberlandesgericht habe ohne Rechtsfehler angenommen, die hier in Rede stehenden PCs der Beklagten seien erkennbar zur Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken bestimmt gewesen (Senatsurteil Rn. 28 bis 31), beruhe auf einer gehörswidrigen Übergehung ihres Vorbringens in der Revision. Übergangen worden sei das Vorbringen der Beklagten, dass Versuche ihrer Mitarbeiter belegt hätten, die Geräte seien entweder bereits technisch nicht zur Vornahme von Vervielfältigungen geeignet gewesen oder hätten jedenfalls keine erkennbare Bestimmung für private Vervielfältigungshandlungen besessen, weil es sich um reine "Business-PCs" mit zweckorientiert spartanischer Ausrüstung auf dem damaligen Stand der Technik gehandelt habe. Diese Rüge ist unbegründet. Zum einen hat der Senat das als übergan7 gen gerügte Vorbringen der Beklagten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Zum anderen war dieses Vorbringen nicht entscheidungserheblich. Nach der vom Senat gebilligten Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts kommt es nicht allein auf die ursprüngliche Ausrüstung der von der Beklagten vertriebenen „Business-PCs“an, sondern darauf, dass diese PCs dazu geeignet und dafür bestimmt waren, nach einer Ausstattung mit zusätzlichen Komponenten zur Vervielfältigung von Bild- und Tonaufzeichnungen verwendet zu werden (Senatsurteil Rn. 30 und 31). 3. Die Beklagte rügt vergeblich, der Umstand, dass der Senat wiederholt
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- auf die tatsächliche Verwendung und Nutzung der PCs abgestellt habe, lasse darauf schließen, dass er weder die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch die darauf bezogenen Rügen der Revision erwogen habe, wonach es für die Vergütungspflicht entscheidend auf den Verkaufszweck oder den Erwerbszweck und nicht auf die Verwendung oder Nutzung der PCs ankomme. Der Senat hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Gerichtshofs
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- der Europäischen Union zugrunde gelegt, wonach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung einer Regelung , die Hersteller oder Importeure zur Zahlung der Privatkopievergütung verpflichtet, obwohl sie nicht wissen, ob es sich bei den Endabnehmern um gewerbliche oder private Kunden handelt, und die daher auch keinen Einblick in die im konkreten Einzelfall zu erwartende Nutzung der an diese veräußerten Geräte und Speichermedien haben können, nicht entgegensteht, wenn diese Vergütungsschuldner von der Zahlung der Privatkopievergütung befreit werden, wenn sie nachweisen, dass sie die in Rede stehenden Geräte oder Speichermedien an andere als natürliche Personen zu eindeutig anderen Zwecken als zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch geliefert haben. Der Senat hat angenommen , dass den Vergütungsschuldnern danach auch dann der Nachweis abverlangt werden darf, dass die in Verkehr gebrachten Geräte und Speichermedien nicht zur Vervielfältigung zum Privatgebrauch verwendet worden sind, wenn sie nicht wissen, ob es sich bei den Endabnehmern um gewerbliche oder private Kunden handelt, und dass nichts anderes für den Nachweis gilt, dass ein an einen gewerblichen Abnehmer geliefertes Gerät eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten ist (Senatsurteil Rn. 40). 4. Entgegen der Darstellung der Beklagten hat der Senat ihren Einwand
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- zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, die nach der BITKOMMitgliedschaft differenzierende Beurteilung des Oberlandesgerichts führe im Ergebnis dazu, dass Modalitäten für einen gerechten Ausgleich geschaffen würden, die zwischen den Wirtschaftsteilnehmern ohne sachliche Grundlage ungerechtfertigt differenzierten und deshalb gegen das Gleichbehandlungsgebot verstießen (vgl. zur Verwirkung Rn. 53 und 54 und zum kartellrechtlichen Gleichbehandlungsgebot Rn. 55 des Senatsurteils). Der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör ist nicht deshalb verletzt, weil der Senat ihren Einwand nicht für begründet gehalten hat.
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- II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Löffler Schwonke
Vorinstanz:
OLG München, Entscheidung vom 19.02.2015 - 6 WG 6/08 -
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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.
(1) Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Der zur Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt.
(2) Zulässig ist, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes herzustellen oder herstellen zu lassen
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(weggefallen) - 2.
zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und als Vorlage für die Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt wird, - 3.
zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen, wenn es sich um ein durch Funk gesendetes Werk handelt, - 4.
zum sonstigen eigenen Gebrauch, - a)
wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes oder um einzelne Beiträge handelt, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind, - b)
wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt.
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die Vervielfältigung auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung vorgenommen wird oder - 2.
eine ausschließlich analoge Nutzung stattfindet.
(3) (weggefallen)
(4) Die Vervielfältigung
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graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik, - b)
eines Buches oder einer Zeitschrift, wenn es sich um eine im wesentlichen vollständige Vervielfältigung handelt,
(5) Die Absätze 1 und 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 finden keine Anwendung auf Datenbankwerke, deren Elemente einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel zugänglich sind.
(6) Die Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Zulässig ist jedoch, rechtmäßig hergestellte Vervielfältigungsstücke von Zeitungen und vergriffenen Werken sowie solche Werkstücke zu verleihen, bei denen kleine beschädigte oder abhanden gekommene Teile durch Vervielfältigungsstücke ersetzt worden sind.
(7) Die Aufnahme öffentlicher Vorträge, Aufführungen oder Vorführungen eines Werkes auf Bild- oder Tonträger, die Ausführung von Plänen und Entwürfen zu Werken der bildenden Künste und der Nachbau eines Werkes der Baukunst sind stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)