Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2019 - EnVZ 87/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und die Richter Prof. Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher, Sunder und Dr. Schoppmeyer
beschlossen:
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.
Der Gegenstandswert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die Antragstellerin bietet Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnologie für die Energiewirtschaft an.
- 2
- Die Bundesnetzagentur hat im April 2017 vorgeschrieben, die Übermittlung von Nachrichten im Rahmen der Marktkommunikation zwischen Netzbetreibern und Energielieferanten spätestens ab 1. Juni 2017 durch elektronische Signatur und Verschlüsselung nach einem bestimmten Standard abzusichern. Im Mai und im Dezember 2017 hat sie die Umsetzungsfrist verlängert.
- 3
- Die Antragstellerin verlangt von der Bundesnetzagentur sinngemäß die Beibehaltung der ursprünglich vorgesehenen Umsetzungsfrist. Sie macht geltend , bei Ablauf dieser Frist sei sie als einzige Anbieterin in der Lage gewesen, Verschlüsselungs- und Signaturzertifikate gemäß den neuen Vorgaben zur Verfügung zu stellen. Durch die Verlängerung sei ihr Wirtschaftskonzept obsolet geworden.
- 4
- Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der die Bundesnetzagentur entgegentritt.
- 5
- II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
- 6
- 1. Das Beschwerdegericht hat das Begehren der Antragstellerin als unbegründet angesehen, weil die Verlängerung der Umsetzungsfrist mangels berufsregelnder Tendenz keinen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG begründe, die geltend gemachten Erwerbschancen von Art. 14 GG nicht geschützt seien und eine Verletzung des allgemeinen Gleich- heitssatzes nicht ersichtlich sei. Die Beschwerdeführerin könne sich auch nicht auf Erwägungen des Vertrauensschutzes berufen. Die Bundesnetzagentur sei jedenfalls nach § 29 Abs. 2 Satz 1 EnWG zur Änderung der ursprünglich getroffenen Regelungen befugt gewesen.
- 7
- 2. Diese Erwägungen werfen keine Rechtsfragen auf, die unter einem der in § 86 Abs. 2 EnWG aufgeführten Gesichtspunkte der Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren bedürfen.
- 8
- a) Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt. Dies gilt auch für die im Streitfall entscheidungserheblichen Fragen, unter welchen Voraussetzungen eine Festlegung der Bundesnetzagentur über den standardisierten Austausch von Daten zwischen Marktteilnehmern berufsregelnde Tendenz hat und durch Art. 14 GG geschützte Positionen berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - EnVR 52/09, RdE 2011, 59 Rn. 20 ff. - GABi Gas).
- 9
- Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass das Beschwerdegericht von diesen Grundsätzen abgewichen ist oder dass der Streitfall zusätzliche Fragen aufwirft, die eine erneute höchstrichterliche Entscheidung erfordern. Insbesondere kommt den angegriffenen Regelungen auch dann keine berufsregelnde Tendenz oder grundrechtsverletzende Wirkung zu, wenn sie in Abstimmung mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft ergangen sind.
- 10
- b) Der Streitfall wirft auch keine klärungsbedürftigen Fragen im Zusammenhang mit § 29 Abs. 2 Satz 1 EnWG auf.
- 11
- In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass Änderungen nach § 29 Abs. 2 Satz 1 EnWG in der Regel nur für die Zukunft angeordnet werden und keine unzulässige Rückwirkung entfalten dürfen (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 - EnVR 15/15, RdE 2016, 532 Rn. 30 ff. - Unbefristete Genehmigung ). Im Streitfall sind die Umsetzungsfristen jeweils vor deren Ablauf verlängert worden. Die Verlängerung entfaltet mithin keine "echte" Rückwirkung. Die vom Senat bislang offen gelassene Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen § 29 Abs. 2 Satz 1 EnWG Änderungen für die Vergangenheit ermöglicht, ist damit nicht entscheidungserheblich. Erst recht kann offen bleiben , ob die Antragstellerin im Falle einer echten Rückwirkung in eigenen Rechten verletzt wäre.
