Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2000 - 5 StR 382/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: 1. Die Anträge, mit denen Kontakte des Angeklagten R z um Landeskriminalamt behauptet wurden, hat das Landgericht zu Recht als bedeutungslos abgelehnt. Keine der aufgestellten Behauptungen – soweit sie überhaupt konkrete Beweistatsachen enthielten – war geeignet, den Schuldspruch oder die Strafzumessung zugunsten der Angeklagten zu beeinflussen. Das gilt auch für die Behauptung, der Kriminalbeamte D habe einzelne Kundenakten geprüft und für in Ordnung befunden; es stellt keine unzulässige Beweisantizipation dar, daß das Landgericht die Bedeutungslosigkeit auch mit der Gesamtstrategie der Angeklagten begründet hat. Im übrigen sind einzelne Verfahrensbeschwerden der Angeklagten B und S schon unzulässig, weil der Ablehnungsbeschluß (Beweisanträge Anlagen 21 bis 24) und in Bezug genommene Schreiben (Beweisantrag Anlage 81) nicht mitgeteilt werden.
2. Es kann offen bleiben, ob das als Anlage zu einem auf Zeugenvernehmung gerichteten Beweisantrag beigefügte Schreiben des LKA vom 4. September 1997 nach § 256 StPO verlesen werden durfte. Ersichtlich diente die Verlesung nur der Entscheidung darüber, ob die Vernehmung der Zeu- gen erfolgen sollte (§ 251 Abs. 3 StPO); im Urteil sind keine Feststellungen auf den Inhalt des Schreibens gestützt.
3. Die schriftliche Mitteilung der Vorsitzenden, der Angeklagte R habe „in jedem Fall eine erhebliche Freiheitsstrafe zu erwarten“, begründet unter den hier gegebenen Umständen die Besorgnis der Befangenheit nicht. Sie erfolgte auf dem Hintergrund vorangegangener Verständigungsgespräche und konnte deshalb, wie die mit „streitig“ bezeichnete Alternative zeigt, aus der Sicht des Angeklagten nur dahin verstanden werden, daß mit „jedem Fall“ der Fall eines Geständnisses gemeint war. Die Worte „zu erwarten“ belegen vor dem Hintergrund der erörterten Fluchtgefahr deutlich , daß es sich nur um eine Prognose für den Fall eines Schuldspruches handelte. Die Befangenheitsrüge ist zudem unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Inhalt des Protokolls der Hauptverhandlung vom 15. Mai 1997 nicht vorträgt, wo vermerkt ist, daß die Vorsitzende einen Vortrag über den bisherigen Verlauf des Verfahrens hielt und über die Vorbesprechung referiert hat. Dabei ging es ersichtlich gerade um diese Verständigungsgespräche.
4. Die Rüge der Angeklagten R und Sa , das Landgericht habe entgegen § 261 StPO nicht alles verwertet, was Inbegriff der Hauptverhandlung war, ist unbegründet. Der Revision ist zuzugeben, daß die Ausführungen im Urteil, der Angeklagte R habe in der Hauptverhandlung nicht zur Sache ausgesagt, nicht zutreffend ist. Durch das – weder unklare noch widersprüchlliche – Hauptverhandlungsprotokoll ist bewiesen (§ 274 StPO), daß sich der Angeklagte am 2. Juni 1997 und – was allein der Angeklagte R v orträgt – am 8. September 1997 doch „zur Sache äußerte“. Seine Einlassung vom 2. Juni 1997 ist wörtlich dahin protokolliert, daß er zu Beweisanträgen äußerte: „Die Beweisbehauptungen ... sind nicht ganz falsch“ (zur Frage der Sacheinlassung vgl. BGHR StPO § 274 Beweiskraft 18). Am 8. September 1997 „äußerte er sich zur Sache“, während eine Sachverständige ihr Gutachten erstattete; worin diese Ä ußerung bestand und was Gegenstand des Gutachtens war, trägt die Revision nicht vor.
Die erste, wörtlich protokollierte Einlassung vom 2. Juni 1997 ist derart knapp und pauschal gehalten – sie bezieht sich auf vage Beweisbehauptungen im Sinne von Beweisermittlungsanträgen –, daß sie für die Beweiswürdigung ohne jede Bedeutung war. Der Senat kann ausschließen, daß das Urteil auf der Nichtberücksichtigung dieser Einlassung beruht.
Die zweite Einlassung am 8. September 1997 betraf naheliegend eine Zwischenbemerkung des Angeklagten im Zusammenhang mit der Vernehmung einer Sachverständigen. Jedenfalls bei dieser besonderen Situation, die eher für eine marginale Sacheinlassung spricht, hätte der Beschwerdeführer vortragen müssen, ob die Einlassung des Angeklagten substantiell war (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 261 Rdn. 16) und welchen Inhalt sie in diesem Fall hatte.
Harms Häger Nack Tepperwien Gerhardt
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Verlesen werden können
- 1.
die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen - a)
öffentlicher Behörden, - b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie - c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
- 2.
unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen, - 3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben, - 4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung, - 5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und - 6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.
(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.
(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,
- 1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind; - 2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen; - 3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann; - 4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.
(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn
- 1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen; - 2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann; - 3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.
(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.