Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2004 - 5 StR 472/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffnet en Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit das Rechtsmittel sich gegen den Schuldspruch richtet. Jedoch hält der Strafausspruch sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach den getroffenen Feststellungen trug der Angeklagt e, ein „bislang nur geringfügig und auch noch nicht einschlägig“ bestrafter 27jähriger Familienvater , der einen Arbeitsvertrag hat, 202 g Marihuana mit einem THC-Anteil von 19 g bei sich, wovon drei Viertel zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Zugleich führte er ein Klappmesser mit arretierbarer Klinge und einer Klingenlänge von 6 cm mit sich. Das Landgericht hat hierin rechtsfehlerfrei ein Verbrechen nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gefunden. Es hat einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen.
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet folgende strafschärfende Erwägung: Es konnte „nicht gleichsam unterschlagen werden, daß sich der Angeklagte … jedenfalls noch nach einer ihm auch bekannt gewordenen Aussage seiner früheren Lebensgefährtin …, die unter anderem angegeben hatte, daß der Angeklagte schon seit Jahren im großen Stile mit Rauschgift handele, zu seiner Tat hat hinreißen lassen. Denn auch unabhängig von dem von ihm bestrittenen Wahrheitsgehalt jener Aussage, hätte er sich solche Beschuldigung doch zumindest als Warnung dienen lassen können, derartige Straftaten besser zu unterlassen.“ Allerdings kann ein früheres Strafverfahren eine bei der Strafzumessung berücksichtigungstaugliche Warnfunktion selbst dann entfalten, wenn es mit einer Einstellung nach § 170 Abs. 2, §§ 153 ff. oder § 260 Abs. 3 StPO oder gar mit einem Freispruch geendet hat; auch die Zustellung einer Anklage wegen eines vergleichbaren Vorwurfs kann in diesem Sinne beachtlich sein (zu alledem Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 367 bis 369 m.N. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Dies findet seinen Grund darin, daß die zunächst erfolgte gesetzliche Tätigkeit der Strafverfolgungsorgane jedenfalls einen – jeweils näher bestimmten – Verdachtsgrad voraussetzt. Auch ist es grundsätzlich möglich, der Bezichtigung durch eine Privatperson eine Warnfunktion der genannten Art beizumessen – nämlich dann, wenn die Richtigkeit der Bezichtigung festgestellt ist. Indes ist es ausgeschlossen , privaten Bezichtigungen ohne Rücksicht auf deren Wahrheitsgehalt , also möglicherweise unwahren Verdächtigungen eine solche strafschärfend wirkende Warnfunktion zuzusprechen.
Deshalb bedarf die Sache neuer Strafzumessung. Der neu e Tatrichter wird auch zu erwägen haben, ob etwa eine günstige Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB und besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB vorliegen und alle Strafzwecke auch mit einer Freiheitsstrafe erreichbar sind, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könnte.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.
(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.
(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.
(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.