Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2013 - I ZR 119/12

published on 15/08/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2013 - I ZR 119/12
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Landgericht Hamburg, 327 O 301/09, 25/11/2010
Hanseatisches Oberlandesgericht, 3 U 186/10, 07/06/2012

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 119/12
vom
15. August 2013
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. August 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter Prof.
Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler

beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 6. Juni 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Anhörungsrüge ist unzulässig. Die Ausführungen der Klägerin genügen nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Gehörsverstoßes durch den Senat.
2
1. Eine Anhörungsrüge muss Ausführungen dazu enthalten, aus welchen Umständen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Gericht ergeben soll. Wendet sich die Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde, bedarf es dazu Ausführungen in Bezug auf die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision (BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609 Rn. 4). Denn die Anhörungsrüge ist insoweit nur dann zulässig, wenn durch die Entscheidung der Nichtzulassung der Revision das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör neu und eigenständig durch den Bundesgerichtshof verletzt worden ist (BVerfGE 107, 395, 410; BVerfG, NJW 2008, 2126, 2127; NJW 2008, 2635, 2636; NJW 2011, 1497). Eine Anhörungsrüge muss sich damit auseinandersetzen und in diesem Zusammenhang die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darlegen. Hierfür ist eine schlichte Behauptung einer Gehörsverletzung nicht ausreichend; vielmehr ist erforderlich, dass die Umstände vorgetra- gen werden, aus denen sich ergibt, dass der Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung das Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen haben muss (vgl. BGH, NJW 2009, 1609 Rn. 6 ff. mwN).
3
2. Diesen Anforderungen wird die Anhörungsrüge der Klägerin nicht gerecht.
4
a) Soweit die Klägerin mit ihrer Anhörungsrüge ihren Vortrag aus der Nichtzulassungsbeschwerde wiederholt, kann die Anhörungsrüge damit nicht begründet werden, weil damit keine neue, eigenständige Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Rechtsmittelgericht gerügt wird.
5
b) Ohne Erfolg macht die Klägerin ferner geltend, es müsse - im Lichte der zu erhebenden Verfassungsbeschwerde - von einer „neuen und eigenstän- digen“ Verletzung des Art.103 Abs. 1 GG ausgegangen werden, weil der Beschluss über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde keine Ausführungen zu der geltend gemachten Verletzung der Verfahrensgrundrechte der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG und den behaupteten Verstößen gegen den Anspruch auf ein objektiv willkürfreies Verfahren enthalte und sich auch nicht mit den dargelegten abweichenden Rechtssätzen anderer Entscheidungen auseinandersetze.
6
Eine neue und eigenständige Gehörsverletzung kann nicht damit begründet werden, dass der Bundesgerichtshof von der vom Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise vorgesehenen Begründungserleichterung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat (BGH, NJW 2009, 1609 Rn. 6).
7
aa) Der Bundesgerichtshof ist auch in Ansehung der grundgesetzlichen Ansprüche auf Justizgewährung und effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie des Rechts auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht gehalten, seine Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde stets über einen formelhaften Hinweis auf die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO hinaus näher zu begründen; § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO räumt diese Möglichkeit ausdrücklich ein (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1497). Dies steht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Einklang, dass eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung von Verfassungs wegen regelmäßig keiner Begründung bedarf (BVerfG, NJW 2011, 1497 mwN). Auch die Effektivität der Kontrolle der Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht auf eine Gehörsverletzung wird nicht davon beeinflusst, ob der Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde näher begründet wird (BVerfG, NJW 2011, 1497, 1498).
8
bb) Eine ausführliche Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde ist auch nicht deswegen geboten, weil gegen sie eine Anhörungsrüge nach § 321a ZPO erhoben werden kann, mit der nicht nur sekundäre, sondern neue und eigenständige Gehörsverletzungen durch den Bundesgerichtshof gerügt werden. Zwar wird es einem Beschwerdeführer durch das Fehlen einer näheren Begründung zu den Zulassungsvoraussetzungen erschwert, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf eine neue, eigenständige Gehörsverletzung zu überprüfen. Dies lässt jedoch die verfassungsrechtlich allein gewährleistete einmalige fachgerichtliche Kontrolle auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG weder leerlaufen noch macht sie diese unzumutbar. Die Begründungserleichterung in § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ist mit Blick auf die besonderen Aufgaben eines obersten Gerichts des Bundes sachgerecht und dient der Erhaltung seiner Funktionsfähigkeit und damit der Effektivität der Rechtsverfolgung im Interesse aller Rechtsuchenden. Von Verfassungs wegen geboten ist lediglich eine einmalige Kontrolle gerichtlichen Verfahrenshandelns auf eine Gehörsverletzung, nicht aber eine Begründung der hierauf ergehenden Entscheidung (BVerfG, NJW 2011, 1497, 1498 mwN). Deshalb begegnet es auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn vom Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung des § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO auf eine Begründung der Entscheidung über die Anhörungsrüge verzichtet wird (BVerfG, NJW 2011, 1497, 1499).
9
II. Die Anhörungsrüge wäre im Übrigen auch unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde den Vortrag der Klägerin umfassend berücksichtigt.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 25.11.2010 - 327 O 301/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 07.06.2012 - 3 U 186/10 -
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Annotations

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.