Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Feb. 2001 - I ZB 39/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mannheim vom 19. Juni 2000 gewährt.
Gründe:
I. Die Klägerin hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese lief am 25. Oktober 2000 ab. Die Berufungsbegründung ging erst am 26. Oktober 2000 beim Berufungsgericht ein.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen ihres Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt S. und dessen Sekretärin Frau W. vorgetragen:
Rechtsanwalt S. habe mit seiner Sekretärin am 25. Oktober 2000 kurz vor 10.00 Uhr vereinbart, daß die zu diesem Zeitpunkt versandfertig erstellte Berufungsbegründung nicht per Telefax, sondern durch den Büroboten zum Gericht gebracht würde. Als Rechtsanwalt S. am selben Tag um 11.30 Uhr die Kanzlei zur Wahrnehmung eines Termins verlassen habe, habe die Sekretärin ihm auf Nachfrage bestätigt, daß die Frist erledigt sei. Die Sekretärin habe den Schriftsatz dem Büroboten jedoch nicht mitgegeben, weil dieser nicht mehr im Büro gewesen sei. Sie habe den Schriftsatz als Telefax versenden wollen. Dies sei versehentlich unterblieben.
Das Berufungsgericht hat den Antrag, der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Es seien keine Anordnungen für den Fall getroffen, daß die Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes infolge von Störungen scheitere. Eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle setze die Anordnung voraus, daß die Eintragung im Fristenkalender erst gelöscht werden dürfe, wenn die Eingangsbestätigung des Empfängers oder ein vom Absendegerät ausgedruckter Einzelnachweis vorliege. Ein weiterer anwaltlicher Pflichtenverstoß liege darin, daß die Rechtsanwälte nicht für eine nochmalige Kontrolle der Erledigung fristgebundener Sachen am Abend des jeweiligen Tages gesorgt hätten. Die bloße Kennzeichnung der Sache als erledigt reiche nicht aus.
II. Das gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 519b Abs. 2, § 547 ZPO zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Der Klägerin ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beruht nicht auf einem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten, das sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müßte. Nach der durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemachten Darstellung der Klägerin hatte ihr Prozeßbevollmächtigter seiner Sekretärin eine Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte. Auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen für die Fristwahrung in der Kanzlei kommt es bei einer derartigen Einzelanweisung nicht an (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; Beschl. v. 23.4.1997 - XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; Beschl. v. 18.3.1998 - XII ZB 180/96, NJW-RR 1998, 1360; Beschl. v. 25.3.1998 - IV ZB 1/98, Umdr. S. 4 f.; Beschl. v. 6.5.1999 - VII ZB 6/99, NJW 1999, 2284).
Im Streitfall kommt hinzu, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Ausführung seiner Anweisung durch eine Rückfrage überwacht hat. Er brauchte nicht davon auszugehen, daß die bisher zuverlässige Büroangestellte die Weisung nicht befolgte und ihm eine unrichtige Auskunft erteilte.
Erdmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert
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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; - 5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.