Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2018 - 5 StR 270/18

published on 10/12/2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2018 - 5 StR 270/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 270/18
vom
10. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:101218B5STR270.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Dezember 2018 gemäß § 46 Abs. 1 StPO beschlossen:
Der Antrag der Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Begründung ihrer Revision gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 12. Januar 2018 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen die Verurteilte namentlich wegen schwerer Brandstiftung und mehrfacher versuchter schwerer Brandstiftung eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt. Ihre hiergegen gerichtete und auf Rügen der Verletzung formellen sowie materiellen Rechts gestützte Revision hat der Senat mit Beschluss vom 31. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Mit Schriftsatz vom 3. September 2018 hat der Verteidiger beim Landgericht „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Revisionsbegründung der Revisionsführerin“ beantragt und dem Senat eine Abschrift des Antrags übermittelt.
2
1. Zur Entscheidung ist nicht das Landgericht, sondern nach § 46 Abs. 1 StPO der Bundesgerichtshof berufen.
3
2. Folgendes Geschehen liegt zugrunde:
4
Mit einer Verfahrensrüge hatte der Verteidiger beanstandet, dass das Urteil ausweislich des Protokolls nicht in öffentlicher Hauptverhandlung verkündet worden sei. In der Verhandlungsniederschrift ist insoweit vermerkt: „Das Gericht zog sich um 11:24 Uhr bis 13:30 Uhr zur Beratung zurück und erschien wieder um 13:30 Uhr zur Verkündung. Die Hauptverhandlung wurde während der Verlesung der Urteilsformel von 13:31 Uhr bis 13:32 Uhr unterbrochen. Das Urteil wurde durch Verlesung der Urteilsformel und durch mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe dahin verkündet: …“
5
Auf die durch die Revision erhobene Verfahrensrüge hin hat das Landgericht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten das Hauptverhandlungsproto- koll mit Beschluss vom 8. Mai 2018 „klarstellend“ wie folgt „ergänzt“: „... Das Gericht zog sich um 11:24 Uhr bis 13:30 Uhr zur Bera- tung zurück und erschien wieder um 13:30 Uhr zur Verkündung. Das Gericht begann mit der Verkündung des Urteils. Die Verlesung des Urteilstenors wurde durch die Vorsitzende unterbrochen und die Hauptverhandlung von 13:31 Uhr bis 13:32 Uhr unterbrochen. Nach erneutem Erscheinen des Gerichts im Sitzungssaal wurde das Urteil sodann durch vollständige Verlesung der Urteilsformel und durch mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe dahin verkündet: ...“
6
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift vom 19. Juni 2018 die Verwerfung der Revision beantragt. Der vorgenannten Beanstandung sei durch die Protokollberichtigung die Grundlage entzogen. Der Senat hat die Revision mit nicht weiter begründetem Beschluss vom 31. Juli 2018 als offensichtlich unbegründet verworfen.
7
Auf die nach Einlegung der Revision erhobene Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Landgerichts vom 8. Mai 2018 hat das Brandenburgische Oberlandesgericht diesen am 20. August 2018 aufgehoben. Nach seiner Auffassung genügte das Berichtigungsverfahren nicht den für Konstellationen der sogenannten „Rügeverkümmerung“ durch den Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06, BGHSt 51, 298, 316 ff.) statuierten Vorgaben.
8
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig.
9
a) Die Verurteilte hat keine Frist versäumt. Sie hat die Revision vielmehr innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO mit mehreren ausgeführten Verfahrensrügen und der ebenfalls ausgeführten Sachrüge begründet.
10
b) Soweit sich der Verteidiger darauf beruft, in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei anerkannt, dass bei einer „Rügeverkümmerung“ eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zur Nachholung einer Verfahrensrüge ausnahmsweise zu gewähren sei, wenn allein aufgrund des Inhalts der Protokollberichtigung ein Rechtsfehler geltend gemacht werden solle (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2006 – 1 StR 466/05, NJW 2006, 3582, 3587; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 271 Rn. 26c; MüKo-StPO/Valerius, 2016, § 274 Rn. 55), kann dies dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Denn betreffend die ergänzte Verhandlungsniederschrift rügt der Verteidiger keinen Verfahrensfehler. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich.
