Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 5 StR 44/11

published on 15/03/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 5 StR 44/11
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 44/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 28. Oktober 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat Erfolg. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
2
1. Das Landgericht hat es unterlassen, sich ausdrücklich mit den Voraussetzungen des Provokationstatbestandes der ersten Alternative des § 213 StGB auseinanderzusetzen. Hierzu bestand nach den Urteilsfeststellungen indessen Anlass, weil vom Opfer unmittelbar vor der Tat beträchtliche Provokationen ausgegangen sind (UA S. 4 f., 13). Rechtlich war die Erörterung des § 213 Alt. 1 StGB angezeigt, weil sein Vorliegen auch im Rahmen des § 224 StGB die Annahme eines minder schweren Falles regelmäßig gebietet (vgl. zu § 226 Abs. 2 StGB a.F. BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 1991 – 5 StR 6/91, BGHR StGB § 226 Strafrahmenwahl 2; vom 19. Januar 1994 – 2 StR 560/93, BGHR StGB § 226 Strafrahmenwahl 5; sie- he auch BGH, Beschluss vom 9. August 1988 – 4 StR 221/88, BGHR StGB § 223a Abs. 1 Strafzumessung 2). Im Hinblick auf die dem Angeklagten zugebilligte alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit ist nach allgemeinen Regeln eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB denkbar.
3
Trotz beträchtlicher, den Angeklagten belastender Umstände kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass die Schwurgerichtskammer bei zutreffender Beurteilung eine mildere Strafe verhängt hätte.
4
2. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auch im Hinblick darauf mit auf, dass die Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts gleichfalls durchgreifenden Bedenken begegnet und dem neu entscheidenden Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessungsentscheidung ermöglicht werden muss. Rechtsfehlerhaft hat es die Schwurgerichtskammer unterlassen, eine – hier mögliche – Berechnung der Blutalkoholkonzentration vorzunehmen und deren Ergebnis ins Verhältnis zu den sonstigen – nach Lage des Falls eher nicht nach einer Annahme des § 21 StGB drängenden – Ergebnissen der Beweisaufnahme zu setzen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2010 – 5 StR 135/10, NStZ-RR 2010, 257, 258 mwN). Zudem hätte ein Sachverständiger hinzugezogen werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2011 – 5 StR 24/11 mwN). Dieser sollte sich bei der Untersuchung des psychischen Zustands des Angeklagten auch mit dessen Vorleben, insbesondere Alkoholgewohnheiten und etwaiger -beeinflussung bei seinen Vortaten sowie dissozialen Verhaltensmustern, auseinandersetzen.
5
3. Der Senat verweist die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 – 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit in BGHSt 40, 251 nicht abgedruckt; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 354 Rn. 42). Denn der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung ist in Rechtskraft erwachsen, womit der die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründende Tatvorwurf des versuchten Totschlags weggefallen ist.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.