Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2007 - 5 StR 459/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Verurteilten wegen tateinheitlich begangenen zweifachen Totschlags (in einem besonders schweren Fall) schuldig gesprochen und unter Einbeziehung der durch das Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 20. Oktober 2005 gegen ihn verhängten Strafen unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe auf eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt.
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- Die dagegen mit der Sachrüge geführte Revision, die mit Einzelerwägungen die Beweisführung und die Strafzumessung angegriffen hat, hat der Senat mit Beschluss vom 13. Dezember 2006 mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren und unter Einbeziehung der durch das Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 20. Oktober 2005 verhängten Strafen unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt ist.
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- Dieser 1. Entscheidung hat der Senat folgende, vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffene Feststellungen zugrunde gelegt: Der Angeklagte nahm die späteren Opfer K. und Ö. am 24. August 2004 nach 22.30 Uhr in Berlin in seinen Pkw Mercedes auf und fuhr mit ihnen und mit einem oder zwei Begleitern auf der Autobahn in Richtung Cottbus bis zur Abfahrt Halbe. Dort bog er gegen Mitternacht zweimal hintereinander in Waldwege ab. Am Ende des zweiten Waldweges in 350 m Entfernung von der Straße veranlassten der Angeklagte und mindestens ein weiterer unbekannter Mittäter die Tatopfer, das Fahrzeug zu verlassen, und erschossen sie mit je vier Kopfschüssen, die alle aus derselben Pistole abgegeben wurden.
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- Beweiswürdigung Zur und rechtlichen Würdigung des Landgerichts hat der Senat folgendes ausgeführt: In Beachtung des Grundsatzes in dubio pro reo sei das Landgericht verpflichtet gewesen, davon auszugehen, dass Todesschütze ein Mittäter gewesen sei. Dies stelle das Beweisergebnis des Schwurgerichts, der Angeklagte, der den Kontakt zu den Opfern vermittelt habe und der Fahrer gewesen sei, sei Mittäter, aber nicht in Frage. Auch in der Variante der Mitwirkung von zwei weiteren Mittätern beruhe dies auf einer in der Gesamtschau der festgestellten Tat- und Nachtatumstände ausreichenden Tatsachengrundlage.
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- Indes hat der Senat die Annahme eines besonders schweren Falles des Totschlags (§ 212 Abs. 2 StGB) beanstandet. Die Begründung des Landgerichts hierfür lege nahe, dass es bei der Strafzumessung zu Unrecht von einer eigenhändigen Erschießung der Opfer durch den Angeklagten ausgegangen ist; zudem fehle eine gesicherte Grundlage für die Annahme einer sorgfältig vorbereiteten und geplanten Tatausführung. Der Senat hat den Strafausspruch in die höchste zeitige Freiheitsstrafe von 15 Jahren umgewandelt , da auszuschließen sei, dass das Schwurgericht für die jedenfalls objektiv hinrichtungsähnliche Tötung von zwei Menschen auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
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- 2. Diese Vorgehensweise des Senats hat den Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
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- a) Sie stützt sich auf eine analoge Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO insgesamt. Nach der dieser Vorschrift zugrundeliegenden Konzeption ist eine Zurückverweisung nur veranlasst, wenn dem Revisionsgericht eine abschließende Entscheidung „ohne tatsächliche Erörterung“ unmöglich ist (MeyerGoßner in Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter S. 515, 520). Solches liegt auch dann vor, wenn das Revisionsgericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass gegen den Revisionsführer aus Rechtsgründen, weil jede andere Strafe kein gerechter Schuldausgleich wäre, eine bestimmte Strafe verhängt werden muss; in einem solchen Fall muss das Revisionsgericht diese Strafe aussprechen und darf die Sache nicht an den Tatrichter zurückverweisen (Meyer-Goßner aaO S. 523). Dem entspricht die Praxis des Bundesgerichtshofs (BGHSt 47, 100, 105; BGH NStZ 1992, 78; 297; BGH bei Becker NStZRR 2002, 103; BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2007 – 5 StR 304/06 und 305/06). So liegt der Fall hier:
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- vom Der Senat festgestellte Wertungsfehler des Landgerichts hat zwar der Annahme eines besonders schweren Falles des Totschlags und damit der erkannten lebenslangen Freiheitsstrafe die Grundlage entzogen. Indes ist den weiteren fehlerfrei getroffenen Feststellungen ein exorbitantes Tötungsverbrechen – eine wegen des Tatablaufs die Opfer psychisch belastende hinrichtungsähnliche Tötung zweier Menschen – von so hohem Schuldgehalt zu entnehmen, dass die Festsetzung jeder milderen als der höchsten zeitigen Freiheitsstrafe einen gerechten Schuldausgleich verfehlt hätte.
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- b) Die vom Senat in Anspruch genommene analoge Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO begegnet auch nach Einfügung der Vorschriften des § 354 Abs. 1a und 1b StPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz keinen aus systematischen Erwägungen herrührenden Bedenken (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1a Anwendungsbereich 2; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 354 Rdn. 27). Sie hält sich, wenn die Verfahrenslage, so wie hier, jedes Ermessen über Art und Höhe der Rechtsfolge ausschließt, in den durch Arti- kel 101 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Grenzen (BVerfG – Kammer – Beschluss vom 2. Juni 2006 – 2 BvR 906/06 m.w.N.).
- 10
- c) Durfte der Senat demnach im revisionsgerichtlichen Beschlussverfahren gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO ausnahmsweise zur Strafe durchentscheiden , war der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör auch nur im Rahmen dieses – verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BVerfG NJW 2005, 1999) – Verfahrens zu erfüllen. Dies ist vorliegend geschehen. Die Verteidiger haben auf den Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts vom 18. Oktober 2006 mit ihrem Schriftsatz vom 2. November 2006 umfänglich erwidert und die allein erhobene Sachrüge weiter begründet. Dass sie es unterlassen haben, zu der im Beschlussverfahren angelegten Entscheidungsvariante eines Teilerfolgs hinsichtlich des Strafausspruchs Weiteres auszuführen, begründet wie auch sonst in Fällen nachträglich vom Verteidiger als lückenhaft erkannten Vortrags keinen Gehörsverstoß.
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Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.