Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2012 - 5 StR 508/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte im Fall 3 der Urteilsgründe verurteilt ist, und
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen dreier Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge, im Fall 3 in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge hinsichtlich der Verurteilung im Fall 3 Erfolg. Das Rechtsmittel ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Das Landgericht hat sich im Wesentlichen auf der Grundlage der Verurteilung des Drogenkuriers O. durch das Amtsgericht Heggen und Fröland (Norwegen) am 29. April 2008 sowie der in großem Umfang ausgewerteten Geodaten der durch O. genutzten Mobiltelefone sowie dessen mit dem Angeklagten geführten Telefongespräche rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der Angeklagte im Dezember 2007 mindestens 500 g sowie 987 g Kokain höherer Konzentration von Hamburg nach Oslo exportieren ließ. Die dieserhalb gefundenen Schuld- und Strafaussprüche (je vier Jahre Freiheitsstrafe) sind beanstandungsfrei.
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- Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge eines Fairnessverstoßes ist unzulässig. Der erst nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft erteilte Hinweis des Landgerichts auf veränderte Konkurrenzen hätte, wenn die Verteidigung ihn als verspätet beanstanden wollte, einen Zwischenrechtsbehelf erfordert: Die als Maßnahme der Verhandlungsleitung unmittelbar danach ergangene Aufforderung an den Verteidiger, den Schlussvortrag zu halten , wäre gemäß § 238 Abs. 2 StPO zu beanstanden gewesen (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 238 Rn. 22), anstatt – wie geschehen – widerspruchslos den Schlussvortrag zu halten.
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- 2. Dem Schuldspruch hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Einsatzstrafe: fünf Jahre Freiheitsstrafe) hat das Landgericht ausschließlich die Zeugenaussage des am 3. Juni 2008 nach Einreise in die Bundesrepublik mit 987 g Kokain (50 % HHC) festgenommenen , in Hamburg ansässigen Zeugen Am. zugrunde gelegt. Dieser hatte bereits in seiner polizeilichen Vernehmung vom 6. Oktober 2008 den Angeklagten als Auftraggeber der Kurierfahrt benannt (UA S. 19) und ist am 22. Oktober 2008 durch das Landgericht Kleve zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden.
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- 3. Die Bewertung der den Angeklagten allein belastenden Zeugenaussage ist unter mehreren Aspekten fehlerhaft und vermag letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 – 5 StR 520/01, StV 2002, 235; Beschluss vom 13. September 2011 – 5 StR 308/11).
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- a) Das Landgericht hat es unterlassen, die sich widersprechenden Angaben des Zeugen und des die Tat bestreitenden Angeklagten zu ihrem Kennenlernen für die Glaubhaftigkeitsprüfung heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158 f.). Der Zeuge Am. hat – für sich wenig plausibel – ausgeführt, der Angeklagte habe ihn in Hamburg während eines Friseurbesuchs angesprochen, ob er bereit sei, Kokain aus Amsterdam nach Hamburg zu transportieren (UA S. 18). Demgegenüber hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, er kenne Am. als häufigen Besucher des von ihm betriebenen Callshops; Am. habe bei ihm Schulden gehabt (UA S. 10).
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- b) Die Strafkammer hat daneben Besonderheiten der Zeugenaussage ohne kritische Prüfung von deren Auswirkungen auf die Bewertung der belastenden Aussage im Übrigen hingenommen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2002 – 5 StR 130/01, BGHSt 47, 220, 223 f.). Das Landgericht hat fest- gestellt, dass der Belastungszeuge nicht umfassend ausgesagt hat und „in weitem Umfang von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch gemacht hat“ (UA S. 19), ohne hierzu Einzelheiten darzustellen und deren Relevanz für die Beweiswürdigung zu erwägen. Soweit das Land- gericht die Aussage des Zeugen hinsichtlich mitgeführter 3.500 € Bargeld als eher nicht der Wahrheit entsprechend und zu einem kriminellen Hintergrund gehörend gewürdigt hat (UA S. 19 f.), fehlt es an der Einbeziehung dieses Aspektes in die gebotene – hier indes gar nicht angestellte – Gesamtbetrachtung aller die Glaubhaftigkeit der Aussage in Frage stellenden Umstände (vgl. Brause, NStZ 2007, 505, 512 mwN).
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- Der Senat besorgt ferner, dass die Strafkammer der Aussagekonstanz hinsichtlich der Umstände der Kurierfahrt (UA S. 19) eine zu große Bedeutung hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Belastung des Angeklagten als Auftraggeber der Einfuhr zugemessen hat. Der Zeuge konnte nämlich ohne weiteres viele Details der selbst erlebten Kurierfahrt wiederholt schildern, ohne dass hierdurch die eher detailarm bekundete Beauftragung gerade durch den Angeklagten gestützt werden musste (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 5 StR 308/11).
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- 4. Die Sache bedarf demnach hinsichtlich des Einfuhrfalles neuer Aufklärung und Bewertung. Sollte die gebotene – bis jetzt nach dem Inhalt freilich nicht durchgreifender Verfahrensrügen unterbliebene – Aufklärung des Kommunikationsverhaltens des Belastungszeugen keine Verbindung zu dem Angeklagten erbringen, könnte ressourcenschonend § 154 Abs. 2 StPO angewandt werden.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.
(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
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wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.