Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2012 - 5 StR 393/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Unterschlagung und versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen und das hierzu gestellte Wiedereinsetzungsgesuch kommt es daher nicht mehr an.
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- Nach den Feststellungen des Landgerichts beschloss der Angeklagte als Geschäftsführer einer in Zahlungsschwierigkeiten geratenen GmbH, ein geleastes und im Eigentum der Bank stehendes Firmenfahrzeug ohne deren Wissen und Wollen in Marokko zu veräußern, um von den noch ausstehenden Leasingraten befreit zu werden und einen Versicherungsfall vortäuschen und so die Schadenssumme erlangen zu können. Die ehemaligen Mitangeklagten S. und B. sollten für die Überführung des Fahrzeuges zwei Fahrer beauftragen; B. oblag darüber hinaus die Organisation der konkreten Umsetzung des Tatplans. S. vermittelte dem Angeklagten als Fahrer den am 7. Januar 2012 verstorbenen ehemaligen Mitangeschuldigten Sch. ; B. vermittelte wiederum den ehemali- gen Mitangeklagten A. . Der Angeklagte beauftragte spätestens am 30. April 2010 Sch. , das betreffende Fahrzeug zusammen mit A. nach Marokko zu verbringen. Zu diesem Zweck erteilte er ihm am 30. April 2010 eine notariell beglaubigte Vollmacht, sich mit dem Fahrzeug „in Europa und Nordafrika frei zu bewegen“ (UA S. 4). In Ausführung des gemeinsamen und im Detail von B. ausgearbeiteten Tatplans fuhren Sch. und A. noch am selben Tag mit dem geleasten Fahrzeug in Richtung Marokko und verkauften es dort schließlich am 4. Mai 2010 unter Verwendung eines gefälschten Fahrzeugscheins, der auf den Zeugen Sch. als Halter ausgestellt war (Fall II.1). Der Angeklagte und sein Bruder, der Mitangeklagte G. G. , meldeten mit Schreiben vom 24. August 2010 den durch einen angeblichen Diebstahl des betreffenden Fahrzeugs entstandenen Schaden bei der Versicherung, um die ihnen nicht zustehende Schadenssumme ausgezahlt zu bekommen. Dazu kam es nicht mehr (Fall II.2).
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- Der Angeklagte hat erklärt, er habe mit den ihm vorgeworfenen Taten nichts zu tun. Im Wesentlichen hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen , dass er sich bereits im Jahr 2009 zunehmend aus den Geschäften der GmbH zurückgezogen und sich immer öfter bei seiner kranken Ehefrau in Italien aufgehalten habe. Spätestens ab Anfang 2010 habe sein Bruder G. alleine die Geschäfte geführt. Er habe mit dem Unternehmen im Jahr 2010 nur noch insoweit zu tun gehabt, als es darum gegangen sei, „irgendwelche Unterschriften“ zu leisten. Er habe gelegentlich das Büro aufgesucht und seinem Bruder geholfen „irgendwelchen Papierkram“ zu erledigen, mithin in der Regel als Geschäftsführer vorbereitete Dokumente unterschrieben (UA S. 5). Der Notartermin vom 30. April 2010 sei ihm noch erinnerlich. Sein Bruder habe ihm im Vorfeld dieses Termins mitgeteilt, dass er versuche, für das in finanziellen Schwierigkeiten befindliche Unternehmen „irgendwelche Aufträge in Nordafrika zu akquirieren“, und in diesem Zusammenhang mit Sch. nach Nordafrika reisen wolle, wofür die Vollmacht benötigt würde (UA S. 6). Hinsichtlich der Schadensanzeige vom 24. Au- gust 2010, die er unterschrieben habe, sei ihm von seinem Bruder mitgeteilt worden, dass „das Kraftfahrzeug wohl zwischenzeitlich entwendet“ worden sei; einen Verdacht, dass das Fahrzeug außer Landes gebracht und ein Versicherungsbetrug geplant sei, habe er zu diesem Zeitpunkt nicht gehegt (UA S. 6). Der Angeklagte meint jedoch, dass sicher sein Bruder und auch Sch. „die Finger im Spiel“ hätten; offensichtlich sei auch der Mitangeklagte S. involviert (UA S. 7). Die anderen Mitangeklagten A. und B. habe er erst während des Verfahrens kennengelernt. Er sei sich auch zeitweise sicher gewesen, dass „sogar gezielt versucht wor- den“ wäre, ihn „als den eigentlichen Haupttäter darzustellen“. Hierfür sprä- che, dass er am 30. April 2010 eine „völlig sinnlose Vollmacht“ unterschrieben habe, die gar nicht benötigt worden wäre, weil die „Tätergruppe“ über eine Totalfälschung des Fahrzeugscheins verfügt habe (UA S. 7).
