Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 5 StR 392/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Prüfung schon deswegen nicht stand, weil das Landgericht die Voraussetzungen des § 63 StGB nicht geprüft hat, obwohl sich dies aufgedrängt hätte.
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- a) Nach den Feststellungen tötete die Angeklagte ihre neugeborene Tochter unmittelbar nach der Geburt, indem sie das lebende Kind in eine Plastiktüte steckte und diese bei Minustemperaturen im Hof des Wohnanwe- sens zwischen einen Schuppen und einen Zaun stellte. Die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer geht davon aus, dass die Angeklagte die Tat im Zustand verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB beging. Sie weise seit Jahren eine dissoziative Persönlichkeitsstörung „mit Krankheitswert“ auf, in deren Folge das Phänomen der „Schwangerschaftsverdrängung“ bzw. „abgewehrten Schwangerschaft“ auftrete (UA S. 4 f.,13). Dieser Defekt – möglicherweise verstärkt durch erheblichen Blutverlust und damit einhergehende Sauerstoffminderversorgung des Gehirns sowie durch hormonale Veränderungen im Rahmen des Geburtsvorgangs – habe ihr Steuerungsvermögen schuldrelevant beeinträchtigt (UA S. 15).
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- b) Unter solchen Vorzeichen wäre zwingend der Frage nachzugehen gewesen, ob die Angeklagte im psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist (§ 63 StGB). Sie leidet an einer dauerhaften psychischen Störung, aufgrund derer sie die Tat begangen hat. Die Umstände der Begehung der Tat sowie die bisherige Entwicklung des Defekts lassen dabei eine Gefahr der Begehung gleichgelagerter Taten jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen. Dafür könnte auch die Erwägung der Schwurgerichtskammer sprechen, es sei fraglich, ob das unter ähnlichen Umständen wie das getötete Kind zur Welt gekommene zweite Kind der Angeklagten am Leben geblieben wäre, wenn nicht der damalige Lebensgefährte der Angeklagten zum Zeitpunkt der Geburt in der Wohnung gewesen wäre und die Angeklagte sowie das Neugeborene unter seine Betreuung genommen hätte (UA S. 13).
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- Der Entscheidung steht nicht entgegen, dass nur die Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Die Angeklagte hat das Unterbleiben einer Unterbringungsanordnung nicht von ihrem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Es kann daher dahinstehen, ob dies in Bezug auf § 63 StGB überhaupt wirksam möglich wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 3 StR 427/11, NStZ-RR 2012, 139, 140 mwN).
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- 2. Der Strafausspruch war aufzuheben, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafe geringer ausgefallen wäre, wenn das Landgericht die Maßregel angeordnet hätte. Für die neue Hauptverhandlung weist er darauf hin, dass die Beanstandungen der Beschwerdeführerin zu der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Strafrahmenwahl und Strafhöhenbemessung nicht gänzlich von der Hand zu weisen sind (vgl. zu den erforderlichen Prüfschritten Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 5. Aufl., Rn. 930). Sofern das neu entscheidende Tatgericht unter gleichzeitiger Maßregelanordnung eine aussetzungsfähige Strafe verhängen sollte, wird zu prüfen sein, ob die Vollstreckung von Strafe und Maßregel (vgl. § 67b Abs. 1 StGB) unter geeignet erscheinenden Therapieauflagen zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.