Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Dez. 2010 - 5 StR 540/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Görlitz zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 8. Januar 2010 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Senat hat mit Beschluss vom 2. Juni 2010 dieses Urteil im Schuldspruch bestätigt, jedoch im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zurückverwiesen. Die neu entscheidende Strafkammer hat dieselbe Strafe verhängt. Hiergegen hat der Angeklagte wiederum Revision eingelegt, die Erfolg hat.
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- Im 1. angefochtenen Urteil wird „auf die erneut gleich getroffenen Feststellungen zur Person des Angeklagten (soweit nicht nachfolgend anders oder ergänzend festgestellt …) in vollem Umfang Bezug genommen“ (UA S. 2 f.). Lediglich „zum Werdegang“ des Angeklagten wird „ergänzend“ festgestellt , dass seine bisherige Beziehung zu einer Frau beendet sei und sich eine neue Beziehung zu einer anderen Frau anbahne. Seine Überzeugung, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten aufgrund seines Schwachsinns nicht erheblich vermindert gewesen sei, stützt das Landgericht auf Erwägungen, die – teilweise einschließlich der Schreibfehler – mit nur geringfügigen Änderungen über mehrere Seiten wörtlich aus dem aufgehobenen Urteil übernommen sind, wobei der Strafkammer allerdings an einer Stelle des Urteils (UA S. 4) eine sinnentstellende Auslassung unterläuft und an einer anderen Stelle (UA S. 7) – überholt durch die „ergänzenden“ Feststellungen – vom Stolz des Angeklagten auf seine „feste Freundin“ berichtet wird. Die dem aufgehobenen Urteil entnommenen Ausführungen sind lediglich vervollständigt um genauere Erklärungen dazu, weshalb die Strafkammer von einem planvollen und zielgerichteten Vorgehen des Angeklagten ausgegangen ist (vgl. UA S. 6 Mitte bis UA S. 7 Mitte).
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- 2. Diese Vorgehensweise lässt schon befürchten, dass vom Revisionsgericht nach § 353 Abs. 2 StPO aufgehobene Feststellungen unzulässigerweise dem neuen Urteil zugrunde gelegt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1971 – 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274, 275; BGH, Beschluss vom 10. Mai 1995 – 2 StR 160/95, BGHR StPO § 353 II Teilrechtskraft
16).
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- Zur Aufhebung des Urteils nötigt jedenfalls, dass das Landgericht bei der Beurteilung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erneut ausschließlich auf die Zweckgerichtetheit und Planmäßigkeit seines Handelns abgestellt hat, ohne sich mit der dieser Annahme entgegenstehenden Rechtsansicht des Senats auseinandergesetzt zu haben.
König Bellay
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.