Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2008 - 5 StR 36/08

published on 05/03/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2008 - 5 StR 36/08
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 36/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 5. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 7. November 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Untreue in 79 Fällen verurteilt wird,
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 79 Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist seine Revision aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte, der als selbständiger Handelsvertreter eine Versicherungsagentur betrieb, berechtigt , Versicherungsfälle bis zu 1.600 Euro eigenverantwortlich zu regulieren. In diesem Zusammenhang veranlasste der Angeklagte in 79 Fällen durch fingierte Schadensfälle, dass Zahlungen auf von ihm benannte Konten erfolgten.
3
2. Diese Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung wegen tateinheitlichen Betrugs in 79 Fällen nicht. Eine Idealkonkurrenz zwischen Untreue und Betrug setzt voraus, dass der Täter im Rahmen einer schon bestehenden Vermögensbetreuungspflicht die Vermögensschädigung des zu betreuenden Vermögens durch eine Täuschungshandlung bewirkt hat (BGH wistra 2007, 302, 303; 1991, 218, 219 m.w.N.; vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 10). Zwar kann im vorliegenden Fall wegen der dem Angeklagten eingeräumten Regulierungsbefugnis von einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB ausgegangen werden; die Annahme eines hierzu in Tateinheit stehenden Betruges begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken.
4
a) Eine betrügerische Handlung des Angeklagten kommt nur durch die von ihm vorgenommene Einreichung fingierter Schadensfälle bei seiner Versicherung in Betracht. Dem Angeklagten war eine eigene Regulierungszuständigkeit für Versicherungsfälle bis 1.600 Euro eingeräumt. Sämtliche Einzelfälle lagen betragsmäßig unter dieser Grenze. Wenn das Landgericht neben einer treupflichtwidrigen Vermögensverfügung zugleich einen Betrug zu Lasten der Versicherung annimmt, hätte es darstellen müssen, welcher Mitarbeiter sich aufgrund einer Täuschungshandlung des Angeklagten in einem Irrtum befunden und deshalb die vom Angeklagten abgeforderten Gelder überwiesen hat. Unter diesem Gesichtspunkt hätte das Landgericht die Einreichung der Schadensunterlagen bei der Versicherung würdigen müssen. Hierzu hat es allerdings keine näheren Feststellungen getroffen.
5
Bestehen innerhalb eines Unternehmens entsprechende Kompetenzspielräume für die sachliche Entscheidung, werden die mit der kassenmäßigen Umsetzung betrauten Mitarbeiter in der Regel nur noch die formellen Voraussetzungen einer Prüfung unterziehen, mithin also die Punkte, ob die Anweisung vom Angeklagten herrührt und er sich innerhalb des ihm zugewiesenen Verfügungsrahmens gehalten hat. Aus seiner Befugnis, bis zu einer Betragsobergrenze selbständig regulieren zu dürfen, ergibt sich nämlich, dass die Schadensabwicklung nicht von der Genehmigung oder Überprüfung einer anderen Stelle abhängig gemacht werden sollte. Hierfür spricht auch, wenn – was nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsfeststellungen auf der Hand liegt – die Anweisung nicht von der Schadensabteilung, sondern von der Vertriebsabteilung der Versicherung, die ihm als Versicherungsvertreter übergeordnet war, vollzogen wurde. Besteht eine Trennung zwischen Auszahlungs- und Entscheidungszuständigkeit – dies gilt bei einem privatwirtschaftlich organisierten Betrieb ebenso wie bei einer Behörde –, wird den mit den Kassenaufgaben betrauten Mitarbeiter nur interessieren, ob der für die Sachentscheidung Zuständige die sachliche und rechnerische Richtigkeit einer Forderung festgestellt und die Auszahlung des geschuldeten Betrages angeordnet hat (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9; BGH NStZ 1997, 281; vgl. aber auch BGH wistra 2007, 302, 303).
6
b) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts, der eine standardisierte rudimentäre Plausibilitätsprüfung genügen lässt, reicht die bloße formale Kontrolle, ob die Obergrenze nicht überschritten wurde, für die Annahme einer irrtumsbedingten Verfügung im Sinne eines Betrugs nach § 263 StGB nicht aus. Denn diese Prüfung bezieht sich nicht auf die sachliche Richtigkeit der eingereichten Rechnung, sondern lediglich auf die Kontrolle der formalen Entscheidungskompetenz des Angeklagten. Abgesehen davon, dass er hierüber nicht getäuscht hat, sondern lediglich über die inhaltliche Richtigkeit des zur Regulierung angewiesenen Schadensbetrags, ist insoweit jedenfalls kein Irrtum im Sinne des § 263 StGB hervorgerufen worden. Der Verfügende wird sich nämlich nur Gedanken darüber machen, was von seiner Prüfungsaufgabe umfasst ist (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9; BGH NStZ 2005, 157, 158; vgl. auch BGHSt 51, 165, 168). Diese bezieht sich ersichtlich allein auf die Einhaltung der Grenzen, die für die Regulierungszuständigkeit des Angeklagten maßgeblich sind. Da der Angeklagte diese nicht überschritten hat, liegt keine Irrtumserregung im Sinne des § 263 StGB auf Seiten der Versicherung vor, weil deren Mitarbeiter jenseits dessen sich keine Vorstellung gemacht haben.
7
c) Denkbar wäre ein Betrug allerdings insoweit, als der Angeklagte die fingierten Unterlagen erstellt hat, um im Falle einer versicherungsinternen Revision nicht aufgedeckt zu werden. Insoweit läge zwar sowohl eine betrugsrelevante Täuschungshandlung als auch eine entsprechende Irrtumserregung nach § 263 StGB vor. Eine Strafbarkeit diesbezüglich wegen Betrugs ist jedoch ausgeschlossen, weil sich eine dementsprechende Betrugshandlung als mitbestrafte Nachtat darstellen würde. Hierbei geht es nämlich um die Sicherung der bereits durch die Anweisung erlangten Gelder (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 10; § 266 Abs. 1 Treubruch 1; BGH NStZ 2004, 568, 570).
8
3. Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden, welche die Grundlage für einen wie vom Landgericht ausgeurteilten Schuldspruch bilden könnten. Der Senat ändert daher den Schuldspruch selbst und lässt die tateinheitliche Verurteilung wegen Betrugs in 79 Fällen wegfallen. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Höhe der Strafen durch die Annahme der Verletzung zweier Strafgesetze beeinflusst worden ist. Das Landgericht hat den tateinheitlichen Verstoß gegen § 263 StGB sogar ausdrücklich strafschärfend gewürdigt.
9
4. Die Feststellungen können aufrechterhalten werden, weil sie von dem Subsumtionsfehler nicht berührt sind. Der neue Tatrichter wird aber Gelegenheit haben, Feststellungen zu der von der Verteidigung behaupteten Verfahrensverzögerung zu treffen. Immerhin ist auffällig, dass gegen den geständigen Angeklagten erst drei bis vier Jahre nach Tatbegehung Anklage erhoben wurde. Im Rahmen einer schwerpunktmäßigen Erklärung hierzu kann in einem neuen Urteil die Mitteilung angezeigt sein, wann die Taten des Angeklagten entdeckt wurden und seit wann er sich geständig eingelassen hat.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)