11
c) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob eine (weitere) Ausnahme dann gerechtfertigt sein kann, wenn in den betroffenen Fällen ein Berichtigungsbeschluss im Beschwerdeverfahren aufgehoben wird und das nicht berichtigte Protokoll einen Verfahrensfehler ergibt. Denn ein derartiger Fall, mithin ein Fall der „Rügeverkümmerung“, ist, was der Senat seiner Entscheidung über die Revision der Verurteilten zugrunde gelegt hat, hier nicht gegeben.
12
aa) Schon durch die (unberichtigte) Verhandlungsniederschrift ist nämlich nicht bewiesen (§ 274 Satz 1 StPO), dass das Urteil während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung verkündet wurde. Der Inhalt der Verhandlungsniederschrift ist der Auslegung zugänglich (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 2. Oktober 1985 – 2 StR 377/85, NJW 1986, 2063, 2064 mwN; Urteil vom 5. Mai 2004 – 2 StR 492/03, NStZ-RR 2004, 237). Im Protokoll ist festgehalten, dass die Verhandlung nach Abbruch der Verlesung der Urteilsformel für einen exakt begrenzten Zeitraum (von 13:31 bis 13:32 Uhr) unterbrochen war. In einem darauffolgenden Absatz ist protokolliert, dass die Urteilsformel verlesen und das Urteil begründet wurde. Daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Verlesung der Urteilsformel und die mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts der – gegenständlich umfangreichen – Urteilsgründe nicht etwa während der einminütigen Unterbrechung der Hauptverhandlung erfolgt sind. Für die Andeutung des Verteidigers, dies könne zumindest für die Verlesung der Urteilsformel zutreffen, fehlt nach dem Protokoll jeglicher Anhaltspunkt.
13
bb) Auch wenn man von einer Unklarheit des Protokolls ausgehen würde , ergäbe sich nichts anderes. Dann wäre dessen Beweiskraft entfallen, woraufhin der tatsächliche Ablauf in freier Beweiswürdigung zu klären wäre (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 274 Rn. 17 f. mit zahlreichen Nachweisen). Aus den dienstlichen Äußerungen der Vorsitzenden und der Protokollführerin – denen die Instanzverteidigerin im Anhörungsverfahren nicht entgegengetreten ist – gehthervor, dass das Urteil in öffentlicher Hauptverhandlung verkündet wurde. Sie finden überdies ihre Bestätigung in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft. Darin bekundet der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft seine sichere Erinnerung, dass das Urteil „im vollen Umfang“ nach Beendigung der Unterbrechung der Hauptverhandlung verkündet wurde. Dementsprechend ist im Beschluss des Landgerichts Neuruppin formuliert, dass das Protokoll „klarstellend ergänzt“ worden sei. Bei dieser Sachlage ist der behauptete Verfah- rensfehler jedenfalls nicht nachgewiesen, kann vielmehr sogar ausgeschlossen werden.
14
cc) Nach alledem besteht kein Bedürfnis, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegen den Voraussetzungen des § 44 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 1951 – 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 45 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 44 Rn. 7b mwN) zur Vermeidung ansonsten unwiederbringlicher Rechtsnachteile der Verurteilten zuzulassen.
15
4. Der Fall gibt dem Senat Anlass zu folgendem Hinweis:
16
In den Fällen der sogenannten „Rügeverkümmerung“ ist die Aufgabe, die Beachtlichkeit einer Protokollberichtigung im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge zu prüfen, dem Revisionsgericht zugewiesen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 271 Rn. 26b mwN). Verfolgt der Beschwerdeführer – wie hier und wie in aller Regel – nicht Zwecke, die über das Angriffsziel der erhobenen Verfahrensrüge hin- ausgehen, wird eine Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss nach § 304 Abs. 1 StPO mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht zulässig erhoben werden können (zutreffend Meyer-Goßner/Schmitt, aaO). Dies ist auch zur Vermeidung von unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit nicht hinnehmbaren divergierenden Entscheidungen in den verschiedenen Rechtszügen angezeigt.
Mutzbauer König Berger
Mosbacher Köhler
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d
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Annotations

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.