Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2003 - I ZB 42/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 45.786,29 festgesetzt.
Gründe:
I. Gegen das am 25. Juli 2002 zugestellte Urteil des Landgerichts vom 19. Juli 2002 legte die Klägerin am Montag, dem 26. August 2002, Berufung ein, die sie am 26. September 2002 begründete.
Wegen Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trug die Klägerin vor:
Ihr Prozeßbevollmächtigter habe seine ansonsten zuverlässige Büroleiterin sowohl vor als auch nach dem Inkrafttreten des neuen Zivilprozeßrechts am 1. Januar 2002 auf die Rechtsänderungen bei der Frist zur Begründung der Berufung hingewiesen. Nach der Zustellung des Urteils des Landgerichts habe ihr Prozeßbevollmächtigter seiner Büroleiterin wie üblich die Anweisung erteilt, die Fristen für die Berufung und die Berufungsbegründung im Fristenkalender zu notieren. Entgegen dieser Weisung habe die Büroleiterin die Frist für die Berufungsbegründung zunächst nicht notiert, sondern dies erst unmittelbar vor Einlegung der Berufung nachgeholt. Dabei sei die Berufungsbegründungsfrist unzutreffenderweise vom Zeitpunkt der Einlegung der Berufung an berechnet worden, wie dies früherem Recht entsprochen habe. Eine vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist notierte Vorfrist sei vom Personal des Prozeßbevollmächtigten ebenfalls übersehen worden.
Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Es hat angenommen, der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hätte sich nach Vorlage der Berufungsschrift und nach Vorlage der Gerichtsakten davon überzeugen müssen, daß seiner Anweisung, die Frist zur Begründung der Berufung zu notieren, ordnungsgemäß nachgekommen worden sei.
II. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
1. Der Rechtsbeschwerde kommt entgegen der Meinung der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGH, Beschl. v. 4.7.2002 - V ZB 16/02, NJW 2002, 3029).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geklärt sind und die Annahme des Berufungsgerichts, der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hätte bei Vorlage der Berufungsschrift und der Gerichtsakten die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist selbst überwachen müssen, eine nach den Gesamtumständen auf den konkreten Einzelfall bezogene Feststellung ist.
Ein Rechtsanwalt darf ein Empfangsbekenntnis über die Zustellung eines Urteils erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in der maßgeblichen Handakte der Ablauf der Rechtsmittelfrist vermerkt und die Frist notiert ist (vgl. BGH, Beschl. v. 26.3.1996 - VI ZB 1 und 2/96, NJW 1996, 1900, 1901; Urt. v. 16.7.1998 - VII ZR 409/97, NJW 1998, 3125; Urt. v. 22.4.1999 - IX ZR 364/98, NJW 1999, 2120, 2121). Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß diese Verpflichtung den Rechtsanwalt nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung auch hinsichtlich der Begründungsfrist für das Rechtsmittel trifft, nachdem die zweimonatige Begründungsfrist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu laufen beginnt.
Allerdings kann der Prozeßbevollmächtigte, sofern er die erforderlichen Eintragungen in der Handakte und dem Fristenkalender nicht selbst vornimmt,
diese durch eine besondere Einzelanweisung an sein Büropersonal veranlassen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; Beschl. v. 31.10.2002 - III ZB 23/02, NJW-RR 2003, 276 f.). Ob die Anweisung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin die Voraussetzungen erfüllte, die an eine Einzelanweisung zu stellen sind, erscheint vorliegend zweifelhaft, weil die Anweisung , die maßgeblichen Fristen zu notieren, der üblichen Verfahrensweise in der Praxis des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin entsprach. Dann ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß die Eintragung der Fristen in einem Einzelfall unterbleibt. Die Frage kann aber auf sich beruhen.
Jedenfalls konnte das Berufungsgericht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes davon ausgehen, bei Vorlage der Berufungsschrift und bei Vorlage der Gerichtsakten sei der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin verpflichtet gewesen, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die von ihm erteilte Anweisung zur Eintragung der Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist enthielt nicht die Angabe des konkreten Zeitpunktes, zu dem der Lauf der Frist endete. Sah der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin aber davon ab, vor Unterzeichnung und Rückgabe des Empfangsbekenntnisses die maßgeblichen Fristen selbst zu vermerken und erteilte er nur eine der üblichen Verfahrensweise entsprechende allgemeine Anweisung zur Notierung der Frist, so kam bei Vorlage der Berufungsschrift und der Gerichtsakten eine entsprechende Verpflichtung des Prozeßbevollmächtigten in Betracht, sich von dem ordnungsgemäßen Eintrag der Berufungsbegründungsfrist zu überzeugen. Die Berechnung des Endes einer Rechtsmittel- und einer Rechtsmittelbegründungsfrist ist eine besonders wichtige Aufgabe. Sie kann, wenn es sich um eine routinemäßige Fristberechnung handelt, vom Rechtsanwalt seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen werden. Der Rechtsanwalt muß durch geeignete
allgemeine Anweisungen auf einen verläßlichen, Fristversäumnisse möglichst vermeidenden Geschäftsgang hinwirken (vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.1996 - VII ZB 7/96, NJW 1996, 2514; Beschl. v. 21.11.2000 - VIII ZB 11/00, BGH-Rep 2001, 141). In zweifelhaften oder risikoträchtigen Fällen muß der Rechtsanwalt die Berechnung der Frist allerdings kontrollieren (vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.1982 - V ZB 10/82, VersR 1982, 974; vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.3.1980 - X ZB 4/80, NJW 1980, 1846).
Es handelt sich vorliegend um die Entscheidung eines Einzelfalls. Er ist nach der Beurteilung des Berufungsgerichts durch ein Nebeneinander der Berechnung von Rechtsmittelbegründungsfristen nach § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. und § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. sowie dadurch gekennzeichnet, daß anders als bei der Berufungsfrist, die an einem Montag ablief (§ 222 Abs. 2 ZPO), eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht eintrat.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Altern. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung ist eine Einzelfallentscheidung, die mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Einklang steht.
III. Die Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Ullmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)