- 12
- III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
Sunder Schoppmeyer
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.07.2018 - VI-3 Kart 70/17 [V] -
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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Die Regulierungsbehörde trifft Entscheidungen in den in diesem Gesetz benannten Fällen und über die Bedingungen und Methoden für den Netzanschluss oder den Netzzugang nach den in § 17 Abs. 3, § 21a Abs. 6 und § 24 genannten Rechtsverordnungen durch Festlegung gegenüber einem Netzbetreiber, einer Gruppe von oder allen Netzbetreibern oder den sonstigen in der jeweiligen Vorschrift Verpflichteten oder durch Genehmigung gegenüber dem Antragsteller.
(2) Die Regulierungsbehörde ist befugt, die nach Absatz 1 von ihr festgelegten oder genehmigten Bedingungen und Methoden nachträglich zu ändern, soweit dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass sie weiterhin den Voraussetzungen für eine Festlegung oder Genehmigung genügen. Die §§ 48 und 49 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bleiben unberührt.
(3) Die Bundesregierung kann das Verfahren zur Festlegung oder Genehmigung nach Absatz 1 sowie das Verfahren zur Änderung der Bedingungen und Methoden nach Absatz 2 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates näher ausgestalten. Dabei kann insbesondere vorgesehen werden, dass Entscheidungen der Regulierungsbehörde im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt ergehen.
(1) Gegen die in der Hauptsache erlassenen Beschlüsse der Oberlandesgerichte findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.
(3) Über die Zulassung oder Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist in der Entscheidung des Oberlandesgerichts zu befinden. Die Nichtzulassung ist zu begründen.
(4) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:
- 1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Die Regulierungsbehörde trifft Entscheidungen in den in diesem Gesetz benannten Fällen und über die Bedingungen und Methoden für den Netzanschluss oder den Netzzugang nach den in § 17 Abs. 3, § 21a Abs. 6 und § 24 genannten Rechtsverordnungen durch Festlegung gegenüber einem Netzbetreiber, einer Gruppe von oder allen Netzbetreibern oder den sonstigen in der jeweiligen Vorschrift Verpflichteten oder durch Genehmigung gegenüber dem Antragsteller.
(2) Die Regulierungsbehörde ist befugt, die nach Absatz 1 von ihr festgelegten oder genehmigten Bedingungen und Methoden nachträglich zu ändern, soweit dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass sie weiterhin den Voraussetzungen für eine Festlegung oder Genehmigung genügen. Die §§ 48 und 49 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bleiben unberührt.
(3) Die Bundesregierung kann das Verfahren zur Festlegung oder Genehmigung nach Absatz 1 sowie das Verfahren zur Änderung der Bedingungen und Methoden nach Absatz 2 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates näher ausgestalten. Dabei kann insbesondere vorgesehen werden, dass Entscheidungen der Regulierungsbehörde im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt ergehen.
Im Beschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren kann das Gericht anordnen, dass die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hat ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlasst, so sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch Artikel 24 Absatz 8 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2154) geändert worden ist, bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern. Im Übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden und über Rechtsbeschwerden (§§ 73 und 77 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen), - 2.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 75 und 86 des Energiewirtschaftsgesetzes oder § 35 Absatz 3 und 4 des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes), - 3.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 48 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes und § 113 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes), - 4.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 13 und 24 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes) und - 5.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Registerbehörde (§ 11 des Wettbewerbsregistergesetzes).
(2) Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer (§ 171 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) einschließlich des Verfahrens über den Antrag nach § 169 Absatz 2 Satz 5 und 6, Absatz 4 Satz 2, § 173 Absatz 1 Satz 3 und nach § 176 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beträgt der Streitwert 5 Prozent der Bruttoauftragssumme.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.