Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2013 - 5 StR 625/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II.3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, sowie im Gesamtstrafausspruch und
b) im Einzelstrafausspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass die Tagessatzhöhe auf 10 € festgesetzt wird.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklag- ten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Verbindung des erstinstanzlichen Verfahrens mit dem beim selben Landgericht anhängigen Berufungsverfahren gemäß § 4 StPO analog ist nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. August 1998 – 3 StR 201/98, NStZ 1998, 628, 629). Allerdings hat das Landgericht bei der Festsetzung der Einzelgeldstrafe für Fall II.1 der Urteilsgründe das Verschlechterungsverbot gemäß § 331 Abs. 1 StPO nicht beachtet und auf eine höhere Geldstrafe (90 Tagessätze zu 15 €) als im gegenstandslos gewordenen amtsgerichtlichen Urteil (90 Tagessätze zu 10 €) erkannt (vgl. BGH aaO). Der Senat setzt bei Beachtung des § 331 Abs. 1 StPO die verbindliche niedrigere Tagessatzhöhe fest.
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- 2. Die im Hinblick auf die Vergewaltigung vorgenommene Beweiswürdigung im Fall II.3 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Urteil enthält einen durchgreifenden Erörterungsmangel.
- 4
- Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte die Nebenklägerin am 3. November 2010 in ihrer Wohnung vergewaltigt und dabei mehrfach gewürgt. Das Landgericht stützt die Feststellungen zum Tatgeschehen im Wesentlichen auf die Aussage der Nebenklägerin, die zwar unmittelbar nach der Tat Zeugen von Schlägen des Angeklagten berichtet, jedoch erst in ihrer zweiten polizeilichen Vernehmung vom 22. Februar 2011 den sexuellen Übergriff des Angeklagten geschildert hatte.
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- In einer Beweiskonstellation wie hier müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, die seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 159 mwN). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Soweit das Landgericht den Aussagen der Nebenklägerin „allenfalls leichte Ungenauigkeiten“ zubilligt und anführt, dass die Nebenklägerin die Tat vom 3. November 2010 in ihrer polizeilichen Vernehmung „in gleicher Weise geschildert hat wie nun im Rahmen der Hauptverhandlung“ (UA S. 19), mag dies jedenfalls für Feststellungen zu den Würgeangriffen und sonstigen Verletzungshandlungen gelten, trifft jedoch hinsichtlich der – ausweislich der Urteilsgründe – erst am 22. Februar 2011 mitgeteilten Vergewaltigung nicht zu. Eine Aussagekonstanz für das Vergewaltigungsgeschehen ist damit nicht belegt. Im Hinblick darauf war eine eingehende Darlegung und Würdigung der Aussageentwicklung geboten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2011 – 1 StR 263/01, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Beweiswürdigung 16, und vom 30. August 2012 – 5 StR 394/12, NStZ-RR 2013, 19). Hierfür hätten nicht nur der – nach Aus- sage der Nebenklägerin auf Anraten einer Freundin gefasste – Entschluss zur Anzeige, sondern auch deren Umstände und Inhalt näher festgestellt und in eine Gesamtwürdigung einbezogen werden müssen. Entsprechendes gilt für das Verhalten der Nebenklägerin im Nachgang (Internetkontakte mit der neuen Freundin des Angeklagten).
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- Der Senat hat angesichts des einheitlichen Tatgeschehens auch den für sich unbedenklichen Schuldspruch wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung mitaufzuheben.
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- 3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.3 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Einsatzstrafe und zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
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- Es werden noch Feststellungen zu treffen sein, wann die als „zuletzt“ mitgeteilte Verurteilung des Angeklagten (UA S. 5) ergangen ist und ob die zugrundeliegende Geldstrafe etwa im Sinne des § 55 StGB einbeziehungsfähig und gegebenenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der ersten Hauptverhandlung noch nicht erledigt gewesen ist (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 55 Rn. 6a).
Dölp König
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.
(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.
(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat.
(2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.