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- Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe im Wesentlichen auf die notariell beglaubigte Vollmacht (UA S. 8), die Geständnisse der früheren Mitangeklagten B. und S. (UA S. 9) und die durch Verlesung und über einen Vernehmungsbeamten eingeführten Angaben des verstorbenen früheren Mitangeschuldigten Sch. (UA S. 9 f.). Die Täterschaft des Angeklagten in Fall II.2 der Urteilsgründe begründet die Strafkammer im Wesentlichen mit ihrer Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Fall II.1 und dem Geständnis seines mitangeklagten Bruders (UA S. 11, 12).
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- Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung erweist sich als lückenhaft und hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- Die Besonderheit der Beweissituation liegt hier darin begründet, dass der Angeklagte in seiner Einlassung ein Alternativtatgeschehen schildert, mit dem er überwiegend seinen mitangeklagten Bruder und den früheren Mitangeschuldigten Sch. belastet, während der Angeklagte selbst im Wesentlichen durch diese sowie zusätzlich durch die Mitangeklagten S.
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- Ob als gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage Sch. s bereits die notarielle Vollmacht und andere Anhaltspunkte genügen , in denen das Landgericht die Angaben des Sch. bestätigt sah (UA S. 10 f.), vermag der Senat nicht zu beurteilen, denn das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung auch auf die Geständnisse der früheren Mitangeklagten S. und B. (Fall II.1) und seines mitangeklagten Bruders (Fall II.2) gestützt.
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- Indem es jedoch die Angaben Sch. s in den lediglich pauschal wiedergegebenen Geständnissen der früheren Mitangeklagten S. und B. bestätigt sieht, wird die Beweiswürdigung der sich aus der besonderen Beweislage ergebenden Erörterungspflicht nicht gerecht. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, inwieweit die Mitangeklagten mit der Tatversion des Angeklagten konfrontiert worden sind und welchen Inhalt und Hintergrund die von ihnen erklärten Geständnisse hatten. Insofern er- schöpft sich die Würdigung in Fall II.1 in der Feststellung, dass die „Mitange- klagten S. und B. mit ihren Geständnissen in der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt haben, im Auftrag des Angeklagten die Übergabe des Fahrzeugs an die Fahrer vermittelt zu haben“ (UA S. 9) und im Fall II.2 in der Darlegung, sein mitangeklagter Bruder habe sich „geständig zur gemeinschaftlichen Tatbegehung mit dem Angeklagten eingelassen und diesen insoweit glaubhaft als Mittäter belastet“. Es erschließt sich aber nicht, aus welchen Gründen das Landgericht die Tatversion des Angeklagten durch die Geständnisse der Mitangeklagten als widerlegt erachtet.
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- Der Senat hat dabei insbesondere die Möglichkeit bedacht, dass die Mitangeklagten unter Umständen nur detailarme Geständnisse abgegeben haben. Namentlich solches entbindet jedoch das erkennende Gericht nicht von seiner Pflicht, die Angaben der Mitangeklagten besonders kritisch auf ihre Glaubhaftigkeit hin zu überprüfen und in den Urteilsgründen seine Überzeugungsbildung plausibel zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 1 StR 464/02, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 15). Daran fehlt es hier. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Landgericht die Geständnisse der Mitangeklagten als glaubhaft bewertet. Denn die Begründung erweist sich – angesichts des vom Angeklagten geschilderten Alternativtatgeschehens – nur als formelhaft.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.