Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2013 - I ZR 10/13

published on 13/11/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2013 - I ZR 10/13
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Landgericht Essen, 41 O 1/12, 21/03/2012
Oberlandesgericht Hamm, 4 U 97/12, 22/11/2012

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I Z R 1 0 / 1 3
vom
13. November 2013
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. November 2013
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter
Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. November 2012 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Streitwert: 25.000 €

Gründe:

1
I. Die Beklagte vertreibt Nahrungsergänzungsmittel. In einem Newsletter und in ihrem Internet-Auftritt warb sie für den Verkauf von "CellClean-Kapseln" mit den Angaben, es handele sich um ein (Nahrungsergänzungs-)Mittel "zur traditionellen Entschlackung", es sei bekannt, dass zur Aufrechterhaltung der Gesundheit zwei Mal jährlich eine Entschlackung über einen Zeitraum von bis zu acht Wochen empfohlen werde, und es werde insgesamt eine neue Lebensenergie spürbar.
2
Das Landgericht hat der vom Kläger, dem Verband Sozialer Wettbewerb e.V., gegen die Beklagte erhobenen Klage auf Unterlassung dieser drei Werbeaussagen stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als der Kläger unter anderem das Verbot einer Werbung allein mit der Spürbarkeit einer neuen Lebensenergie begehrt hatte. Soweit das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten durch das Landgericht bestätigt hat, hat es ausgeführt:
3
Der Kläger könne von der Beklagten gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 5 und 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel die Unterlassung der Behauptung "zur traditionellen Entschlackung" und des Hinweises auf die Entschlackung zur Aufrechterhaltung der Gesundheit einzeln oder in Kombination sowie hinsichtlich der dritten Werbeaussage bei deren Verwendung in Verbindung mit der ersten oder der zweiten Werbebehauptung verlangen. Die Werbung enthalte gesundheitsbezogene Angaben in Form von Wirkungsangaben. Die in der Werbung behauptete Entschlackungswirkung falle nicht unter Art. 1 Abs. 4 und Erwägungsgrund 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, da es sich nicht um eine allgemeine Bezeichnung handele, die traditionell als Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln und Getränken verwendet werde. Davon abgesehen sei der insoweit nach Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erforderliche Antrag nicht gestellt und erst recht nicht positiv beschieden worden. Die Werbeangaben verstießen im Umfang der Verurteilung gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, weil die Entschlackungswirkung des Präparats jedenfalls nicht wissenschaftlich abgesichert sei.
4
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Beschwerde der Beklagten ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern.
5
1. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde allein gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Begriff "Entschlackung" keine allgemeine Bezeichnung im Sinne von Art. 1 Abs. 4 in Verbindung mit Erwägungsgrund 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und im Übrigen jedenfalls der insoweit erforderliche Antrag weder gestellt noch erst recht positiv be- schieden worden sei. Sie lässt dabei allerdings unberücksichtigt, dass die Bestimmung des Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 lediglich eine Ausnahme von Art. 1 Abs. 3 dieser Verordnung zulässt (vgl. Art. 1 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006: "… kann auf Antrag der betroffenen Lebensmittelunternehmer eine Ausnahme von Absatz 3, die eine Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung durch Ergänzung bewirkt, … erlassen werden"). Dementsprechend können mit dem Begriff "Allgemeine Bezeichnungen" in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nur Handelsmarken , Markennamen und Phantasiebezeichnungen im Sinne des Art. 1 Abs. 3 dieser Verordnung erfasst sein (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 111, 152. Lief. März 2013, Art. 1 Rn. 40).
6
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde geht insoweit selbst nicht davon aus, dass es sich bei den beanstandeten Angaben um Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt, sondern um (sonstige) Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 dieser Verordnung, auf die die Regelung des Art. 1 Abs. 4 der Verordnung von vorneherein weder direkt noch entsprechend anwendbar ist. Diese Sichtweise steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach stellt eine auf der Verpackung eines Lebensmittels angebrachte kommerzielle Mitteilung im Sinne des Erwägungsgrunds 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nur dann eine Handelsmarke oder einen Markennamen im Sinne von Art. 1 Abs. 3 dieser Verordnung dar, wenn sie nach der Beurteilung des nationalen Gerichts, das dabei alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache zu berücksichtigen hat, gemäß den insoweit anwendbaren Rechtsvorschriften als eine solche Marke oder als ein solcher Name geschützt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-299/12, GRUR 2013, 1061 Rn. 31 f. = WRP 2013,1311 - Green-Swan Pharmaceuticals/staatliche Landwirtschafts- und Lebensmittelinspektion ; vgl. auch Hüttebräuker, ZLR 2013, 578, 583 f.). Dass die streitgegenständlichen Werbeaussagen diese Voraussetzungen erfüllen, ist von der Be- klagten nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich. Ebenso spricht nichts dafür und ist insbesondere von der Beklagten nichts dafür vorgetragen worden, dass es sich bei den betreffenden Angaben um entsprechend diesen Grundsätzen etwa urheberrechtlich oder wettbewerbsrechtlich geschützte Phantasiebezeichnungen handeln könnte.
7
3. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
8
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 21.03.2012 - 41 O 1/12 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 22.11.2012 - I-4 U 97/12 -
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwider

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. (2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtscha
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwider

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. (2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtscha
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published on 28/11/2017 00:00

Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Produktname „Gelenk-Tabletten B.“ für das von ihr vertriebene Nahrungsergänzungsmittel rechtlich zulässig ist. 2 Bei der Klägerin handelt es sich um ein mittelständisches Unternehmen m
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Annotations

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)