Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2019 - 5 StR 610/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 11. Dezember 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, von denen es drei Monate wegen Verstoßes gegen das Gebot zügiger Verfahrensführung für vollstreckt erklärt hat. Ihre hiergegen gerichtete Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet.
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- 1. Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen. Namentlich weist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hin, dass den Urteilsgründen eine jederzeit zu realisierende Herrschaftsmöglichkeit der das Auto lenkenden Angeklagten über das in ihrer Handtasche befindliche Elektroschockgerät ent- nommen werden kann. Dass sich ihr auf dem Beifahrersitz sitzender Mittäter bei der Einfuhr diese Handtasche „umgehängt“ hatte, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 14; Weber , BtMG, 5. Aufl., § 30a Rn. 144, 146, 149; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 30a Rn. 108, jeweils mwN). Hierdurch standen dem Zugriff der Angeklagten keine größeren Hindernisse entgegen als etwa bei einer Lagerung einer Waffe im Handschuhfach (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2002 – 1 ARs 14/02, NJW 2002, 3116, 3117 mwN) oder in einer Sporttasche auf der Rückbank eines Autos (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2013 – 4 StR 187/13, NStZRR 2013, 320). Mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat aus, dass sich der von der Waffe nicht wissende Mittäter einem Griff der Angeklagten nach ihrer Handtasche und des darin befindlichen Elektroschockgeräts widersetzt hätte.
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- 2. Hingegen kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat zwar richtigerweise davon abgesehen, mit der gegen die Angeklagte im Jahr 2018 verhängten Jugendstrafe eine Gesamtstrafe zu bilden, weil eine Gesamtstrafenbildung mit der nach allgemeinem Strafrecht zugemessenen Freiheitsstrafe nicht vorgenommen werden darf. Jedoch hat es nicht erkennbar bedacht, dass ein daraus für die Angeklagte resultierender Nachteil bei der nach Erwachsenenstrafrecht festzusetzenden Strafe auszugleichen ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 – 4 StR 445/89, BGHSt 36, 270, 276; Beschluss vom 24. Januar 2007 – 2 StR 583/06, NStZ-RR 2007, 168, 169; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 5 StR 486/11, StraFo 2012, 156; Schäfer/Sander/van Gemmeren, 6. Aufl., Rn. 1232). Angesichts der durch das Landgericht ausgeurteilten unbedingten Strafe und des deswegen zu erwartenden Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der genannten Jugendstrafe ist ein solcher hier gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 1998 – 1 StR 725/97, NStZ-RR 1998, 151, 152).
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- Die zugehörigen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler gegeben ist. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
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- 3. Die Aufhebung des Urteils im Strafausspruch lässt die angeordnete Kompensation für den eingetretenen Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrensführung unberührt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 137 f.).
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- 4. Für die neue Verhandlung ist auf Folgendes hinzuweisen:
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- Das nunmehr entscheidende Tatgericht wird dem Aspekt der bei der Angeklagten eingetretenen Stabilisierung der Lebensverhältnisse höheres Gewicht beimessen müssen, als dies im angefochtenen Urteil geschehen ist (hierzu eingehend Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 688, 864 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Die in vollem Umfang geständige Angeklagte hat sich ausweislich der Feststellungen nach der am 10. August 2016 begangenen Tat aus dem Drogenmilieu gelöst und konsumiert keine Betäubungsmittel mehr. Sie ist seither nicht mehr straffällig geworden und kümmert sich als Alleinerzieherin um ihren am 5. Februar 2018 geborenen Sohn. Aufgrund des zuletzt angeführten Umstandes ist sie ferner in besonderem Maße haftempfindlich.
König Köhler
Vorinstanz:
Zwickau, LG, 05.09.2019 - 460 Js 5228/17 2 KLs
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
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(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.